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INTERNATIONAL/001: Kuba - Kultur durchbricht Embargo, erstes gemeinsames Theaterprojekt mit USA (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. August 2010

Kuba: Kultur durchbricht Embargo - Erstes gemeinsames Theaterprojekt mit USA

Von Dalia Acosta


Havanna, 11. August (IPS) - Jahrelang lag der Kulturaustausch zwischen Kuba und dem Erzfeind USA praktisch brach. Doch nun hat das erste gemeinsame Theaterprojekt seit einem halben Jahrhundert wieder frischen Wind in die Beziehungen gebracht. In der Hauptstadt Havanna hob sich in diesem Sommer der Vorhang für ein Stück eines in den USA geborenen Sohns von Exilkubanern.

"Wenn sich die Zeiten ändern, kannst Du sie nicht aufhalten", heißt es in dem Theaterstück 'El canto del pozo ciego' (Der Gesang der Sickergrube) von José Ignacio Cortiñas, der in Miami aufwuchs. Der Regisseur Jorge Luis Cacheiro, der auch für New Yorker Broadway-Theater arbeitet, bemüht sich seit einem Jahrzehnt darum, kulturelle Brücken zwischen beiden Ländern zu schlagen.

"Die kubanische Theaterszene wünscht sich eine Zusammenarbeit mit Künstlern aus den USA", betonte Cacheiro in einem Email-Interview mit IPS. Stiftungen, Kulturorganisationen, Universitäten und Theater aus Nordamerika seien inzwischen bereit, einen solchen Austausch zu unterstützen, erklärte der US-Kubaner, der zu der Premiere des Stückes im Juli in den Karibikstaat reiste.

Die Aufführungen in dem Theater Rita Montaner in Havanna kamen durch die erste Bühnenkooperation zwischen beiden Ländern seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen 1961 zustande. Seit Februar 1962 ist ein Handels-, Wirtschafts- und Finanzembargo gegen die kubanische Regierung in Kraft.


Rückschläge unter Bush-Regierung

In den folgenden Jahrzehnten erlebte der bilaterale Kulturaustausch so manche Höhen und Tiefen. Am günstigsten waren die Voraussetzungen, als die demokratischen Präsidenten Jimmy Carter (1977-81) und Bill Clinton (1993-2001) im Weißen Haus saßen. Unter Clintons Nachfolger George W. Bush brach dagegen eine neue Eiszeit an.

"Für eine Zusammenarbeit zwischen den Theatern standen die Türen bisher nicht offen", sagte die kubanische Dramaturgin Lilian Susel Zaldivar, die als Beraterin an der Produktion mitwirkte. Dass sich dies jetzt geändert habe, sei nicht nur in künstlerischer, sondern auch in politischer und sozialer Hinsicht wichtig.

Protagonist von 'El pozo ciego' ist der Teenager Reiderico. Er sucht seine wahre Identität, deren Stimme ihm aus den Tiefen eines Brunnens entgegen kommt. Reiderico lebt an einem abgelegenen Ort, den er nicht verlassen kann. Er hat jedoch den Wunsch, über seinen Horizont hinaus zu gelangen.

Die Theatertruppe Rita Montaner hat nicht groß für diese Produktion geworben. Nur wer genau in das Programm schaute, erfuhr, dass ein "Meilenstein in der kubanischen Theatergeschichte" erreicht sei.

Die erste Idee zu dem Projekt entstand bereits 1999. Drei Jahre später erhielten Cacheiro und der Direktor des Theaters Rita Montaner, Gerardo Fulleda Léon, grünes Licht vom Kulturministerium in Havanna. Dabei wäre das Stück gerade aus offizieller Sicht Kubas durchaus konfliktträchtig gewesen. 'El pozo ciego' lehnt nämlich an den ersten Roman des kubanischen Regimekritikers Reinaldo Arenas an, der als Homosexueller in seinem Land verfolgt wurde. 1980 emigrierte er in die USA, wo er zehn Jahre später starb.

Der Plan scheiterte zunächst allerdings an einem strikten Nein aus Washington. "Unter der Bush-Regierung war es einfach unvorstellbar, dass ein Stück aus den USA in Kuba aufgeführt worden wäre", sagte Fulleda Léon IPS. Nun hofft er, dass sich weitere gemeinsame Projekte mit Kollegen aus dem Norden ergeben.

Die Theaterkooperation wurde in den USA von der 'Theatre Communications Group', der 'Andrew W. Mellon Foundation' und dem 'Global Education Center' an der Monclair State University in New Jersey unterstützt.

Als 'El pozo ciego' in Havanna Premiere feierte, unternahmen die beiden kubanischen Theatertruppen 'Buendía' und 'El Público' eine Tournee in die USA und traten bei Festivals in Miami und Chicago auf.

Auch das Kubanische Nationalballett mit seiner legendären Direktorin Alicia Alonso sowie die Liedermacher Carlos Varela und Silvio Rodriguez besuchten bereits das lange unzugängliche Nachbarland. Die kulturelle Blockade sei brüchig geworden, meinte Fulleda Léon.

Mehrere Künstler und Kulturverantwortliche aus den USA sind im Gegenzug nach Kuba gekommen. Anfang Juli gab der 'Yale Alumni Chorus', dem mehr als 200 Ehemalige der Elite-Uni angehören, drei Konzerte auf der Insel.

Fulleda Léon ist allerdings nicht sicher, ob seinen Landsleuten die Tragweite dieses neuen Kulturaustausches tatsächlich bewusst ist. Die Produktion hat im Ausland jedenfalls noch für mehr Schlagzeilen gesorgt als in Kuba selbst. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.uneac.org.cu/index.php?module=noticias&act=detalle&id=3453
http://www.tcg.org | http://www.mellon.org |
http://www.montclair.edu/GlobalEd/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96080

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2010