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MELDUNG/196: Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft für UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes nominiert (UNESCO)


Deutsche UNESCO-Kommission - Pressemitteilung vom 19. Dezember 2016

Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft für UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes nominiert

Weltweit einzigartige Vielfalt in der Theater- und Orchesterlandschaft


Deutschland nominiert seine Theater- und Orchesterlandschaft für die internationale UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes. Das haben die Kultusministerkonferenz unter der Leitung der Bremer Bildungssenatorin Dr. Claudia Bogedan und die Staatsministerin für Kultur und Medien Prof. Monika Grütters jetzt bestätigt. Damit folgen sie der Empfehlung der Experten der Deutschen UNESCO-Kommission. Die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft zeichnet sich durch eine weltweit einmalige Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen aus, die im Schauspiel, Figurentheater, in Oper, Operette, Musical, Tanz, Konzert sowie in performativen Veranstaltungen verwirklicht wird. Jährlich besuchen hierzulande rund 35 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer mehr als 120.000 Theateraufführungen und 9.000 Konzerte. Deutschland reicht das Nominierungsdossier im Frühjahr 2018 bei der UNESCO ein. Über die Aufnahme entscheidet der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe im Winter 2019.

Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters betont: "Die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft begründet - wie die vielfältige deutsche Kulturlandschaft überhaupt - Deutschlands Ruf als Kulturnation. Nirgendwo sonst sind Schauspiel, Oper, Musical, Tanz oder Konzert in solcher Vielfalt und an so vielen Orten im ganzen Land zu erleben. Durch die Weitergabe und Neugestaltung von Dramaturgien, künstlerischen Praktiken und Ästhetiken verbinden sie Tradition und Innovation, die dieses Immaterielle Kulturerbe besonders auszeichnen. Die Theater- und Orchesterlandschaft bietet kulturelle Räume der Orientierung und Selbstvergewisserung, die wir heute mehr denn je brauchen. Denn Kultur schafft nicht nur Identität, sie ist auch unser stärkster Integrationsmotor."

Dr. Claudia Bogedan, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, unterstreicht: "Deutschland verfügt über eine einzigartige Vielfalt in der Theater- und Orchesterlandschaft, die wir in den öffentlich getragenen Stadt- und Staatstheatern, den Landesbühnen, einer großen Zahl von Privattheatern und freien Gruppen, Musik- und Theater-Festivals sowie Theater- und Sinfonieorchester täglich aufs Neue erleben dürfen. Durch die Dichte und Bandbreite der Theater und Orchester in Deutschland sind sowohl die Weitergabe des Könnens und Wissen dieses Immateriellen Kulturerbes als auch die Möglichkeiten der Weiterentwicklung von besonderer Bedeutung."

Prof. Dr. Christoph Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission, erklärt: "Jedes Theater- und Konzertereignis ist ein Raum des Erlebens und Erkennens der Welt aus neuen Perspektiven. Theaterensembles und Orchester sind wichtige Akteure in der gesellschaftspolitischen Gegenwartsdebatte. Sie gestalten so unser Gemeinwesen und unsere Zukunft mit. Unsere Theater sind lebendige Kulturakteure in ihrer Region. Die Kulturform trägt damit auch wesentlich zur lokalen und regionalen Identitätsbildung bei."

Deutschland verfügt über die weltweit höchste Theaterdichte. Und auch die Orchesterdichte zählt zu den höchsten auf der ganzen Welt. Die Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland wird durch die rund 140 öffentlich getragenen Theater geprägt, also durch Stadttheater, Staatstheater und Landesbühnen. Hinzu kommen rund 220 Privattheater, etwa 130 Opern-, Sinfonie- und Kammerorchester und circa 70 Festspiele, etwa 150 Theater- und Spielstätten ohne festes Ensemble und um die 100 Tournee- und Gastspielbühnen ohne festes Haus. Darüber hinaus gibt es eine hohe Anzahl freier Gruppen.

Die Vielfalt der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft entwickelte sich aus der kleinstaatlichen Verfasstheit Deutschlands im 17. und 18. Jahrhundert. Zu den in den Fürstentümern und Königreichen entstandenen Theatern und Orchestern kamen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fremdsprachige Schauspielgruppen hinzu, die den Marktplatz und den Hof gleichermaßen bespielten. Das sich verfestigende Selbstbewusstsein des Bürgertums äußerte sich im 18. Jahrhundert zunächst im Gedanken des Nationaltheaters. Während des 19. Jahrhunderts etablierten sich dann die von den Bürgern getragenen Stadttheater und Konzertgesellschaften. Das Regietheater entstand Ende des 19. Jahrhunderts und entwickelte das Theater zur Kunstform.

2014 wurde die "Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft" auf Initiative des Deutschen Bühnenvereins und des Deutschen Musikrats in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Ein Eintrag ist die Vorbedingung für eine UNESCO-Nominierung.


Hintergrund

Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Seit 2003 unterstützt die UNESCO den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt dieser Kulturformen. Bis heute sind 171 Staaten dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes beigetreten. Deutschland ist seit 2013 Vertragsstaat.

Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten der Konvention zum Immateriellen Kulturerbe zusammen. Er entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen in die Listen des Immateriellen Kulturerbes. Bisher sind 366 Formen des Immateriellen Kulturerbes auf der internationalen Repräsentativen Liste eingetragen, 47 Elemente auf der Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Immateriellen Kulturerbes und 17 Gute Praxisbeispiele zur Erhaltung immateriellen Kulturerbes. Kriterien für die Anerkennung sind unter anderem eine nachweisbare Lebendigkeit und eine identitätsstiftende Komponente für die Trägergemeinschaft der Kulturform, die Entwicklung von Erhaltungsmaßnahmen, eine weitreichende Beteiligung der Trägergemeinschaft und die Eintragung in ein nationales Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes. Mit der Einschreibung verpflichten sich die Vertragsstaaten, das Immaterielle Kulturerbe auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet zu fördern.

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Quelle:
Deutsche UNESCO-Kommission e.V.
Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Colmantstraße 15, D-53115 Bonn
Telefon: +49 (0)228-60497-44
E-Mail: presse(at)unesco.de
Internet: http://www.unesco.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2016

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