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BERICHT/001: Entfesselter Ausdruck - Eine kulturelle Errungenschaft in Tanz und Behinderung (SB)


Entfesselter Ausdruck - Eine kulturelle Errungenschaft in Tanz und Behinderung

Das venezolanische Tanzensemble TRANSITO


Am 3. Dezember dieses Jahres bekamen die Redakteure des Schattenblick Gelegenheit, eine Gruppe außergewöhnlicher Künstler aus Venezuela kennen zu lernen und ihre spezielle Interpretation modernen Tanzes live zu erleben. Die Kulturabteilung der venezolanischen Botschaft präsentierte in ihrem Hause im winterlichen Berlin eine Aufführung der Tanzproduktion "Transito", deren auffälligste Besonderheit darin besteht, daß einige Mitglieder des Ensembles im Rollstuhl sitzen oder andere körperliche Behinderungen haben. Für den gemeinen Konsumenten tänzerischer Darbietungen stellt sich da natürlich als Erstes die ungläubige Frage, wie um alles in der Welt Bewegungsabläufe, die als Tanz definiert werden können, von Menschen ohne funktionstüchtige Beine ausgeführt werden sollen. Warum versuchen sich ausgerechnet physisch eingeschränkte Personen auf einem sportlichen Gebiet, das wie kaum ein anderes von der Ästhetik perfekter körperlicher Leistung und Leichtigkeit lebt? Allenfalls könnte dabei doch ein gelungenes Beispiel für scheinheilige Integrationsbemühungen von Seiten einer "gesunden" und "normalen" Gesellschaft herauskommen, die auch Behinderten erlaubt, sich irgendwie auf einer Bühne auszutoben, damit sich dann alle Beteiligten besser fühlen, oder? Nun, diese Perspektive scheint auf den ersten Blick zwar logisch zu sein, entpuppt sich jedoch bei genauerer Betrachtung schnell als ebenso einfältig wie fantasielos.

Die Mitwirkenden der 1997 ins Leben gerufenen Produktion "Transito" lassen nicht zu, daß ihre künstlerische Arbeit durch körperliche Einschränkungen definiert wird und machen diese auch nicht zum zentralen Thema zwischen sich und dem Publikum. Vielmehr machen sie sich die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten des modernen und zeitgenössischen Tanzes zu Nutze und erweitern diese durch den gezielten Einsatz ihrer körperlichen Gegebenheiten um eine bemerkenswerte Tiefe im Hinblick auf Mimik, Gestik und Koordination. In einem exklusiven Interview, eine Stunde vor Beginn ihrer Aufführung, nahmen sich drei Mitglieder des Ensembles sowie ihr Choreograph Alexander Madriz die Zeit, den Redakteuren des Schattenblicks ausführlich alle Fragen zu ihrem Projekt zu beantworten. Zunächst wollte der Schattenblick von den Tänzern wissen, ob sie bei ihrer Arbeit den Schwerpunkt darauf legen, wie sie auf der Bühne mit ihrer Behinderung umgehen oder ob es der Tanz selbst sei, dem sie sich ohne Anschauung der Ausgangsposition widmen wollen. Wie aus der Pistole geschossen erwiderte die Tänzerin der Gruppe, daß es ihnen in erster Linie um den Tanz als ein Mittel der körperlichen Kommunikation gehe. Für sie sei das Wichtigste daran der Umstand, daß diese Art sich zu bewegen eine Sprache sei, die direkt "von Seele zu Seele" wirke. Die Möglichkeit, Emotionen und Gedanken mittels Bewegung direkt von einem Menschen zum Anderen zu vermitteln, stellte sie als eine ihrer wichtigsten Motivationen dar, sich speziell durch dieses Medium auszudrücken. Darüber hinaus sei der Tanz jedoch auch eine einzigartige Möglichkeit, seine eigenen Grenzen zu überwinden, indem man sich auf eine bislang unbekannte Weise mit dem Verhältnis des eigenen Körpers zur restlichen Umgebung auseinandersetze. Schon während der Beantwortung dieser ersten allgemeinen Frage äußerte sich die Tänzerin nicht allein durch Worte, sondern untermalte ihre Aussagen durch eine Körperhaltung und Gestik, die ihre Hingabe an diese Bewegungskunst mehr als deutlich machte. Zudem hatte sie bereits ein zartes, weißes Gewand angezogen, wie es für Darbietungen modernen, zeitgenössischen Tanzes so typisch ist, das ihre Identität als Künstlerin auf diesem Gebiet klar hervorhob.

Tänzer im Interview

Ihr eigenes Auftreten und das ihrer Ensemblemitglieder machte die Frage, inwiefern sich Behinderung grundsätzlich mit Tanzästhetik vereinbaren ließe, sofort gegenstandslos. Vielmehr interessierten sich die Schattenblick-Redakteure nun dafür, wie sie und ihre Kollegen darauf gekommen seien, ein Tanzensemble zu gründen und auf welche körperliche Ausbildung sie dabei zurückgreifen konnten. Ihr Choreograph, Alexander Madriz, übernahm im Jahre 1999 die künstlerische Leitung der Tanzproduktion Transito. Jahre zuvor hatte er seine Tanzstudien in der experimentellen Tanzwerkstatt Pisorojo der Universidad Central von Caracas begonnen und später am Institute Superior de Danza fortgesetzt. Später wirkte er in verschiedenen Ensembles und unterschiedlichen Choreographien mit, unter anderem in "Exodo", die im Jahre 2001 auch beim Internationalen Tanzfestival in Caracas aufgeführt wurde. Als Choreograph, Tänzer und Lehrer leitet er derzeit das Tanzensemble "Transite Danza Integrativa". Als Profi der Gruppe erarbeitet er gemeinsam mit den Anderen die Stücke und fügt alle Ideen zu einem Ganzen zusammen. Sein nach unseren Normen intakter Körper dient dabei dem Zweck, die Kooperation zwischen den unterschiedlichen körperlichen Gegebenheiten seiner Künstler zu fördern. Im Gegensatz zur herkömmlichen Herangehensweise bei solchen Projekten wirkt dabei die Integration aber in beide Richtungen. Statt seine Tänzer auf ein minimales Maß an Beteiligung zu reduzieren, fügt Alexander Madriz sich selbst in ihre jeweiligen Stärken und Voraussetzungen ein.

Alexander Madriz

In unserem Interview erklärte er, daß dieses Projekt sein Leben sehr verändert habe, da er zuvor noch nie auf solche Weise mit Behinderten gearbeitet habe. Während Herr Madriz also als ausgebildeter Tänzer zu "Transito" stieß, gingen die drei anderen Ensemblemitglieder von ganz anderen sportlichen Voraussetzungen aus. Als Basketballspieler waren sie zwar Athleten und an rein körperliche Anforderungen gewöhnt, doch der Weg zum Tanz fiel ihnen deswegen keineswegs leicht. Auf die Frage hin, ob die gemeinsame Arbeit ihr Leben sehr verändert habe, ließ uns einer der beiden Künstler wissen, daß er ursprünglich überhaupt nichts mit dem Tanzen zu tun haben wollte, sondern nur wegen seiner Frau zu den Proben gestoßen sei. Er befasste sich zu diesem Zeitpunkt als Basketballspieler mit einer Bewegungsform, die aus seiner Sicht eher dem Kampfsport ähnelte und für einen Mann daher natürlich auch geeigneter war, als etwas so Rührseliges wie Tanzen. Nur mit Mühe habe man ihn überreden können, sich seiner Frau zuliebe an dem Ganzen zu beteiligen und es habe ihn durchaus Einiges an Überwindung gekostet, sich darauf einzulassen.

Persönliche Erinnerungen

Unumwunden räumte er ein, daß seine Begegnung mit einer eher gefühlsbetonten, tänzerischen Perspektive zum Thema Bewegung anfänglich eher eine Konfrontation war, bei der verschiedene Welten aufeinander prallten. So freimütig er sich darüber in unserem Gespräch auch äußerte, nahm man ihm doch sofort ab, daß seine Persönlichkeit ursprünglich sicherlich nicht unbedingt auf schöngeistige Tätigkeiten ausgerichtet gewesen sein muß. Er machte zunächst in seinem schwarzen Anzug mit Hut und durch ein bescheidenes aber handfestes Auftreten vielmehr einen bodenständigen, leicht düsteren Eindruck. Allerdings taute er bei der Erinnerung an den Beginn seiner tänzerischen Tätigkeit auf und schilderte diese Begebenheit mit einem Augenzwinkern. Ebenso wie später seine beiden Kollegen betonte er spontan, ihm würde das Tanzen mittlerweile soviel Spaß machen, daß er dabei bleiben würde, solange sein Choreograph ihn ertragen könne. Diese und andere kleine Anekdoten aus dem Leben der Künstler ließen unsere kleine Gesprächsrunde zunehmend auftauen und es wurde viel gelacht, während die Tänzer uns mit ihrem südamerikanischem Charme für sich einnahmen. Das zweite männliche Ensemblemitglied entpuppte sich als sehr eloquenter Vertreter des Projektes "Transito" und ließ uns wissen, daß es generell überaus schwierig sei, Männer zur Teilnahme an den Proben zu überreden, da die meisten von ihnen befürchteten, in peinliche, flauschige, rosa Kostüme gesteckt zu werden und sich lächerlich zu machen. Diese gängige Assoziation zum Thema Tanz sei auch der Grund, warum sie derzeit nur zu dritt hier wären.

Erfahrungsaustausch

Diese Geschichte machte den Redakteuren vom Schattenblick klar, daß diese Gruppe von Künstlern meistens ganz andere Grenzen in den Köpfen der Menschen zu überwinden hat, als die Frage nach Behinderung oder Nicht-Behinderung. Wie für alle anderen Kreativen auf der Welt besteht die größte Schwierigkeit nicht im Überwinden körperlicher Unterschiede, sondern darin, geistige Schranken nieder zu reißen. Jedenfalls wollen die Mitwirkenden des Projektes "Transito" selbst nach dem Hinwegkommen über ihre eigenen Beschränkungen nicht mehr auf die produktive Dimension des Tanzens verzichten. Darüber hinaus möchten sie auch anderen Personen ihre Erfahrung zugute kommen lassen und sind daher in Venezuela sehr viel unterwegs, um in Schulen, Krankenhäusern und auch auf der Straße aufzutreten. Sie wollen damit in erster Linie alle Zuschauer anregen, sich von den Möglichkeiten der künstlerischen Entfaltung mitreißen zu lassen, die dem Tanz innewohnen. Besonders Kinder und Erwachsene mit Behinderungen jedweder Art werden in Gesprächen und Workshops ermutigt, über Bewegung ihre Grenzen zu überschreiten und neuen Lebensmut zu gewinnen. Beispielsweise hat das Ensemble von "Transito" einmal auf einem Festival mit tauben Kindern eine Choreographie erarbeitet, die dann von der Leiterin der Veranstaltung für so gut befunden wurde, daß sie gebeten wurden, das Stück als Krönung des ganzen Events auf der großen Bühne aufzuführen. Für das Selbstbewußtsein der Kinder sei dieses Ereignis natürlich sehr förderlich gewesen, erzählte der beredte Tänzer dem Schattenblick. Das soziale Engagement ist den Künstlern eine Herzensangelegenheit und so sind sie teilweise auch im Bereich des Theaters, als Schauspieler oder Radiomoderatoren in verschiedensten Projekten aktiv, die ihnen zufolge ebenso Teile von "Transito" sind, wie der Tanz.

Als die Schattenblick-Redakteure nachfragten, ob sie diesen Tätigkeiten professionell nachgingen, wiesen die Künstler diese Vermutung lebhaft gestikulierend von sich, als sei diese Frage vollkommen überflüssig. Sie würden dem, was sie tun, aus Überzeugung nachgehen, nicht des Geldes wegen, obwohl sie aufgrund ihrer Erfolge schon entsprechende Anfragen aus verschiedenen Teilen der Welt bekommen hätten. Wirklich wichtig sei ihnen, daß das Projekt "Transito" auch in anderen Ländern Schule gemacht hätte, so wie beispielsweise in Spanien, wo nun ebenfalls behinderte Tänzer den Mut gefasst hätten, ein Ensemble zu gründen.

Der Begriff "Transito", so erklärten die Künstler dem Schattenblick, stehe für "Übergang" und würde sowohl das Überschreiten persönlicher Grenzen als auch den Aufbruch in eine neue Zeit markieren. In einem späteren Gespräch erklärte uns die Botschafterin Venezuelas, daß die Gruppe der Behinderten in ihrem Land noch vor einigen Jahren kaum wahrgenommen wurde und nicht viele Rechte gehabt habe. Durch eine neue Verfassung habe sich dieser Zustand gewandelt und nun fördere der Staat das kulturelle und künstlerische Engagement von Gruppen wie "Transito" besonders. Für diese Aussage stand die Botschafterin als Schirmherrin des Projektes im Laufe des Abends persönlich ein, indem sie den Auftritt der Tänzer in passionierten Worten ankündigte und deren Fähigkeiten in poetischen Metaphern pries. Sie seien "Adler, die durch die Lüfte fliegen", "Blumen, die sich öffnen" und Menschen mit ganz besonderen Stärken, schwärmte die Botschafterin und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Obwohl die ganze Veranstaltung in einem politisch so gewichtigen Rahmen stattfand, standen ausschließlich die Tänzer im Mittelpunkt des Geschehens und auf irgendein steifes, offizielles Protokoll wurde gänzlich verzichtet.

Bei der Botschafterin

Die Schattenblick-Redakteure hatten sich natürlich im Vorfeld der Aufführung bereits die Frage gestellt, wie ein angekündigter, neuer "Code" für die Sprache der Bewegung wohl aussehen könnte. Im ersten Stück, welches von Alexander Madriz und der im Rollstuhl sitzenden Tänzerin des Ensembles getanzt wurde, konnte man deutlich erkennen, wie dieser "Code" bei "Transito" umgesetzt wird. Zu klassischer, opernhafter Musik inszenierten die beiden weiß gewandeten Tänzer eine Geschichte von Liebe, Zuneigung und zwischenzeitlichen Zerwürfnissen. Dieses romantische Thema wird im modernen Tanz häufig bemüht, weshalb es nicht leicht ist, den Zuschauer immer aufs Neue damit zu berühren. In diesem Fall allerdings gelang es den Künstlern, das Publikum in seinen Bann zu ziehen und emotional zu beteiligen, indem sie die spezielle Kombination ihrer körperlichen Gegebenheiten zur Verstärkung des Ausdrucks nutzten. Da der Rollstuhl das schnelle Überbrücken von Strecken oder weit ausholende Gesten mit Armen und Beinen unmöglich machte, vollführten Alexander und seine Partnerin jeden Bewegungsablauf gemeinsam, ergänzten einander in präzisen, bedachten Gesten und bildeten so nach außen und innen eine gemeinsame Form ab, in der so etwas wie ein einzelnes Wesen entstand statt wie sonst üblich zwei Personen, die sich aufeinander zu und voneinander weg bewegen. Später beschrieb die Botschafterin den Effekt in etwa so: "Als ich die beiden tanzen sah, dachte ich an eine Möwe..." Tatsächlich lag der Vergleich in diesem Fall nahe, da die enge Koordination, welche der Rollstuhl den Tänzern abforderte, eine Art Verschmelzung ihrer Bewegungen hervorbrachte und ihnen damit die Eleganz eines fliegenden Vogels verlieh. Ihr spezifischer kinetischer Code ergibt sich aus dem Umstand, daß jeder Bewegungsablauf gemeinsam vollbracht werden muß, um nach außen hin raumgreifend zu wirken.

Die weiße Möwe

Die angestrebte Innigkeit ergibt sich dabei wie von selbst, da viel mehr auf den Partner bezogen gearbeitet wird, als es gemeinhin im Bühnentanz üblich erscheint. Dabei kommt natürlich hinzu, daß die mit funktionstüchtigen Beinen ausgestattete Person bei Figuren, die das Kippen oder Drehen des Rollstuhls erfordern, sehr umsichtig vorgehen muß, da es tatsächlich fatale Folgen hätte, den Anderen aus Versehen fallen zu lassen. Außerdem spielt gegenseitiges Vertrauen unter den Tanzpartnern natürlich eine große Rolle, wodurch die Situation hinsichtlich der Gefühle wie selbstverständlich eine größere Tragweite bekommt. Von den artistischen Einschränkungen der im Rollstuhl befindlichen Künstler profitieren ganz besonders Mimik und Gestik, die stärker betont werden, als es im modernen Tanz normalerweise getan wird. Man kann sagen, daß bei "Transito" die Grenze zur Schauspielerei bewußt ein wenig überschritten wird, um einen Mangel an akrobatischen Effekten zu kompensieren, was dem Ausdruck insgesamt aber auch gut tut. Im Falle von modernem Tanz, der oft mit wenig Requisiten und etwas Beleuchtung auskommen muß, ist der Zuschauer gerade auf eine intensive Darstellung angewiesen, um den Faden nicht zu verlieren. Genau diesem Aspekt einer Performance wird bei dem Ensemble von "Transito" viel Aufmerksamkeit gewidmet, was eindeutig als eine Stärke dieser Gruppe hervorzuheben ist.

Tango

Ausgesprochen interessant fand ich es, zu sehen, wie die Tänzer im Rollstuhl gemeinsam mit zwei nicht-behinderten Tänzerinnen einen Tango zum Besten gaben. Gerade dieser Paartanz lebt ja eigentlich vom Eindruck eines starken, führenden Mannes und einer sehr ausgeprägten erotischen Komponente. Auf welche Weise soll also eine an den Rollstuhl gebundene Person diese Aspekte des Tango angemessen repräsentieren? Wieder einmal traten die venezolanischen Künstler den Beweis an, daß man den Spieß einfach nur umdrehen muß, um das Spiel von Erotik und Dominanz mühelos ohne Beine zu arrangieren. In hautengen, leuchtend pinkfarbenen Kleidern ließen sich die Damen von den Herren im schwarzen Anzug und Hut über das Parkett dirigieren, zu Boden stoßen und sehr eng Körper an Körper führen. Ein überaus ernster und getragener Ausdruck im Gesicht der männlichen Tänzer sowie strenge Gesten mit Armen und Kopf verliehen ihnen einen dunklen, beinahe mafiösen Anstrich und die rote Beleuchtung tat ihr übriges, um die Zuschauer in eine filmartige Szene hinein zu versetzen. Gerade dann, wenn die in Pink gekleideten Frauen dicht um den Rollstuhl herumtanzen und sich viel abwärts und aufwärts bewegen mußten, kam der für den Tango typische Austausch von Dominanz und Hingabe besonders deutlich beim Publikum an. Besonders hell strahlte jedoch die im Rollstuhl sitzende Tänzerin des Ensembles in diesem Stück mit ihrer Erscheinung und den verschiedenen Gesichtsausdrücken in einer Bandbreite zwischen Glück und Eifersucht. Überaus gezielt bewegte sie ihr Gefährt in engen Kurven durch den Raum und positionierte mit Hilfe ihrer Arme auch die Beine immer wieder neu so, daß sie ihren gesamten Körper in den Tango einbringen konnte. Wieder einmal unterstrich sie ihre Begeisterung für das Tanzen, indem sie diese Kunst auf der Bühne zum Leben erweckte. Das stilistisch passende, schwarze Glitzerkleid unterstrich die prägnante Persönlichkeit der Künstlerin zwar, doch der Glanz in ihren Augen und die Freude, tanzen zu können, nahmen die ganze Bühne ein.

Venezolanisches Feuer

Für die Schattenblick-Redakteure hat sich an diesem Abend ein ganz neuer Blick auf den Tanz an sich und die darin enthaltenen Entfaltungsmöglichkeiten für Menschen mit verschiedensten körperlichen Voraussetzungen eröffnet. Die Leistung des venezolanischen Tanzprojektes "Transito" besteht nicht in einer erfolgreichen Anpassung behinderter Menschen an die Erfolgsmaßstäbe der normalen Gesellschaft, sondern darin, als Künstler neue Wege zu ersinnen, die eigenen Grenzen zu erweitern oder sogar zu überschreiten. Die Ergebnisse zeigen allen Skeptikern und Zauderern, was auf diesem Gebiet mittels persönlichem Einsatz alles möglich ist. Es empfiehlt sich daher für alle Kunst- und Kulturinteressierten, sich diese Gruppe von Tänzern irgendwann einmal live anzusehen, um sich ein Beispiel an ihrer grenzenlosen Lebensfreude nehmen zu können.

9. Dezember 2008

Rosen für die Tänzer