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BERICHT/043: Wie man ihn kennt - Hans Scheibner auf der Kleinkunstbühne (SB)


Hans Scheibners "Auf ein Neues! 2013" am 4. Januar bei den Komödianten in Kiel

Komisch - aber wahr



Das Programm hat Tradition. Mit seiner Tour "Auf ein Neues!" premierte Hans Scheibner, einer der dienstältesten Kabarettisten Deutschlands, zum Jahresanfang wieder im Kieler Theater der Komödianten.

Foto: © 2013 by Schattenblick

Hans Scheibner
Foto: © 2013 by Schattenblick

Den Auftakt bildete - wie soll es anders sein im Wahljahr 2013 - ein satirischer Abgesang auf den Kanzlerkandidaten der SPD, Peer Steinbrück, der sich mit seiner Klage über ein zu geringes Kanzlergehalt selbst zur Zielscheibe von Spott und Hohn gemacht hat. Dem Manne kann geholfen werden, so Scheibner: Man darf ihn, will man ihn nicht in Nöte bringen, auf gar keinen Fall wählen. Auch die anderen "Großkabarettisten" bundesrepublikanischer Politik kriegten, wenngleich auf verträgliche Weise, ihr Fett weg: Philipp Rösler zum Beispiel, als nicht wahrgenommener Chef einer längst gestorbenen Partei und natürlich Angela Merkel, der die von ihr geforderte Ehrlichkeit selbst schmerzhaft auf die Füße fiel.

Auch Gott darf - ganz scheibnermäßig - im neuen Programm nicht fehlen. Der soll im Zuge der Gleichstellung von seinem männlichen Geschlecht lassen und will dann, statt Frau, doch lieber - und mehrheitsfähig - schwul sein. Passend zum geschönten Armutsbericht der Bundesregierung, in dem das Wort Armut nicht mehr vorkomme, präsentierte Scheibner die Weihnachtsgeschichte ganz neu. Da erhält Maria jetzt eine Herdprämie und das Jesuskind streckt den Besuchern "stolz ein I-Pod 4 entgegen, welches Maria und Josef ihm geschenkt hatten - und es rief: Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird, denn der Unterschied zwischen Arm und Reich wurde von der christlichen Regierung einfach gestrichen."

Der angekündigte Ausblick auf das kommende Jahr war immer wieder auch ein Rückblick auf Themen, Geschichten und Lieder aus vergangenen Programmen, die Anekdoten oft nicht ganz neu.

Ärztliche Bestechlichkeit um das Thema Transplantation, erhöhte Strafen für zu langes Parken, Fußball- und Deutschlandfieber, das Hamburger Prostitutionsgesetz, Fengshui im Schlafzimmer, "damit der Geist des Reichtums weiß, wo er wohnen soll", die Bevormundung durch den Navi, all das sind Themen, die den Bundesbürger erregen und bewegen und die eher Dauer-, denn Aktualitätswert haben. Auch für die ewigen Probleme mit der Deutschen Bundesbahn hat Scheibner eine Lösung: Wenn keiner mehr mit der Bahn fährt, gibt's auch keinen Grund zur Beschwerde.

Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick

Ab und an blitzt dann doch noch satirische Bösartigkeit und Lust am Tabubruch auf, etwa wenn Ex-Umweltminister Röttgen sich inniglich zum Unglücksjahr mit der 13 wünscht, die Merkel möge doch aus dem 12. Stock fallen oder Olaf Scholz sich einen Tsunami an die Elbe sehnt, der die Elbphilharmonie auf schnelle Weise und endgültig entsorgt oder daß es nicht angeht, ein Kind spontan aus einem Erdschacht zu retten, bevor man nicht eine Reihe behördlicher Auflagen erfüllt hat - denn wo käme man da hin, "wenn das jeder machen wollte". Nicht zuletzt der zeitlose Aufruf, den Mut zum Raub an den Reichen zu haben:

"Das Armsein hat so viele gute Seiten,
weil einem praktisch nichts passieren kann.
Dem Reichen aber drohn Verlust, Konkurs und Pleiten.
In Wahrheit ist der Reiche doch der arme Mann.
Darum, ihn auszurauben, Leute, habt den Mut.
Dann darf er auch mal arm sein, und das tut ihm gut."

Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick

Kondome, vom Staat geförderte künstliche Befruchtung, Brüste und andere Körperteile aus Silikon - Themen, die es mit der Geschlechtlichkeit haben, sind, man staunt, auch im Jahr 2013 trotz aller scheinbar aufgeklärten Normalität ein Garant für besondere Lacherquoten. Schimpfworte wie "alte Butterhexe" - gemünzt auf Angela Merkel - weisen Scheibner als einem Zeitgeist zugehörig aus, der inzwischen mehr als graue Schläfen hat; aber das macht doch nichts, das merkt doch keiner. Das Publikum jedenfalls im ausverkauften Theater an der Wilhelminenstraße, darunter viele Angehörige der Generation 55+, amüsierte sich. Schließlich ist Scheibner - selbst in die Jahre gekommen - immer noch ein großartiger Erzähler und ein hervorragender Schauspieler.

Und er will ausdrücklich nicht nur politische Satire machen. Die Probleme des Alltags, der eigene persönliche Bereich, "der uns ja viel wichtiger ist", bietet reichlich Stoff für eine satirische Verarbeitung: die nicht enden wollenden Kommunikatonsschwierigkeiten zwischen Mann und Frau, Ehealltag und Eifersucht, der Kampf mit der Alkohol-Wegfahrsperre im Auto, die nicht einzuhaltende Quote beim Kinderkriegen oder der eigene, "selten dämliche Hund" - das sind Geschichten mit Wieder- und Selbsterkennungswert. Heiter möchte Scheibner sein Publikum ins neue Jahr bringen - und das gelingt ihm auch. Das Programm endet fast sentimental mit dem Lied eines Rentners, dessen neue Liebe ihm noch einmal einen "wunderbar positiven Schlaganfall" beschert.

Satire darf alles, sagte schon Tucholsky, also auch etwas flach und freundlich daherkommen. Politik, Gesellschaftskritik, Satire - war da nicht noch was?

09. Januar 2013