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BERICHT/018: Einsatz von Nutztieren in Pädagogik und Therapie (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03 / 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Wenn Tiere heilen helfen
Einsatz von Nutztieren in Pädagogik und Therapie

Von Ylva Claußen und Ingrid Stephan


Seit jeher sind wir eng mit den Tieren verbunden. Tiere versorgen uns nicht nur mit sehr wichtigen Lebensmitteln wie Fleisch, Milch und Eiern, sie liefern uns auch wichtige Materialien wie Federn, Haut, Felle und Knochen. Unsere enge Verbundenheit mit den Tieren spiegelt sich bis heute in unserer Religion, Kultur und Sprache wider. Mal haben wir "Schwein gehabt", und mal, wenn alles schief geht, werden wir "bockig". In Filmen wie "Ein Schweinchen namens Babe" entzücken uns die tierischen Gesellen zutiefst.

Tiere berühren auch unsere Tiefenschichten - dies hat positive Auswirkungen auf unseren Stoffwechsel und unser sozio-emotionales Befinden. Bereits in den sechziger Jahren wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Anwesenheit eines Tieres die Atemfrequenz und den Blutdruck sinken lässt und die Ausschüttung von Stresshormonen reduziert.

Unsere Nutztierarten haben wunderschöne Eigenschaften und Talente, mit denen wir uns identifizieren können und die uns Freude schenken. Für die Arbeitsbereiche der tiergestützten Pädagogik und tiergestützten Therapie bieten sie ganz besondere Zugangsmöglichkeiten.

Kühe symbolisieren viele Muttereigenschaften. Liebevoll und lange kümmern sie sich um ihre Kälber, geben ihnen Milch und bereiten sie auf das Leben vor. Als Distanztiere, die beim Ruhen den direkten Kontakt zu Artgenossen meiden, sprechen sie insbesondere ängstliche und unsichere Klienten an. Nicht selten passiert es, dass sich die Klienten während der Phase des Wiederkäuens zu den Kühen setzen und sich an sie lehnen, um mit ihnen ihre Seelenlast zu teilen.

In einer Hühnergruppe ist immer etwas los: sie picken, nehmen Sandbäder, und fast ständig gibt es etwas zu begackern. Durch ihr filigranes Wesen üben sie auf Klienten eine ganz besondere Faszination aus. Insbesondere alte Menschen erinnern sich an ihre eigene Hühnerhaltung und beteiligen sich gerne an der Versorgung dieser Tiere. Durch diese Aufgabe werden Klienten "mühelos" mobilisiert und haben eine Aufgabe, die sie verbindet, und ein gemeinsames Gesprächsthema.

Schafe sind nicht nur als Lämmer äußerst niedlich, sondern haben auch als erwachsene Tiere einen hohen Aufforderungscharakter. Sie sind sehr geduldig und lieben als Herdentiere die Geselligkeit. Bei der Versorgung eines Flaschenlamms haben Klienten mit Handicap die Möglichkeit, selbst einmal in die Versorgerrolle zu kommen. Dies stärkt das Selbstbewusstsein und schafft neue Erfahrungsräume.

Schweine sind sehr neugierige und ausgesprochen soziale Tiere. Sie genießen eine angenehme, gesellige Atmosphäre und sind äußerst verfressen. Dies hat zur Folge, dass sie sehr bestechlich sind und sich sehr leicht trainieren lassen. Allein durch ihre Anwesenheit können sie zum Beispiel eine Therapiesituation mühelos "auflockern".

Inzwischen haben wir Menschen vergessen, dass ein Vertrag für beide Vertragspartner (Mensch und Tier) Vorteile haben muss. Auch scheinen wir vergessen zu haben, den Nutztieren ein angemessenes Leben vor dem Tode zu gönnen. Sie sind mehr als nur Produktionsmittel von Fleisch, Eiern und Milch für uns.

"Wir mit Tier", diese Verbundenheit dürfen wir nicht vergessen. Nicht nur die Tiere profitieren von einer extensiven, artgerechten und individuellen Haltung, auch wir Menschen können auf den verschiedensten Ebenen unseres Seins von einer weidenden Kuh, einem handzahmen Schaf, fröhlich gackernden Hühnern oder einem sich suhlenden Schwein unendlich positiv beeinflusst werden. Wie alle Tiere urteilen die Nutztiere nicht, sie nehmen die Klienten vorurteilsfrei an und schützen sie vor Vereinsamung und Depression.

Es ist schade, dass nur noch so wenige Menschen die schönen Eigenschaften unserer Nutztiere kennen. Deshalb sollten wir unbedingt darauf achten, für junge Menschen Erfahrungsräume zu schaffen, in denen sie Nutztiere in einer artgerechten Umgebung kennenlernen können. Denn nur was man kennt, kann man lieben, und nur was man liebt, wird man schützen.


INFOBOX

Das Institut für soziales Lernen mit Tieren
ist ein privat wirtschaftliches Institut, das seit 1994 mit seinen Haus- und Nutztieren in der tiergestützten Pädagogik und Therapie tätig ist.
Bestandteil des Konzepts ist der Einsatz von vielen unterschiedlichen Nutztierarten wie Eseln, Ponies, Schafen, Ziegen, Hunden, Schweinen, Kaninchen, Meerschweinchen, Gänsen, Enten, Hühner oder Tauben, die ganz unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten bieten.
Der Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit liegt in der Der Beziehungsanbahnung zwischen Mensch und Tier unter Berücksichtigung einer sinnesorientierten, bzw. wahrnehmungsfördernden Arbeitsweise. Weitere Informationen über das Institut für soziales Lernen mit Tieren, seinen verschiedenen Arbeitsbereichen und tierischen Helfern finden sie unter www.lernen-mit-tieren.de.


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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03/2009, Seite 12-13
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de

PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2009