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VETERINÄR/237: Ein Bluttest auf BSE ist in Sicht (PROVIEH)


PROVIEH Heft 1 - März 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Tierseuchen
Flächendeckende BSE-Tests sind überflüssig
Ein Bluttest auf BSE ist in Sicht

Von Sievert Lorenzen


Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde ab dem 1. Januar 2009 das Mindestalter für den BSE-Test an geschlachteten Rindern EU-weit von 30 auf 48 Monate erhöht. Schon jetzt zeigt sich, dass BSE-Tests mittlerweile so gut wie überflüssig geworden sind. BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie), eine tödlich verlaufende Hirnerkrankung des Rindes, entstand durch einseitige Überzüchtung auf maximale Milchleistung und durch artwidrige Intensivhaltung. Der so verursachte Schaden war vor allem in Großbritannien riesig.

Nachdem BSE auch in angeblich BSE-freien EU-Ländern wie Deutschland gefunden wurde, mussten in der EU ab Juli 2001 alle Rinder, die älter als 30 Monate waren, nach der Schlachtung auf BSE getestet werden. In Deutschland wurde der Test schon ab 1. Januar 2001 Pflicht, weil ein freiwilliger Test im November 2000 in Schleswig-Holstein ergeben hatte, dass BSE in Deutschland vorkommt, wenn auch extrem selten. Deutschland setzte das Mindest-Testalter zunächst auf 24 Monate fest und schloss sich dem EU-weiten Test-Mindestalter von 30 Monaten erst ab dem 27. Juni 2006 an.

Die Zahl der positiven BSE-Tests geht europaweit seit 2001 nahezu kontinuierlich zurück, in Deutschland von 125 im Jahre 2001 auf zwei im Jahre 2008. Jüngere Rinder sind so gut wie verschont von BSE. Beide Gründe rechtfertigen die Anhebung des Test-Mindestalters von 30 auf 48 Monate.

Außer den Pflicht-Tests gab es in Deutschland immer auch freiwillige oder "freiwillige" (z.B. privatwirtschaftlich verordnete) Tests. Deren Anteil machte in Schleswig-Holstein bis zu 34% im Jahre 2003 aus. Seit Anfang 2007 liegt dieser Anteil bei unter einem Prozent. Auch dies ist ein Zeichen von Vernunft.

Die Angst vor BSE wurde seit 1996 geschürt durch die Spekulation, BSE könne durch Verzehr von Rindfleisch auf den Menschen übertragen werden und bei ihm die tödlich verlaufenden Hirnkrankheit vCJD (veränderte Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) verursachen, also so etwas wie eine menschliche Form von BSE. Zwar wurde noch kein deutscher vCJD-Fall gefunden, allerdings sind in Holland schon drei Fälle aufgetaucht. Die Majorität aller Fälle (ca. 200) ist allerdings in Großbritannien aufgetreten. Deren Häufigkeitsverteilung widerspricht allerdings der von BSE, so dass ein Zusammenhang von BSE als Ursache und vCJD als Folge noch immer unbelegt ist.

Die Angst vor vCJD führte zur Suche nach einem Lebendtest auf BSE. Man hoffte, im Harn oder Blut spezifische Abnormalitäten zu finden. Für einen Bluttest scheint der Erfolg jetzt greifbar nahe zu sein, wie 13 deutsche und kanadische Wissenschaftler, unter ihnen Robert Church, Christoph Sensen, Martin Groschup und Bertram Brenig, am 5. Dezember 2008 in der Zeitschrift Nuclei Acids Research (Band 37, Seiten 550-556) berichteten.

Die Grundidee des Tests entstammt der Beobachtung, dass sterbende oder gestresste Körperzellen Nukleinsäuren abgeben, die frei im Blut zirkulieren. Sie werden als circulating nucleic acids (CNA) bezeichnet. Es gibt Anzeichen, dass sie auch aus dem Gehirn durch die Blut-Hirn-Schranke hindurch ins Blut gelangen können. Die Forscher versuchten herauszufinden, ob im Fall von BSE beim Rind oder CWD (Chronic Waste Disease, verwandt mit BSE) beim Rothirsch spezifische CNAs freigesetzt und im Test nachgewiesen werden können.

Im Experiment wurden 16 Simmentaler Fleckvieh-Rinder mit 100 Gramm BSE-Hirn gefüttert und 19 Rothirsche aus zwei Farmen mit 1 Gramm CWD-Hirn. Im Kontrollversuch wurden 13 Simmentaler und 5 Rothirsche mit gesunder Hirnmasse der jeweils gleichen Dosis gefüttert. Alle Fütterungen fanden kurz nach der Entwöhnung der Versuchstiere von der Muttermilch statt.

Bei den untersuchten Rindern und Rothirschen wurden je rund 600.000 CNAs sequenziert. Die Sequenzen waren mit durchschnittlich 188 bzw. 164 Basenpaaren ziemlich kurz. Die zugehörigen CNA-Moleküle waren länger, aber die Sequenziertechnik gab nicht mehr her. Fünf CNA-Sequenzen ("motifs") waren typisch für jene Rinder, die schließlich an BSE erkrankten, und drei CNA-Typen waren typisch für jene Rothirsche, die schließlich an CWD erkrankten. In beiden Fällen gab es andere CNA-Sequenzen, die ausschließlich bei gesunden Artgenossen der Kontrollversuche auftraten. Mit modernen Methoden lassen sich die spezifischen CNA-Typen ziemlich leicht und billig nachweisen. Man kann gespannt sein auf das endgültige Resultat. Das Auftreten der Sequenzmuster ist vom Genotyp des Prionproteins abhängig: Bei den Rothirschen erwies sich der "MM" (Methionin/ Methionin) Genotyp als deutlich anfälliger als der "LM" (Leucin/Methionin) Genotyp.

Die Forschungen erbrachten einen zweiten, nicht minder interessanten Hinweis. Im Genom von Säugetieren gibt es spezielle Bereiche, in die das Genom von Retroviren (RNA-Viren) eingebaut werden kann. Ist dies geschehen, verändern diese Bereiche ihr Aktivitätsmuster zu Gunsten der Viren. Enthält die Zelle außerdem das SE-erregende Agens, das z.B. BSE oder CWD erzeugt, dann kann sich eine verhängnisvolle Rückkopplungsschleife entwickeln, die zur exponentiellen Vermehrung des Retrovirus und des SE-erregenden Agens führt. Retroviren spielen entgegen früherer Behauptungen also doch eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Spongiformen Enzephalopathie (SE). Das gesunde Prionprotein bietet höchstwahrscheinlich einen wirksamen Schutz gegen Retroviren, doch dieser Schutz geht verloren, wenn das Prionprotein wegen einer SE fehlgefaltet wird. Das heizt die genannte Rückkopplungsschleife an: Je mehr Prionprotein fehlgefaltet ist, desto schneller schreitet die Krankheit voran.

Die neue Erkenntnis zeigt einmal mehr, wie falsch es war, allein fehlgefaltete Prionproteine im Kraftfutter für die britische BSE-Katastrophe verantwortlich zu machen.


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Quelle:
PROVIEH Heft 1, März 2009, Seite 38-39
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2009