Ludwig-Maximilians-Universität München - 21.02.2017
Tiermedizin - Epilepsie-Gen entdeckt
Krampfanfälle kommen bei Hunden vergleichsweise häufig vor. Nun haben Tierneurologen für eine bestimmte Form der Epilepsie bei Ridgebacks einen genetischen Auslöser klar definieren können.
Ursprünglich wurden Rhodesian Ridgebacks für die Löwenjagd gezüchtet. Das klingt ausgesprochen robust. Doch vor einer Anfälligkeit für schwere Erkrankungen sind die großen, kräftigen Hunde nicht gefeit: Bis zu zwei Prozent der Ridgebacks etwa leiden an einer bestimmten Form der Epilepsie. Sie beginnt schon bei heranwachsenden Hunden mit häufigen zunächst unerklärlichen Muskelzuckungen. Rund ein Drittel der betroffenen Tiere entwickelt dann auch im Verlauf der Erkrankung zusätzlich schwere Grand-mal-Krampfanfälle. Die Hunde leiden an einer generalisierten myoklonischen Epilepsie, konnten die Wissenschaftler mit einem neuartigen Video-EEG zeigen, das speziell für die Anwendung am Hund modifiziert wurde. Diese Methode ermöglicht die gleichzeitige Aufzeichnung von Gehirnsignalen und der Aktivität der Hunde.
Ein internationales Wissenschaftler-Team hat jetzt eine genetische Ursache für diese spezielle Erkrankung gefunden - einen Defekt in einem Gen, das offenbar eine wichtige Rolle bei der Modulation des Neurotransmitters Acetylcholin spielt. Es seien bereits eine ganze Reihe von Epilepsie-Genen bei Hunden bekannt, die in ein mutmaßlich multifaktorielles Geschehen eingreifen. Doch der jetzt gefundene Gendefekt werde autosomal-rezessiv vererbt: Werden zwei Hunde miteinander gekreuzt, die Träger des defekten Genes sind, ist ein Teil des Wurfes auf jeden Fall mit der Krankheit belastet. Von seinen Befunden berichtet das Team unter der Leitung von Professor Andrea Fischer, Neurologin an der Medizinischen Kleintierklinik der LMU und Professor Hannes Lohi, Molekulargenetiker an der Universität Helsinki, Finnland gemeinsam mit Professor Fiona James von der Universität Guelph, Kanada, Humanmedizinern und Tierneurologen jetzt im renommierten Fachblatt PNAS.
Epilepsie ist die häufigste chronische neurologische Erkrankung bei Hunden - mit einem - angesichts forcierter Züchtungen - hohen genetischen Anteil an der Entstehung. Viele Hunderassen gehen jeweils auf eine geringe Zahl von "Gründer"-Individuen zurück und bildet eine eigene Population mit einem sehr homogenen Phänotyp und stark eingeschränkter genetischer Diversität. Das bedeutet, dass sich einmal eingeschleppte Gendefekte lange halten. Für die nun beschriebene Form von Epilepsie bei Ridgebacks haben die Wissenschaftler sogar einen Gentest entwickelt. Die Erkrankung lässt sich vermeiden, wenn Rhodesian Ridgebacks vor der Zucht im Gentest untersucht werden. So lange nur ein Elternteil Träger des Gens ist, wird die Epilepsie nicht auftreten. Erst wenn beide, Rüde und Hündin, Träger des Gens sind, tritt die Epilepsie bei den Welpen auf. Laut Fischer helfen Gentest und Video-EEG außerdem dabei, an Epilepsie erkrankte Rhodesian Ridgebacks möglichst frühzeitig zu erkennen und behandeln.
Im vorliegenden Fall versprechen sich die Wissenschaftler aus weiteren
Untersuchungen auch Erkenntnisse für die Humanmedizin: Das Gen, in dem
beim Hund der Defekt auftreten kann, habe eine Entsprechung im
menschlichen Erbgut. Die könnte, so Lohi und Fischer, also ein Kandidat
für ein Epilepsie-Gen beim Menschen sein. Denn auch in der Symptomatik
lasse sich die beschriebene Epilepsie-Variante durchaus mit der Juvenilen
myoklonischen Epilepsie (JME), einer der häufigsten Formen beim Menschen,
vergleichen, schreiben die Wissenschaftler: Die Zuckungen sind bei beiden
Formen beidseitig, arhythmisch und manchmal asymmetrisch und betreffen die
oberen Gliedmaßen und den Rumpf. Die Muster im EEG verlaufen ähnlich. Und
beide Formen sind mit einer starken Lichtempfindlichkeit verbunden, wie
Untersuchungen von erkrankten Rhodesian Ridgebacks durch Neuropädiater am
Epilepsiezentrum Vogtareuth zeigten. Obendrein zeigen sie eine starke
Abhängigkeit vom Schlaf-Wach-Rhythmus. Weitere Untersuchungen könnten
nicht nur helfen, die bislang nur wenig bekannte Pathophysiologie der
myoklonischen Epilepsien aufzuklären, sondern womöglich auch Ansätze für
neue Therapien aufzuzeigen.
PNAS 2017
Publikation:
Generalized myoclonic epilepsy with photosensitivity in juvenile dogs
caused by a defective Ras family GTPase DIRAS1
Franziska Wielaender, Riika Sarviaho, Fiona James, Marjo Hytönen, Miguel
A. Cortez, Gerhard Kluger, Lotta L. E. Koskinen, Meharji Arumilli, Marion
Kornberg, Andrea Bathen-Noethen, Andrea Tipold, Kai Rentmeister, Sofie F.
M. Bhatti, Velia Hülsmeyer, Irene C. Boettcher, Carina Tästensen, Thomas
Flegel, Elisabeth Dietschi, Tosso Leeb, Kaspar Matiasek, Andrea Fischer,
Hannes Lohi
PNAS 2017
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 21.02.2017
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2017
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