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HIPPOS/78: Barocke Pferde - geliebt, geadelt und geschunden (SB)


Die Sturheit der Karthäusermönche rettete die spanische Pferderasse

- und damit auch die "Hohe Schule" der Unterwerfung


Die heimliche Liebe von Mönchen und Romantikern

Weit über die Grenzen ihrer züchterischen Heimat hinaus eilt den Barockpferden ihr guter Ruf voraus. Danach verkörpern sie das Ideal an Rittigkeit und Temperament, gepaart mit außergewöhnlicher Schönheit, eben das, von dem viele Pferdefreunde ein ganzes Reiterleben lang (meist vergeblich) träumen. Man muß die Tiere eigentlich sehen, denn würde ich sie zu beschreiben versuchen, würde mir wohl selbst der geneigte Leser kaum glauben und das für die schwärmerische Ausgeburt eines pferdebesessenen Träumers halten, der gleichzeitig ein Faible für idealisierende Comicdarstellungen, Mangas oder Fantasy-Animes hat.

Kurzum, man glaubt nicht, daß es diese intelligenten und lernfähigen "Zauberpferde" mit den langen, leicht gewellten Mähnen und Schweifhaaren, ihren anmutig gebeugten Köpfen und den sanften, von dunklen Wimpern umschatteten Augen tatsächlich geben könnte. Und man fühlt sich bei ihrem Anblick sofort an alte Legenden und Erzählungen von Einhörnern und Fabeltieren erinnert, in denen Pferde, die man nur mit einem bestimmten Ruf herbeizuholen braucht, mit silbernen Hufen und wehenden Mähnen ihre Reiter wie der Wind durch die Lüfte tragen.

Diese Pferde gehören ganz einfach ins Märchenland, und doch gibt es sie wirklich. Ein Jammer nur, daß ihre Sanftmut und Intelligenz bis in die heutigen Tage vom Menschen ausgenutzt und ausgebeutet wird.

Als Pferd für Könige geadelt

Die Geschichte der Barockpferde begann aber nicht in den Legenden der Märchenerzähler, sondern auf der kargen und für Mensch und Tier wenig komfortablen Iberischen Halbinsel. Die Bezeichnung "Barockpferde" ist allerdings neueren Datums. Seit Pferdeliebhaber der heutigen Zeit alte iberische Reitweisen und die sogenannte Hohe Schule wieder für sich entdeckt haben, sind auch die Pferde, die an die Tiere auf alten barocken Darstellungen, vor allem auf Gemälden von Königen oder Kriegsschauplätzen erinnern, wieder in Mode gekommen, denn sie eignen sich durch ihre kompakten Proportionen und einzigartige Wendigkeit besonders gut für die Anforderungen der neuen alten Dressurstile.

Daß sie wie aus barocken Reiterbildern entsprungen erscheinen, hat u.a. etwas damit zu tun, daß François Robichon de la Guérinière (1688 bis 1751), der Begründer der klassischen Reitkunst, ausschließlich diese spanische Rasse der Iberischen Halbinsel als einzige würdig genug fand, einen König zu tragen. Er lehrte seine Kunst am Hofe des Sonnenkönigs in Versailles, der fast ausschließlich spanische Pferde hielt. Und deshalb wird gerade diese Rasse ausschließlich mit der prunkvollen Zeit des Barock und des Rokoko in Verbindung gebracht.

Dabei ist die ursprüngliche Rasse sehr viel älter. Schon im vierten Jahrhundert nach Christus sollen die Pferde der Iberischen Halbinsel genau die gleichen morphologischen Grundzüge aufgewiesen haben wie sie heute noch an dieser Zucht geschätzt werden. Selbst die berühmtesten Barockreitpferde der Gegenwart, die Pura Raza Espanola (P.R.E., dem Pferd reiner spanischer Herkunft), stammen ursprünglich aus iberischer Zucht.

Es ist sehr wahrscheinlich, daß die gesamte spanische Pferdezucht auf alte iberische Rassen zurückgeht. Dagegen ist es fast unmöglich - auch wenn die edlen Züge es vielleicht vermuten lassen -, daß in den spanischen Blutlinien viel arabisches Blut fließt. Zwar wurde Spanien im achten Jahrhundert von Mauren erobert, doch diese waren noch kein Reitervolk und die wenigen Pferde, die sie mitbrachten, waren Berber aus Nordafrika. Die Ähnlichkeit mit dem Araber ist also eher zufällig. Man kann sogar sagen, daß die Mauren erst viel später in der Zeit ihrer Besetzung Spaniens - und zwar dank der herrlichen spanischen Pferde) - auch allmählich vom "Pferdevirus" erfaßt bzw. zu Liebhabern der spanischen Rasse und letztlich auch zu hervorragenden Reitern wurden.

Als perfekte Kriegsmaschinen abgerichtet und geschunden - Vergewaltigung der Instinkte

Die eigentliche Blütezeit begann für die spanischen Pferde schon im Mittelalter. Fast alle bedeutenden Männer der Weltgeschichte wie Richard Löwenherz, Friedrich der Große und später auch der Sonnenkönig Ludwig XIV. bis hin zu Napoleon Bonaparte besaßen spanische Pferde und ließen sich gerne auf ihnen abbilden. Ihre außerordentliche Gewandtheit und Wendigkeit prädestinierten sie für den Kriegsdienst und nebenbei galten sie auch als Prestigeobjekt, geeignet als kostbares und königliches Geschenk für jeden Fürsten und Königshof. Kaum ein europäischer Hof, auf dem sich nicht der Adel mit den imposanten, ausdrucksstarken Hengsten schmückte. Vor allem Hengste waren gefragt, weil sie in ihrem Sozial- und Imponiergehabe viele der für die spätere Dressur gefragten Anlagen und weitgreifenden Schritte schon von Natur aus zeigen. Darüber hinaus sind auch viele Elemente der Schulung diesem angeborenen Imponiergehabe entnommen und für die eigenen Zwecke verändert worden.

Auf den Kriegsschauplätzen waren die feurigen, temperamentvollen Rosse, deren seidiges Fell wie eine metallene Rüstung in der Sonne glänzte und ihre blitzenden, stampfenden und vor allem präzise ausschlagenden, messerscharfen Hufe vor allem von der Infanterie, also den gemeinen Soldaten, wie regelrechte Ungeheuer gefürchtet. Sie hielten die Pferde, deren freundliche sanfte Augen zu diesem Zweck meist unter schrecklichen Masken, Scheuklappen oder anderem schweren Rüstwerk verdeckt wurden, schlicht für Teufel und Dämonen.

Die iberischen Pferde eigneten sich für den Kampfeinsatz besonders gut, da für sie enge Wendungen und plötzliche Stops kein Problem darstellen. Die Iberer waren als hervorragende Reiter bekannt und hatten diese Tiere schon früh so trainiert, daß sie versammelt gingen (wobei die Tiere von Kopf bis zur Hinterhand leicht angespannt werden) und ihre Hinterhand weit untersetzten. Noch heute werden unter anderem die Stierkampfpferde nach diesen Grundsätzen ausgebildet, denn in der Arena kann Wendigkeit lebensentscheidend werden.

Die strenge Ausbildung ließ die Tiere zu Kriegsmaschinen werden, die quasi aus dem Stand auf eine kaum wahrnehmbare Bewegung des Reiters in komplizierte Figuren emporzuschnellen vermochten, die man den spanischen Pferden heute noch in alter Tradition als sogenannte "Schulung über der Erde" beibringt. Aus den modernen Dressurvierecken sind diese Lektionen jedoch vollständig verschwunden, gemeint sind Ballotade, Kapriole und Courbette.

Vor allem im Mittelalter hatten diese Sprünge enorme Bedeutung und Einfluß auf das Kriegsgeschehen. Damit konnten die Reiter den Feind im Kampf einschüchtern und eine Zeitlang abwehren. Für das Fluchttier Pferd bedeutet ein solcher direkter Angriff des Gegners jedoch eine Vergewaltigung der eigenen Instinkte.

Bereits der alte Grieche Xenophon (etwa 430 vor Chr. geboren) hatte erkannt, daß ein Pferd als eindrucksvolles Schlacht- und Kriegsroß mit Courbetten, Pirouetten und Kapriolen im Nahkampf eingesetzt werden konnte. Xenophon hinterließ, als er im Alter von 74 Jahren starb, neben vielen Schriften auch zwei Bücher über die Reitkunst, auf die auch in späterer Zeit immer wieder verwiesen wurde. Als etwa 2.000 Jahre später im 16. Jahrhundert die ersten Reitschulen entstanden, erinnerte man sich an sein Werk und legte es der sogenannten "Hohen Schule" zugrunde. Doch von manchen wurde Xenophon, der sehr auf das gute Einvernehmen von Pferd und Reiter bedacht war, sehr eigenwillig und brutal interpretiert. So übernahm im Neapel des 16. Jahrhunderts der Edelmann Grisone wohl den von Xenophon empfohlenen Sitz, lehrte aber vor allem die gewaltsame Unterwerfung des Pferdes, was auch die zahlreichen von ihm erfundenen Gebisse (die metallenen Mundstücke der Pferdetrensen) beweisen, die die reinsten Marterwerkzeuge waren. Im 17. Jahrhundert milderte erst der große Reitmeister de la Guérinère die brutale Reitmethode wieder etwas ab und gilt heute auch als der eigentliche Begründer der klassischen Reitkunst und "hohen Schule". Es ist allerdings naiv zu glauben, daß es, wie von la Guérinère in seinen Schriften behauptet, so etwas wie eine geistige Harmonie zwischen Pferd und Reiter geben könne. Wenn die Tiere, die durch diese klassische Schule gehen, die Wünsche ihrer Reiter scheinbar mit den Gedanken wahrzunehmen verstehen, so ist dies nur die höhere Kunst der Unterwerfung, bei der die Zeichen und Hilfen der Verständigung für den Außenstehenden unsichtbar bleiben.

Diese vollendete Unterwerfung findet man heute in der aus der "Hohen Schule" bzw. der "Klassischen Reitkunst" entstandenen und heute noch vor allem in Deutschland und Europa praktizierte "Englische Reitweise". In Spanien selbst hat die bewegte Geschichte zur Ausprägung spezieller Reitweisen geführt. Zum einen entwickelte sich die Alta Esuala, die durch die große Bedeutung der höfischen Dressur im Mittelalter entstehen konnte. Zum anderen gibt es aber auch die Gebrauchs und Alltagsreiterei der spanischen Hirten, die Doma Vaquera (Doma: Dressur, Vaquera: der Hirte) und die Stierkampfreiterei, die auch die Pferdezucht maßgeblich mit bestimmt hat. Die Alta Escuala ist die Hohe Schule Spaniens. Geritten werden ausschließlich Hengste mit außergewöhnlicher Ausstrahlung und Schönheit. Ihr langes Schweif-und Mähnenhaar unterstreicht die spektakulären Gänge und Schaueffekte.

Auch die ehemaligen Kriegstechniken, die in der Hohen Schule der klassischen Reitkunst harmlos als Figuren über dem Boden bezeichnet werden, lernen in der Regel nur die Hengste der Barockpferde. Zum einen sind Hengste durch ihr angeborenes Imponiergehabe, das bei dieser Rasse besonders stark ausgeprägt ist, ausdrucksstärker in der Vorführung und heute ist die Hohe Schule eben nicht viel mehr als eine Zirkusvorstellung, die nur noch von wenigen Schaureitern und von noch weniger Schulen (u.a. die spanische Hofreitschule in Wien) vorgeführt wird.

Zum anderen ist diese unnatürliche Bewegung für die Tiere eine enorme körperliche Anstrengung, der ein ungeheuer belastendes Training vorausgeht, das die Nerven sensibler Pferde so stark überfordern kann, daß sie psychische Schäden davontragen können. Deshalb wird jedem talentierten Pferd möglichst jeweils nur einer der drei Figuren über der Erde beigebracht.

Die Ausbildung der Pferde beginnt mit drei Jahren. Wenn die Tiere vier bis fünf Jahre alt sind, wird mit gymnastizierenden Übungen wie Schulterherein und Traversalen begonnen (die Pferde lernen dabei in einer Art Krebsschritt, seitlich zu laufen). Der nächste Ausbildungschritt ist die Piaffe (trabartige Bewegungen auf der Stelle in starker Versammlung). Angefangen wird nur mit einigen wenigen Tritten. Die Piaffe ist kein eigentliches Ausbildungsziel wie bei der Klassischen Ausbildung, wo sie ab Intermediaire II in Prüfungen verlangt wird. Sie dient den Spaniern dazu, die Hinterhand und den Rücken zu kräftigen. Das Beherrschen der Piaffe ist sozusagen die Vorübung, denn sie ist die spätere Basis für die Lektionen auf und über der Erde. Darüber hinaus führt das Spanische Pferd durch seine ausgeprägte Kniearbeit diese Lektion besonders spektakulär, aufwendig und dramatisch vor. Was jedoch in etwa mit dem Bodybuilder-Effekt zu vergleichen ist. Durch den ungewöhnlichen, stark ausgeprägten Muskelaufbau sind die Tiere oft nicht mehr in der Lage, sich "normal" raumgreifend zu bewegen. Die hohe Spannung durch die angewachsene Muskelmasse läßt sie deshalb wie einen Gummiball auf der Stelle federn.

Auf die Piaffe folgt die nächste Muskel- und Gelenkbeanspruchung durch den "Paso Espanol", den spanischen Schritt. Er soll angeblich genau so in der Natur bei zwei aufeinandertreffenden Hengsten zu beobachten sein. Dabei werden die Vorderbeine wechselseitig gestreckt angehoben. Auch diese Übung dient vor allem der Gymnastizierung, d.h. zum weiteren Muskelaufbau, um die Tiere für die nächsten Anstrengungen belastbar zu machen.

Die geistige Vergewaltigung besteht darin, daß das Pferd gezwungen wird, exakt gerade zu gehen, die Vorderbeine dürfen nicht kreuzen. Entscheidend ist die Arbeit mit der Hinterhand. Aus dem spanischen Schritt wird häufig der spanische Trab entwickelt. Das Pferd trabt dabei ruhig, aber energisch vorwärts. Das Vorderbein wird nach vorne in die Luft gestreckt und einen kurzen Moment gehalten. Diese Lektion erfordert einen enormen Schub mit den Hinterbeinen und ist nur von Pferden mit einem sehr kräftigen Rücken, starker Hinterhand und stabilen Beinen zu bewältigen. Eine hohe Schulterfreiheit (d.h. ein beidseitig ausgeleiertes Gelenk) gibt dem Gang seine Ausdruckskraft.

Die Passage ist dann die nächste Lektion und ebenfalls dem Imponiergehabe entnommen. Sie besteht aus einem schwebenden Trab in höchster Aufrichtung. Die Fußfolge ist diagonal. Im Unterschied zum spanischen Trab werden die Vorderbeine nicht gestreckt und die Hinterhand erzeugt weniger Schub. Folglich ist der Raumgewinn niedriger.

Eine weitere Lektion, die aus dem spanischen Schritt entwickelt wird, ist die Pirouette auf drei Beinen. Das Pferd hält dabei ein Bein in der Luft und führt eine Vorderhandwendung aus. Die "Pirueta inversa sobre tres remos", die nicht einmal mehr ansatzweise an eine natürliche Bewegung des Pferdes erinnert, dokumentiert die Anpassungsbereitschaft dieser Tiere und dient lediglich Schau-Zwecken.

Im Galopp, der ebenfalls als Höchstmaß der Versammlung gewertet wird, zeigt sich dann besonders deutlich, daß diese Tiere durch die "vollendete" Dressur nicht mehr in der Lage sind, sich wie normale Pferde zu bewegen. Der Galopp ist als Fluchtreflex die einzige natürliche Reaktion auf eine Gefahr, mit der normale Pferde in kurzer Zeit große Distanzen zurücklegen. Die spanischen Pferde haben durch ihren Muskelaufbau viel Aktion in der Vorhand, dadurch wirkt die Galoppade aufwendig und hat wenig Raumgriff. Sie springen praktisch nur noch wie Balletteusen mit zierlich gespreizten Hufen in die Luft, ohne sich von der Stelle zu bewegen.

Explosionen in die Luft

Diese unnatürliche Kraftexplosion auf der Stelle ist schließlich die Voraussetzung für die oben erwähnten angriffstechnischen Kampffiguren über der Erde, bei dem die Tiere quasi aus dem Stand (man nennt das in diesem Falle Levade und Pesade, das Pferd hebt nach einigen Piaffe- Tritten die Vorhand bzw. richtet sich auf den Hinterbeinen auf) in die Luft springen.

Der einfachste Sprung aus dieser Stellung ist die sogenannte Ballotade, bei der sich das Pferd mit angezogenen Vorder- und Hinterbeinen in die Luft schnellen läßt. Sie gilt als Vorübung zur Kapriole, bei der das Pferd zusätzlich zum Ausschlagen mit den Hinterbeinen während des Sprungs gebracht werden muß (durch Reizen mit Gerte oder Peitsche). Bei der Courbette führt das Pferd wie ein Känguruh mehrere Sprünge hintereinander mit den Hinterbeinen aus, ohne daß die Vorhand den Boden berührt.

Die häufig spielerisch und leicht wirkenden Auftritte spanischer Pferde und Reiter täuschen über die vorausgehenden Strapazen hinweg, die nichts mehr mit den Gewohnheiten der Pferde gemein haben und glattweg als Vergewaltigung angesehen werden müssen. Zwar kennt man diese Art der körperlichen Einschränkung und Behinderung auch aus menschlichen Sonder- und Kraftsportarten wie Bodybuilding, doch das ist immerhin die Entscheidung der betroffenen Sportler selbst.

Beinahe ausgestorben - Napoleon ein Schnippchen geschlagen

Die spanischen Pferde bildeten die Grundlage für viele Rassen in Europa und Amerika. So haben auch die barocken Lipizzaner, Kladruber und Frederiksborger spanische Vorfahren. Sie dienten aber auch als Veredler schwerer Rassen wie zum Beispiel denen der Friesen. Sogar die Zucht des englischen Vollbluts soll auf spanische Stuten zurückgehen. Die "Royal Mares" hat der Herzog von Newcastle in Spanien erworben. In Spanien züchteten vor allem adelige Familien Pferde, jede nach ihren eigenen Vorstellungen und mit besonderen Merkmalen. Berühmte Züchterfamilien jener Zeit waren die Valenzuelas, die Guzmanes und die Zamoranos.

Unter Napoleon wurde das wendige Reitpferd mit schweren, muskelbepackten Neapolitanern gekreuzt, um es zum gewichtigen Schlachtroß zu entwickeln, das noch mehr Fleisch und Muskeln bildete. Dieses absurde Zuchtziel bedeutete beinahe den Untergang der Rasse. Nur der Sturheit der Karthäusermönche ist es zu verdanken, daß das spanische Pferd bis heute erhalten blieb und als solches noch mit seiner ursprünglichen Stammlinie im Zuchtbuch nachgewiesen werden kann.

Die Geschichte der auch heute noch begehrten "Cartujanos" (Pferde der Karthäusermönche) geht weit zurück auf das Jahr 1476. In diesem Jahr bekamen die Mönche von ihrem Gönner 40 Quadratkilometer Land in Jerez de la Frontera für die Pferdezucht vererbt, wofür sie Pferde, die ihrem Zuchtziel am nächsten kamen, sorgfältig von andalusischen Züchtern auswählten.

Die Mönche führten ihre Zucht unverändert über die Jahrhunderte weiter und wehrten sich erfolgreich gegen fremde Einkreuzungen. So kam es, daß hier eine kleine Population der alten Rasse erhalten blieb, die in Frankreich kaputtgezüchtet wurde.

Anfang des 19. Jahrhunderts gaben sie ihre Zucht an Pater Don Pedro Jose Zapata y Caro ab, den Vater des sogenannten Kandarenbrandes (die Rassenkennzeichnung der heutigen Barockpferde).

Im 18. Jahrhundert verlor das spanische Pferd rapide an Bedeutung. Zwar wurde der Reitstil in Europa zunächst noch von Frankreich ausgehend stark beeinflußt, doch fast alle Reitschulen fielen den Folgen der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen zum Opfer. Nur die Spanische Hofreitschule in Wien mit ihren Lippizanern ist bis heute der Träger dieser traditionsreichen Reiterei geblieben, der "Hohen Schule" und der "Schule über der Erde".

Was ihren Einsatz auf den Kriegsschauplätzen der Welt angeht, wurde das "barocke" Reitpferd allerdings schon bald von der neuen Technik abgelöst. Weitreichende Feuerwaffen setzten sich durch. Gewehre und Kanonen lösten Degen und Säbel ab. Und schließlich wurde auch die Arbeit der Last- und Zugpferde von Gelände- und Kettenfahrzeugen übernommen. Gegen gepanzerte Fahrzeuge hatte das Pferd (mit und ohne Rüstung) keine Chance.

Sein neues Einsatzgebiet ist der Wettkampf im Reitsport. Hier aber zählten vor allem Freiheit und Schnelligkeit, die in Jagd- und Galopprennen Ausdruck fanden. Pferdetyp und Reitstil werden daher bis heute vom englischen Vollblut geprägt.

Das Spanische Pferd war durch seinen extremen Muskelaufbau hierfür nicht geeignet, so daß es, wie auch die Grundregeln seiner Dressur, allmählich in Vergessenheit geriet.

Inzwischen haben sich jedoch für diese Rasse wie auch für die traditionelle spanische Dressur zahlreiche Liebhaber gefunden, die gemeinsam mit Züchtern und Staat den Fortbestand der Rasse sicherten; damit leider aber auch die immer noch gleichgebliebenen Praktiken ihrer Unterwerfung.

Erstveröffentlichung 2001

1. Februar 2008