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HIPPOS/87: Westernsport ist Pferdemord 2. Teil (SB)


Wieso "Western-Reiten"? (2)


Fast jeder, der mal einen Western auf der Leinwand gesehen hat, hat eine Vorstellung von der scheinbar lässigen und leichten Reitweise in diesem Stil. Dabei ist das erklärte Ziel der Western-Reiterei, das Pferd mit minimaler Hilfegebung zu "b-e-h-e-r-r-s-c-h-e-n". Die Betonung liegt hier wirklich auf dem letzten Wort, beherrschen. Was so leicht und entspannt erscheint, ist nämlich nur eine qualifizierte Form der Unterwerfung, bei der dem Pferd eine ständige Präsenz und die absolute Autorität des Reiters aufgezwungen werden. Sonst funktioniert das nicht.

Der eigentliche Unterschied zwischen den beiden Reitstilen - Englisch und Western - wird daher nur mit verschiedenen Aufgabenbereichen definiert, die Pferde früher bewältigen mußten.

So wurde der Reitstil in Europa jahrhundertelang von den Anforderungen der Kriegsreiterei geprägt. Auf einem Pferd zu sitzen, bedeutete im Kampf gegen die Heere der Fußsoldaten oftmals schon eine gewisse beeindruckende Überlegenheit. Zu Pferde waren die Pferdesoldaten, die Kavallerie nämlich nicht nur beweglicher als die langsame, mit Gepäck beladene Infanterie - das ausgebildete Pferd galt auch als eine nicht zu unterschätzende Waffe.

Wenn es bei der Kapriole, einer Figur der hohen Schule, die heute noch in der Spanischen Hofreitschule in Wien gezeigt wird, nach einem gewaltigen Luftsprung seine beiden hinteren Beine kraftvoll hinausschleuderte, so bedeutete diese für das Pferd eine maßlose Kraftanstrengung. Im engen Schlachtgetümmel jener Zeit hatte eine solche Aktion jedoch zwangsläufig einen Raumgewinn zur Folge, da eine ganze Anzahl von Fußsoldaten zurückweichen mußten, wenn sie nicht von dem harten Schlag der Hufe getroffen werden wollten.

Die Voraussetzung zu dieser in der Kriegsreiterei so wirksamen Dressurfigur war die absolute Versammlung des Pferdes (siehe auch HIPPOS/84: Dressur, Anspannung bis in die Schweifwurzel (SB)).

Daher basiert der in Europa gelehrte, vom Militär geprägte Reitstil des sogenannten Englisch-Reitens darauf, daß mit Kreuz- und Schenkelhilfen, vom Reiter in die Anlehnung des Zügels getrieben, das Pferd die sogenannte Versammlung (besser gesagt Anspannung) mit rundem Rücken erreicht.

Die Anforderungen an Roß und Reiter in der Pionierzeit der USA stellen sich völlig anders dar. Man war gezwungen, endlose, menschenleere Gebiete zu durchstreifen und dabei fast täglich zwölf und mehr Stunden im Sattel zu sitzen, extrem schweres Gelände zu bewältigen oder vom Rücken des Pferdes aus schwere Arbeit mit Rindern zu leisten. So entwickelte sich ein Reitstil, der vor allem für den Reiter sehr bequem ist, und bei welchem mit geringster Mühe ein größtmöglicher Gehorsam des Pferdes erreicht werden konnte.

Beispielhaft für die größere Bequemlichkeit ist auch der Western- Sattel, der mit seinen aufwendigen Verzierungen und Metallbeschlägen nicht nur viel schöner als ein Spring- oder Dressursattel ist, sondern auch um ein Vielfaches schwerer für das Pferd. Für den Reiter bietet der Western-Sattel durch eine größere, zur Gewichtsverteilung besser geeignete Auflagefläche gerade bei langen Ritten viel größeren Komfort als jeder europäische Sattel.

Während das bei konventionellen Reitarten zur "Versammlung" führende ständige Treiben und Gegenhalten bei Dauerbelastung (langen Ritten) viel zu anstrengend für Pferd und Reiter wäre, läßt der Western-Reiter sein Pferd am langem Zügel selbst seinen Weg finden, während er dazu neigt, sich gewissermaßen hängen zu lassen.

Ein ausgebildetes Westernpferd wird im Idealfall nur zur "Befehlsübermittlung" in seinem Bewegungsablauf durch Einflußnahme des Reiters gestört, wenn dieser also einen Richtungs- oder Tempowechsel vornehmen will. Ansonsten soll es sich ungezwungen in seinem eigenen Rhythmus fortbewegen können, von dem mehr oder weniger schweren Handicap (Reiter und Sattel) in seinem Kreuz einmal abgesehen.

Auch die Zügelführung, nur in einer Hand des Reiters, bildet beim Western-Reiten einen weiteren wesentlichen Unterschied. Abgesehen davon, daß das Reiten am langen Zügel und die selten eingesetzten Hilfen des Reiters Kräfte sparen, bleibt die zweite Hand für die Arbeit im Sattel mit Lasso, Rinderpeitsche oder für das Gewehr frei. Allerdings muß das Westernpferd dafür eine andere Zügelhilfe erkennen lernen, was meistens mit scharfen Kandarren im empfindlichen Pferdemaul unterstützt wird, mit der sich schon "leichte" Veränderungen der Reiterhand um ein Vielfaches verstärken und übertragen lassen.

Statt also bei einer Rechtswendung den Pferdehals mit beiden Händen zu führen, macht der Western-Reiter einfach eine Körperdrehung nach rechts, wobei die Zügel in der einen Hand bleiben. Dadurch entsteht ein einseitiger Zug im Pferdemaul und der äußere Zügel schabt über den äußeren Pferdehals, während der innere Zügel frei durchhängt, was für das Tier nicht gerade angenehm ist. Ein ausgebildetes Pferd weiß dann, daß es wieder seine Ruhe hat, wenn es die Richtung wechselt. Die Schenkel und Gewichtshilfen (abgesehen von den ständig treibenden Hilfen) sind im Bedarfsfall aber genau die gleichen wie beim Englisch- Reiten. Das Pferd wird weitgehend sich selbst überlassen, es schleppt die Last, sucht den besten Weg und Tritt, macht also die gesamte Arbeit, während der Reiter entspannt und durch die vorgestreckten Füße leicht zurückgelehnt im Sattel sitzt.

Es gibt allerdings eine gewisse Unbequemlichkeit auch für ihn, wenn sich das Pferd im Trab fortbewegen soll. Hier hat es der Englisch- Reiter durch den rundverspannten Rücken, der ein leichteres Aussitzen im Sattel ermöglicht, tatsächlich einmal bequemer.

Dieses kleine Manko wurde aber dadurch aufgehoben, daß man Westernpferde züchtete, die auch mit gestrecktem Hals einen absolut weichen, nicht werfenden Arbeitstrab zeigen. Außerdem bestimmt der Reiter das Arbeitstempo und dieser bevorzugt in der Regel einen gemächlichen bis zum Schritt-Tempo reduzierten Galopp, bei dem das Pferd zudem noch viel beweglicher ist. Galopp im Schritttempo, also gebremster Galopp, kostet für das Tier jedoch auch mehr Kraft, weil es dabei seine Bewegungen selbständig abbremsen und somit die ganze Zeit gegen sich selbst anarbeiten muß.

Reiten im Westernstil wäre im Grunde noch zu vertreten, solange der Reiter bei einer gewöhnlichen oder gebißlosen Trense und beim Schritttempo bleibt. Doch ist es reine Augenwischerei zu behaupten, diese Reitart wäre besser oder schonungsvoller für das Pferd. Das Tier muß letztlich immer das Gewicht des Reiters tragen, ganz gleich, ob er nun angespannt in den Steigbügeln oder direkt auf dem Pferderücken steht (wie beim Voltigieren) oder gemütlich in einem schweren Westernsattel sitzt.

Darüber hinaus hat der entspannte, sackgleiche Sitz des "Cowboys", selbst, wenn er sich nicht durch den Gang des Pferdes werfen und vom Pferderücken wieder auffangen läßt, sondern fest sitzen bleibt, für den Rücken des Pferdes eine erhebliche Kollisionsverstärkung am jeweils tiefsten Schwingungsausschlag zur Folge, was den Verschleiß der Knochen und Gelenke vorzeitig fördert.

Soviel zum gemütlicheren Arbeits- oder Freizeitreiten im Westernstil. Was den sogennannten Western-Reitsport angeht, sieht es allerdings schon wesentlich angespannter aus:

Wenn man sich die Westernprüfungen auf Turnieren ansieht, erkennt man leicht, daß auch hinter der scheinbar zwanglosen, lässigen Reitweise eine autoritäre Gewaltausübung steckt. Hier hat das Pferd Gehorsamkeitsübungen zu absolvieren, die an artistische Zirkusdarbietungen erinnern. So läßt sich kein Tier wirklich freiwillig dazu bringen, rückwärts in Schlangenlinien um Pylone zu gehen, oder - wie bei Trailprüfungen gefordert - eine wackelige Wippe zu überqueren. Um ein Pferd dazu zu bewegen, scheppernde Blechbüchsen in Säcken zu transportieren oder Planen zu überreiten, müssen die natürlichen Instinkte des Fluchtieres Pferd schon ganz schön abgestumpft worden sein. Die anderen Disziplinen wie Cutting, Barrel- Race, Reining, Western Riding und viele mehr stehen in ihren sportlichen Höchstleistungen und Anforderungen an den Bewegungsapparat des Pferdes den Turnieren im konventionellen Spring- und Dressursport in nichts nach.

Besonders gefährlich für die Pferdebeine, aber wegen der spektakulären Darbietung gerade beim Publikum sehr beliebt, ist das sogenannte "Reining". Hier werden nach "Run-Downs", also wilden Galoppjagden, sogenannte "Sliding Stops" verlangt, bei denen das Pferd einige Meter auf der Hinterhand rutschen soll. Rasante Wendungen aus dem Galopp und 180 Grad ("Roll backs") beanspruchen ebenfalls Sehnen und Gelenke (siehe auch HIPPOS/86: Westernsport ist Pferdemord 1. Teil (SB)).

Mit dem reinen Belohnungssystem, das die Westernreitweise für sich proklamiert, und das genau genommen auch nichts anderes als Druckausübung und Bestechung bedeutet, geht das aber nicht mehr. Wie auch bei allen anderen Pferdesportarten können derartige Extremleistungen in diesem Fall nicht ohne erheblich schmerzende Hilfen durchgeführt werden. Leider gehören auch der traditionelle Einsatz von besonders scharfzackigen Sporen und blanken Kandarren zum gewohnten Bild dieser Shows, was jedem Pferdefreund die Zornesröte ins Gesicht treibt. Auf jeder Veranstaltung sieht man auch hier viele Reiter, die ihr Unvermögen und ihre mangelnde Autorität mit Härte und Brutalität auszugleichen suchen.

Doch ist es gerade die offen zur Schau getragene Gewalt, die neben der Cowboykostümierung und der Erinnerung an Spannung und Abenteuer das zahlungskräftige Publikum und vor allem auch den potentiellen Nachwuchs anlockt. Klappern gehört zum Handwerk, wie man so schön sagt, und letztlich ist auch das Western Reiten einfach nur ein Riesengeschäft und ein Umschlagplatz für nostalgische Wildwest- Accessoires und Indianerkunstgewerbe, mit denen dann im nebenherein noch so mancher unverbesserlicher Träumer oder Idealist fürs Westernreiten eingefangen werden soll, der immer noch an eine heile und "pferdgerechte" Wildwest-Welt glaubt.

Erstveröffentlichung 2001
neue, überarbeitete Fassung

4. November 2008