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BERICHT/014: Tierversuche - bezahlt mit Schmerz und Qual ... (SB)


Die Idee des Menschen in der europäischen Geschichte drückt sich in der Unterscheidung vom Tier aus. (...) Daß sie auf die Menschen dieselben Formeln und Resultate anwenden, die sie, entfesselt, in ihren scheußlichen physiologischen Laboratorien wehrlosen Tieren abzwingen, bekundet den Unterschied auf besonders abgefeimte Art. Der Schluß, den sie aus den verstümmelten Tierleibern ziehen, paßt nicht auf das Tier in Freiheit, sondern auf den Menschen heute. Er bekundet, indem er sich am Tier vergeht, daß er, und nur er in der ganzen Schöpfung, freiwillig so mechanisch, blind und automatisch funktioniert, wie die Zuckungen der gefesselten Opfer, die der Fachmann sich zunutze macht. Der Professor am Seziertisch definiert sie wissenschaftlich als Reflexe, der Mantiker am Altar hatte sie als Zeichen seiner Götter ausposaunt. Dem Menschen gehört die Vernunft, die unbarmherzig abläuft; das Tier, aus dem er den blutigen Schluß zieht, hat nur das unvernünftige Entsetzen, den Trieb zur Flucht, die ihm abgeschnitten ist.
Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Mensch und Tier [1]


Wenig bis gar nichts anzufangen wußte die Bundeskanzlerin mit der Frage, wieso ihre Regierung keine politischen Vorschläge zur Abschaffung wissenschaftlich begründeter Tierversuche macht. In der ARD-Wahlkampfarena [2], die am 11. September kurz vor der Bundestagwahl in Lübeck stattfand, zeigte sich Angela Merkel in der Sache so uninformiert, daß sie sich von der Fragestellerin über das ganze Ausmaß des dadurch erzeugten Grauens aufklären lassen mußte. So korrigierte sie die Kanzlerin, die behauptete, Tierversuche seien in der Bundesrepublik bereits "sehr stark eingeschränkt" worden, indem sie die Zahl von fast drei Millionen auf schmerzhafte Weise verbrauchter Tiere nannte. Nicht einbezogen in diese Zahl sind Versuche an wirbellosen Tieren bis auf Kopffüßer und die zahlreichen "überschüssigen" Tiere, die zum Zwecke ihres Verbrauchs im Tierversuchslabor gezüchtet werden, aber keine Abnehmer finden oder bei Haltung und Transport versterben. Ebenfalls ungezählt bleiben diejenigen Tiere, deren gentechnische Manipulation nicht die von den Versuchslabors verlangten Ergebnisse zeitigt und deren Existenz ebenfalls vorzeitig beendet wird.

Tatsächlich nimmt die Zahl der Tierversuche insgesamt in Deutschland seit 1997 kontinuierlich zu [3], so daß keine Rede von einer gegenläufigen Entwicklung sein kann. Nachdem Merkel ein schwaches Ausweichmanöver hinsichtlich des durch zu restriktive Maßgaben gefährdeten Wissenschaftsstandortes Deutschland versuchte, gestand sie ein, nicht genügend über das Thema zu wissen. Daran wird sich nicht viel ändern, wenn man einen Blick in den Koalitionsvertrag der voraussichtlich künftigen Bundesregierung wirft. Gerade ein Satz ist dem Thema Tierversuche gewidmet: "Die intensiven Bemühungen zur Erforschung und Anwendung von Ersatzmethoden für Tierversuche wollen wir fortführen." [4] Wie gering diese Bemühungen sind angesichts dessen, lediglich vier bis acht Millionen Euro [5] für die tierversuchsfreie Forschung an öffentlichen Zuwendungen zur Verfügung zu stellen, während die ungebremste Tierversuchspraxis durch Milliardensummen an öffentlichen Fördermitteln subventioniert wird, die in den Betrieb vorhandener Tierversuchslabors und den Bau neuer Forschungseinrichtungen fließen, ist offenkundig.

Was immer die wissenschaftlich ausgebildete Kanzlerin darüber weiß oder nicht - laut der EU-Tierversuchsrichtlinie sollen besonders schwerwiegende, länger andauernde, mit nicht zu lindernden starken Schmerzen und großen Ängsten verbundene Tierversuche in jedem Fall verboten werden [6]. In der Bundesrepublik wird die Umsetzung dieser Richtlinie durch Inanspruchnahme einer Ausnahmeklausel notorisch zugunsten der Forschungsfreiheit, sprich der internationalen Konkurrenzfähigkeit deutscher Universitäten und Unternehmen, ignoriert. Die wissenschaftlich begründete Handlungsvollmacht, Tiere zu quälen, ist nur sehr bedingt idealistischen Zielen verpflichtet. Sie wird, wie die Tätigkeit von WissenschaftlerInnen auf anderen Feldern auch, von persönlichem Karrierestreben wie der Akquisition von Drittmitteln bestimmt. Das in bioethischen Debatten immer wieder angeführte Argument, Deutschland könne als Wissenschaftsstandort von anderen Staaten überrundet werden, wenn nicht freizügig genug geforscht werden dürfe, entspringt der Krisenkonkurrenz globaler Akteure und steht damit auf einer Stufe wie die Aufrüstung zum erfolgreichen Führen von Kriegen oder das Niederkonkurrieren in anderen Ländern angesiedelter Unternehmen im Namen des Standortwettbewerbes. Ginge es um den Fortschritt als solchen, dann wäre unerheblich, in welchem Land er erzielt wird, wenn er nur allen Lebewesen gleichermaßen zugute käme.


Transparent 'LPT schliessen - Tierversuche abschaffen!' - Foto: © 2017 by Schattenblick

Foto: © 2017 by Schattenblick


LPT schließen! Fünf Jahre gegen Tierversuche in Hamburg

Viele gute und relevante Gründe sprechen dafür, daß die Ergebnisse von Tierversuchen in der medizinischen Forschung wie auch den Tests zur Ernährungs- und Produktsicherheit nicht auf den Menschen übertragbar sind. So reagieren nicht nur VertreterInnen verschiedener Spezies, sondern auch einzelne Lebewesen ganz unterschiedlich auf die ihnen jeweils zugefügten physischen Reize. Rund 95 Prozent der pharmakologischen Produkte, die sich im Tierversuch als wirksam und sicher erwiesen haben, bestehen die ohnehin vorgeschriebene klinische Prüfung am Menschen nicht, weil die versprochene Wirkung ausbleibt oder Nebenwirkungen aufreten, die im Tierversuch nicht entdeckt wurden. Vom Rest der zugelassenen Medikamente wird rund ein Drittel entweder mit Warnhinweisen hinsichtlich ihrer zum Teil sehr gefährlich Nebenwirkungen versehen oder wieder vom Markt genommen, weil sich erst in der therapeutischen Praxis kontraproduktive Nebenwirkungen herausstellen. [7]

Insbesondere die Initiative Ärzte gegen Tierversuche e.V. bietet umfassende Einblicke in die Tierversuchspraxis und tritt mit der Forderung, auf tierversuchsfreie Mittel nicht nur in der pharmakologischen Forschung zurückzugreifen, für deren Beendigung ein. Für die Lektüre an Tieren aus Gründen der wissenschaftlichen Forschung oder Ernährungs- und Produktsicherheit vollzogener Experimente und Tests bedarf es starker Nerven, und das nicht nur aufgrund der vermeintlichen Sinnlosigkeit derartiger Grausamkeiten. So fordern viele AktivistInnen der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung das Ende jeglicher Form von Tierversuchen allein aus dem Grund, keine schmerzempfindenden Lebewesen fremden Interessen oder Nutzenerwägungen auszusetzen. Ihnen ist schon die Abwägung zwischen dem vermeintlichen menschlichen Nutzen und des dazu verursachten Tierleides inakzeptabel.

Eine solch kategorische Gegenposition zu Tierversuchen vertritt auch die Kampagne LPT-Schließen. Ihre AktivistInnen kämpfen seit 2103 für die Schließung eines der größten Auftragslabore der Bundesrepublik. Das 1975 gegründete LPT (Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co KG) mit Hauptsitz im Hamburger Ortsteil Neugraben führt dort und an der Außenstelle Mienenbüttel Tierversuche an Mäusen, Ratten, Hamstern, Meerschweinchen, Kaninchen, Hunden, Katzen, Schweinen, Fischen und Vögeln durch. Selbst nichtmenschliche Primaten zählen zu den dort verbrauchten Lebewesen, was unter den privatwirtschaftlich betriebenen Tierversuchslaboren eher die Ausnahme darstellt. Am Ende der Versuche steht der Tod. Die Einrichtung lebendigen Leibes wieder zu verlassen setzte eine Form des Respektes für das andere Lebewesen voraus, das mit seiner vollständigen Objektwerdung, seiner Reduktion auf eine bloße Funktion ihm fremden Nutzens unvereinbar ist.

Im Juni 2013 wurde die Kampagne mit einer Demonstration durch Neugraben, die zum Firmensitz am Redderweg führte, aufgenommen [8]. Mehrere hundert Menschen beteiligten sich damals an einem Aktionswochenende, das dem erklärten Ziel, mit den Protesten nicht nachzulassen, bis LPT geschlossen wird, gewidmet war. Dem wurde und wird bis heute mit Aktivitäten wie Mahnwachen vor dem Firmensitz, Blockadeaktionen und der öffentlichen Aufklärung über die Tierversuchspraktiken der Firma Rechnung getragen. Als Ergebnis der mühsamen Recherchearbeit, näheres über die Aktivitäten eines aus naheliegenden Gründen äußerst sparsam mit Informationen über seine Tätigkeit umgehenden Unternehmens in Erfahrung zu bringen, wurde im Februar 2017 die Broschüre "Hinter verschlossenen Türen" [9] veröffentlicht. Anhand von Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Publikationen wurden bei LPT durchgeführte Tierversuche auf exemplarische Weise beschrieben, um auch wissenschaftlich nicht vorgebildeten Menschen einen Eindruck zu vermitteln, was den zu bloßen Testobjekten degradierten Lebewesen in den Gebäuden dieses inmitten einer gutbürgerlichen Wohngegend gelegenen Unternehmens angetan wird.


AktivistInnen mit Transparent - Foto: © 2017 by Schattenblick

An einem kalten und regnerischen Wintertag in Hamburg-Neugraben
Foto: © 2017 by Schattenblick


Im Grundsatz und nicht aus Nutzenerwägungen dagegen

Das entscheidende Argument für die Beendigung von Tierversuchen ist und bleibt die mit der Nutzung verbundene Gewalt, Gefangenhaltung und Tötung der Tiere. Keine wissenschaftliche Erkenntnis rechtfertigt die Ermordung eines empfindsamen Lebewesens. Anstelle von Tierversuchen bedarf es einer Forschungsethik, deren Grundlage es ist, dass Forschung keine Opfer produzieren darf. [10]

Diesem Grundsatz verpflichtet legen die AktivistInnen der Kampagne LPT-Schließen eine bemerkenswerte Hartnäckigkeit an den Tag. Seit fast fünf Jahren werden regelmäßig Mahnwachen vor dem Firmengelände in Hamburg-Neugraben abgehalten. So auch im Januar diesen Jahres unter Wetterbedingungen, die nicht eben zum Aufenthalt im Freien einladen. Postiert an einer zugigen Ecke auf einem schmalen Streifen am Rande einer vielbefahrenen Straße stehen acht AktivistInnen und ein Hund mit einem großen Transparent in der Mitte und warten darauf, daß die Belegschaft des Tierversuchslabors ihren Feierabend antritt. Alle zwei Wochen versammeln sie sich an diesem wenig einladenden Ort, an dem man keinen Schritt auf die Straße wagen kann, weil die Fahrer der schnell um die Kurve kommenden Autos die dort stehenden Menschen erst wenige Meter vor ihnen sehen, um ihrem Protest bei denjenigen Ausdruck zu verleihen, dem er am meisten zukommt.

Verläßt ein Fahrzeug den Redderweg, der nur diese Zufahrt hat und an dessen Ende die LPT-Laborgebäude stehen, dann wird mit nach unten gesenkten Daumen und wenig freundlichen Rufen deutlich gemacht, was die hier versammelten Menschen von der Tätigkeit der Fahrzeuginsassen halten. Man kennt sich, so daß bei den Angestellten des Labors sicherlich ein Gewöhnungseffekt eingetreten ist. Dennoch dürften die Mißfallensbekundungen der TierversuchsgegnerInnen kaum zum Wohlbefinden ihrer AdressatInnen beitragen, zumal vielleicht nicht jede der bei LPT Lohnarbeit verrichtenden Personen von der unausweichlichen Notwendigkeit dieser Form des Lebenserwerbs überzeugt sein mag.

Angesichts des einzigen Aktivisten männlichen Geschlechts, der es an diesem regnerischen Wintertag an die nordwestliche Peripherie Hamburgs geschafft hat, um die Kampagne zu unterstützen, scheint sich einmal mehr zu bestätigen, daß die Empathie für die Ohnmacht der Tiere insbesondere Frauen betrifft. Was angesichts spezifisch weiblicher Erfahrungen in der patriarchalen Gesellschaft naheliegt, findet seinen Gegenentwurf im vermeintlichen Herren der Schöpfung, der als mit Kochschürze und Fleischspieß bewehrter Chef am Grill vollends zur Karikatur maskulinen Draufgängertums verkommt. Noch weniger zum Lachen allerdings ist das Bild von Hunden, Ratten oder Mäusen, die in steriler klinischer Umgebung in Fixiervorrichtungen gepreßt werden, um ihnen gegen ihren offenkundigen Widerwillen und Widerstand Schmerzen zuzufügen. Um so frenetischer von den Anwesenden begrüßt wird denn auch der Chef des Labors, der sich stets zur gleichen Zeit ein Stelldichein mit den DemonstrantInnen gibt, in deren Nähe ein Polizeiwagen postiert ist, um was zu verhindern? Jedenfalls nicht das routinemäßige Quälen von Lebewesen, deren subjektive Hölle so unsichtbar ist, als diejenigen, die sich die Mühe machen, sie zumindest zu imaginieren, nicht anders können als zu versuchen, den von aller Welt verlassenen Opfern eine lautstarke Stimme zu geben.

Unter den AktivistInnen befindet sich auch die Fragestellerin, die die Kanzlerin in Lübeck mit diesem unangenehmen Thema konfrontiert hat. Sie berichtet, daß die Kampagne zwischenzeitlich so wenig Zulauf hatte, daß sie schon zu zweit an dieser Stelle standen, um der LPT-Belegschaft Paroli zu bieten. Um so entschlossener wirken die nun schon im Dunkeln des frühen Abends stehenden Menschen, die hier zusammen daran erinnern, daß in nächster Nähe wehrlose Tiere einem besonders schmerzhaften Tode preisgegeben werden. Schmerzhaft auch deshalb, weil ihre Wertschätzung allein darin besteht, nicht als singuläres Lebewesen respektiert oder zumindest wahrgenommen, sondern als fleischgewordener Teststreifen ohne jedes Mitgefühl verbraucht zu werden.


Hund mit Schild 'Würdest du mich auch töten?' - Foto: © 2017 by Schattenblick

Die Vernunft gebiert Ungeheuer ...
Foto: © 2017 by Schattenblick


Abgründe des Mensch-Tier-Verhältnisses

Unternehmen wie LPT führen Tests und Experimente im Auftrag von Unternehmen etwa der pharmazeutischen oder chemischen Industrie durch, für die viel auf dem Spiel stände, wenn die durch sie bewirkte Tierversuchspraxis breiten Widerstand hervorriefe. Die Umstellung auf andere, keine Tiere betreffenden Prüfverfahren wäre vermutlich leichter in Kauf zu nehmen als dafür angeprangert zu werden, daß die Marktreife und Gebrauchssicherheit ihrer Produkte mit dem Blut und Tod von Lebewesen bezahlt werden, die nicht anders als jeder Mensch intensiven Schmerz verspüren, wenn ihnen Gifte verabreicht oder Nerven durchtrennt werden, wenn sie Belastungen von lebensbedrohlicher Art ausgesetzt oder in vollständiger Isolation gehalten werden.

Die Ausbeutung von Tieren für den sogenannten Fortschritt der Medizin und Pharmaindustrie, für die Lebensmittelbranche und Konsumgüterindustrie ist nicht auf ihre Verwendung als Parameter für Wirkstofftests und den daraus hervorgehenden Lohn der Vivisektoren beschränkt. So geht den Prüfverfahren die Zurichtung der Tiere auf angeblich objektivierbare Testobjekte durch gentechnische Veränderung, züchterische Ausleseverfahren, räumliche und sinnliche Isolation oder die willkürliche Zufügung von Angst und Schmerzen voraus. Die Forschung ist nicht an Tieren als solchen interessiert, sondern an einer biologischen Verfügungsmasse, die sie ihren Zwecke gemäß modellieren und manipulieren kann. Die Bewirtschaftung von Lebewesen, Populationen und Bevölkerungen mit medizinisch invasiven Mitteln entspringt einem sehr konkreten, biopolitisch avancierten Herrschaftsverhältnis. Sein immanenter Nutzen besteht zumindest darin, das Gegenteil aller Flüchtigkeit und Nichtigkeit zu evozieren. In der Entscheidungsgewalt über Schmerz, Vernichtung und Tod liegt das Versprechen eigener Dauer, dessen Widerlegung die dadurch angerichteten Schäden nicht mehr korrigieren kann.

Zudem werden Versuchstiere analog zur Produktion von Fleisch, Milch und Eiern auch als potentielle Verbrauchsobjekte betrachtet. Die sogenannte Xenotransplantation soll vor allem Schweine in Inkubatoren von Ersatzorganen verwandeln, die eines Tages immunverträgliche Gewebe zur Wiederverwendung für Menschen produzieren. Gegenüber den dazu angestellten Versuchsreihen erscheint sogar das Schlachthaus als Ort des zumindest kurz befristeten Schreckens. Versuchsprotokollen, die die Ärzte gegen Tierversuche ausgewertet haben, ist zu entnehmen, daß die dabei entstehenden Immunprobleme und Abstoßungsreaktionen so schwer zu kontrollieren sind, daß sie immer neue grausame Experimente zur Folge haben.

In der Dokumentation der Ärzte gegen Tierversuche zur "Xenotransplantation in Deutschland" [11] wird ein Pandämonium des Schreckens entfaltet, das die Frage aufwirft, wieso sich Menschen über Tierversuche mit Autoabgasen empören können [12], wenn die experimentelle Verpflanzung innerer Organe von Schweinen, die seit vielen Jahren in der Bundesrepublik durchgeführt wird, niemanden zu interessieren scheint. Da werden 19 Affen zur Untersuchung der Durchblutungsprobleme bei Organtransplantationen unter Narkose beide Beine und beide Arme abgebunden, um das Blut abzulassen und durch eine Infusionslösung zu ersetzen. Nachdem die Durchblutung bis zu zweieinhalb Stunden auf diese Weise unterbrochen wurde, wird den Probanden menschliches Blut mit unterschiedlichen Antikörpern sowie ohne alle Zusätze anstelle des entnommenen Blutes zugeführt. Um die Auswirkungen der Prozedur am lebenden Organismus beobachten zu können, werden Wadenmuskel und Oberarmmuskel durch Öffnung der Haut freigelegt. Anschließend werden die Affen getötet.

Schweine, denen Herz und Lunge entnommen werden, müssen nicht als hirntot diagnostiziert werden. Dafür wird die totbringende Operation unter Betäubung vollzogen. Die Affen, denen die Herzen oder Nieren der auf dem Operationstisch ausgenommenen Schweine eingesetzt werden, obwohl die vorhandenen Organe hervorragend funktionieren, erleiden den härteren Part des Experiments. An ihrem lebenden Körper werden die Abstoßungsreaktionen, die ein qualvolles, mitunter lange andauerndes Sterben verursachen, untersucht. Am Ende sind alle Affen tot, und die ForscherInnen stehen vor der Bewältigung neuer Probleme, um irgendwann einmal das Stadium erreicht zu haben, die von Schweineorganen hervorgerufenen Abstoßungsreaktionen direkt am Menschen testen zu können.

Werden Tiere schon bei der Produktion von Fleisch, Milch und Eiern zu Objekten eines Verbrauchsverhältnisses, das, notdürftig begründet mit menschlichem Ernährungsbedarf und garniert mit dem Feigenblatt des Tierwohllabels, den ihm innenwohnenden Schrecken kaum verbergen kann, dann gewähren erkenntnistheoretisch und mediziniwissenschaftlich legitimierte Tierversuche einen von aller verbliebenen Empfindsamkeit für andere Lebewesen unverstellten Blick in die Abgründe des Mensch-Tier-Verhältnisses. Ihre Zwecke und Ziele könnten nicht entlegener sein, als die Ratio der Grausamkeit, die ich lieber anderen zufüge, als sie selbst zu erleiden, nicht als Letztbegründung schmackhaft und akzeptabel zu machen. In der Vivisektion tritt das angeblich grundmenschliche Anliegen, mit viel finanziellem und materiellem Aufwand auf das entlegene Ziel einer Organtransplantation hinzuarbeiten, für die zumindest die Spendertiere sterben müssen, während Millionen Menschen die medizinische Grundversorgung vorenthalten wird, um vom immer zahlreicher werdenden Hungertot nicht zu sprechen, mit unverhüllter Brutalität hervor. Die sozialdarwinistische Logik, laut der es fast jedes tierliche Opfer wert ist, für den vermeintlichen Schutz des Menschen vor den Folgewirkungen seines technologischen Entwicklungsstandes in Anspruch genommen zu werden, unterscheidet sich allerdings nicht von jener Haltung, die Menschen zum feuchten Tod im Mittelmeer verurteilt, weil ja die Möglichkeit bestände, daß sie nicht als Bittsteller, sondern Gleichberechtigte am deutschen Tische säßen.


Transparente gegen Tierversuche - Foto: © 2017 by Schattenblick Transparente gegen Tierversuche - Foto: © 2017 by Schattenblick Transparente gegen Tierversuche - Foto: © 2017 by Schattenblick

Im Namen der Wissenschaft ist vieles und mehr möglich ...
Fotos: © 2017 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt am Main 1969, S. 219

[2] ab Minute 50:50
http://www.ardmediathek.de/tv/ARD-Sondersendung/Die-Wahlarena-mit-Angela-Merkel/Das-Erste/Video?bcastId=3304234&documentId=45842254

[3] https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/infos/statistiken/22-tierversuchsstatistik

[4] Zeile 4008 im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1

[5] https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/images/pdf/forschungsfoerderung.pdf

[6] http://www.schwimmen-bis-zur-verzweiflung.de/juristisch.html

[7] http://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/images/infomaterial/hinschauen.pdf

[8] Berichte und Interviews zum Kampagnenbeginn siehe kategorischer Titel "Fortschrittsfluch Tierversuch"
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/ip_tiere_report_bericht.shtml
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/ip_tiere_report_interview.shtml

[9] https://www.lpt-schliessen.org/2017/02/informationsbroschuere-veroeffentlicht-einblicke-in-die-tierversuche-bei-lpt/

[10] https://www.lpt-schliessen.org/broschuere/informationen-zu-tierversuchen/

[11] https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/projekte/97-sonstige/1150-xenotransplantation-in-deutschland

[12] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/raub1130.html


8. Februar 2018


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