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INTERVIEW/037: Tierversuche - Gegenbeweise nicht unterstützt ...     Tanja Saupe im Gespräch (SB)


Tanja Saupe ist in der Kampagne LPT-Schließen aktiv. Die Proteste gegen das Unternehmen Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) mit Sitz in Hamburg-Neugraben richten sich gegen die dort vollzogenen Tierversuche wie jegliche Form systematischer Gewalt an tierlichen Individuen durch dieses Labor und andere Tierversuchsanstalten. Während einer Mahnwache, die alle zwei Wochen vor der Zufahrt zum Labor abgehalten wird, im Januar [1] beantwortete die Aktivistin dem Schattenblick einige Fragen zum Stand der Kampagne und ihren persönlichen Motiven, sich in dieser Sache zu engagieren.



AktivistInnen an der Straße mit Transparent - Foto: © 2018 by Schattenblick

Mahnwache gegen das Tierversuchslabor LPT
Foto: © 2018 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Frau Saupe, wie lange sind Sie in der Kampagne LPT-Schließen engagiert?

Tanja Saupe (TS): Ich bin von Anfang an mit dabei. Im August 2013 waren wir natürlich wesentlich mehr Leute. Tatsächlich gibt es Menschen, die denken, wenn man hier ein halbes Jahr steht, dann wird das Labor halt geschlossen. Nur wird dabei vergessen, daß hierbei auch politische Zusammenhänge eine wichtige Rolle spielen.

SB: Den Protest trotz der doch eher geringen gesellschaftlichen Resonanz über Jahre aufrechtzuerhalten belegt den grundlegenden Einspruch der AktivistInnen gegen diese Form der Tierausbeutung. Konnten in den fünf Jahren der Kampagne denn zumindest einige Teilerfolge erzielt werden?

TS: Nein, eigentlich nicht. So haben wir ein bißchen damit gerechnet, daß die Anwohner uns unterstützen, aber wir sind eher auf Ablehnung gestoßen. Eine Anwohnerin beteiligt sich inzwischen an der Kampagne, zwei weitere kommen aus der Nähe, aber sonst ist nicht viel in dieser Hinsicht geschehen. Im Grunde wissen wir, daß wir innerhalb der nächsten fünf Jahre sicherlich keine Erfolge erringen werden. Mir ist ein Papier zugespielt worden, laut dem im Jahr 2016 von den ganzen Tierversuchseinrichtungen innerhalb Hamburgs wie zum Beispiel dem UKE (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) nur zwei Institutionen daraufhin überprüft wurden, ob alles seine Richtigkeit hat. Und das war's im gesamten Jahr 2016. Das ist natürlich entmutigend.

SB: Angesichts des gesellschaftlichen Dauerdiskurses über Massentierhaltung und Tierleid scheint das Thema Tierversuche aus den Blick geraten zu sein. Können Sie sich das erklären?

TS: Ich bin ja nicht erst seit dieser Kampagne gegen Tierversuche aktiv, sondern habe mich seit 2001 an den Protesten gegen Altana in Barsbüttel beteiligt. Wir hören immer wieder von Menschen, die sich noch nie mit dem Thema beschäftigt haben, daß Tierversuche dem Wohle der Menschen dienen. Es gibt eine Organisation namens Ärzte gegen Tierversuche, in der sich Ärzte und Wissenschaftler gegen Tierversuche aussprechen und auch begründen warum. Sie sagen genau das Gegenteil: Wenn es keine Tierversuche geben würde, hätten wir viel bessere Medikamente, weil durch Tierversuche auch verfälschte Aussagen zustande kommen. Allein in Deutschland werden pro Jahr 400 Medikamente wieder vom Markt genommen, weil sie so gefährlich sind. Zum Beispiel verträgt ein Schaf Arsen in rauhen Mengen, während ein Mensch sofort daran stirbt. Arsen ist ein Gift für den Menschen, aber Schafe können es vertragen. Viele Wissenschaftler auch von Ärzte gegen Tierversuche fragen sich, warum Invitro- und andere alternative Methoden, die viel aussagekräftiger sind, nicht gefördert werden. An der Tierversuchsindustrie hängt natürlich viel dran: Arbeitsplätze, Käfig- und Futtermittelhersteller. Ich bin wie Ärzte gegen Tierversuche der Meinung, daß es von politischer Seite aufgrund dessen gar nicht gewollt ist, daß sich irgend etwas ändert.

SB: In diesem Zusammenhang spricht man auch vom tierindustriellen Komplex, der nicht nur Medikamente betrifft, sondern auch Verträglichkeitsprüfungen für Konsumartikel aller Art. Wird unter TierversuchsgegnerInnen auch die Frage diskutiert, inwiefern es überhaupt sinnvoll ist, wenn für jedes entlegene und seltene Symptom mit großem Aufwand ein Medikament entwickelt wird, während sehr viele Menschen nicht einmal medizinische Grundversorgung erhalten? Könnte Kritik an Tierversuchen nicht auch die Medizin und pharmazeutische Industrie betreffen, wo immer neue Abhängigkeiten erzeugt werden?

TS: Ja sicher. Dazu braucht man sich nur sein eigenes Umfeld anzuschauen. Manchmal ist es wirklich besser, nicht zum Arzt zu gehen, sondern sich selber schlau zu machen. Ich kann nur aus eigener Erfahrung berichten, daß ich jahrelang mit Beschwerden wie Migräne, Müdigkeit und Erschöpfungszuständen von Arzt zu Arzt gegangen bin. Ich habe total falsche Medikamente verschrieben bekommen, es hat sich nie etwas gebessert. Als ich dann schmerzmittelabhängig wurde, habe ich mich auf eigene Faust auf die Suche nach der Ursache gemacht, bis bei mir eine Schwermetallvergiftung festgestellt wurde. Kein Arzt, auch kein Neurologe, kam auf die Idee, mich auf so etwas zu testen. Anscheinend, weil sie es nicht gelernt haben. Sie gehen nach Schema F vor, mehr nicht. Deshalb habe ich für mich persönlich entschieden, lieber für mich selber zu denken. Ich habe seitdem gute Resultate mit pflanzlicher Arznei gehabt. Jeder von uns kennt das: Er geht zum Arzt, wird kaum untersucht und soll sich sofort unter den Röntgenapparat legen; praktisch alle Apparate, die der Arzt in seiner Praxis stehen hat, werden am Patienten durchgetestet. Das erscheint mir wie eine Maßnahme zur Belebung der Wirtschaft. Ob das so gewollt ist, weiß ich nicht. Es geht nicht nur um Tierversuche, sondern auch darum, bessere, sinnvollere Medikamente herzustellen.

SB: Sie haben auch einen Hund dabei, der ein Schild umgehängt hat, der das Herz rühren soll (Aufschrift: "Würdest du mich auch töten?"). KritikerInnen des Konsums von Tierprodukten bemängeln häufig, daß Menschen zwar ihre Hunde lieben, aber Schweine und andere sogenannte Nutztiere essen. Ist dieser Vergleich zwischen dem eigenen Haustier und dem verzehrten Nutztier Ihrer Ansicht nach überhaupt stichhaltig?

TS: Man sollte den Vergleich ziehen, weil viele Menschen so aufgewachsen und gepolt sind, daß sie denken, daß Nutztiere für nichts anderes geboren sind, als uns zu dienen oder uns als Essen serviert zu werden. Das ist natürlich falsch. Sie haben alle Gefühle und Schmerzempfinden. Alle, die hier mit mir stehen, machen sich auch darüber Gedanken. Es ist nicht weit hergeholt, wenn man sich gegen Tierversuche formiert, auch die anderen Tierleidthemen mit in Betracht zu ziehen. Ich selbst trage kein Leder, keinen Pelz und esse auch kein Fleisch. Bevor ich anfing, mich dafür zu interessieren, habe ich in der Werbebranche gearbeitet. Das war sehr intensiv und aufreibend, man arbeitet die Nächte durch. Als mir jemand einen Flyer vor dem Alsterhaus gegen die Pelzindustrie in die Hand gedrückt hat, habe ich angefangen, mich für diese Themen zu interessieren, weil das, was diese Leute machen, eine sinnvolle Aufgabe ist. Ich habe mich gefragt: Was machst du eigentlich? Sitzt in einem Preßpappenbüro von morgens bis spät in die Nacht hinein, jeden Tag, und machst nichts Sinnvolles. Das war für mich ein Anreiz, einmal in diese Thematik reinzuriechen, und von da aus kommt man ganz schnell auch auf alle anderen tierschutzwidrigen Felder.

SB: AktivistInnen wie Sie sind primär an der Sache interessiert. Die Frage der Ernährung oder Kleidung ist dann eher eine Konsequenz, die sich fast von selbst daraus ergibt. Für andere ist es umgekehrt und eher ein Trend. So ist der Lifestyle-Veganismus scheinbar widerspruchsfrei in die Welt von Konsum und Kommerz integriert. Wie beurteile Sie die Entwicklung, daß die propagierte Beendigung des Tierverbrauchs in neue Bahnen von Konsum und Kommerz fließt?

TS: Ich persönlich halte den Veganismus im Moment für einen Trend. Als ich damit angefangen habe, waren wir praktisch eine aussterbende Art - wir waren ja die einzigen. Es gab damals in Hamburg nur eine Gruppe, die sich ebenfalls gegen diese Tierquälereien organisiert hat. Als kleine Gruppe waren wir natürlich überall, wo wir aufgetaucht sind, Exoten. Um die 2000er Wende herum und auch später 2005 hatten die Menschen eigentlich noch gar nichts vom Veganismus gehört, und wenn, dann standen sie unter dem Eindruck, Veganer sind ganz dünn, unterernährt und kommen aus irgendwelchen Höhlen. Das war so das gängige Bild. Hinter dem Engagement steckt natürlich auch eine Entwicklung. Wenn man mit einer Sache anfängt, stehen die Menschen teilweise auf ganz unterschiedlichen Schienen. Es gibt Menschen, die verzichten nur auf Pelz, andere wie ich auch auf Leder.

SB: Ist für Sie die Kategorie des Verzichts überhaupt eine sinnvolle Positionierung?

TS: Nein, denn es gibt soviele Alternativen. Auch bei der Kleidung existieren andere Materialien, mit denen man sich gut kleiden kann.

SB: Viele halten Veganer für Asketen oder Lustverweigerer.

TS: Ich lebe gern und habe auch Freude am Leben. Das Gegenteil ist richtig. Man lebt ein bißchen bewußter, und das verselbständigt sich und wird zu einer alltäglichen Angelegenheit. Wenn man keine Lederschuhe trägt, wird man sie sich in einer Einkaufspassage auch nicht mehr angucken. Nicht, weil ich denke, o nein, ich darf das jetzt nicht kaufen, sondern weil es einfach für mich dazugehört. Es gibt, wie gesagt, mittlerweile so schöne Alternativen und auch gute Kleidungs- und Schuhhersteller wie zum Beispiel NOAH. Die Firmenchefin läßt ihre Schuhe schon seit einigen Jahren in Italien fertigen und verzichtet ganz bewußt auf Tierhäute. Solche Firmen sollte man unterstützen, denn durch den Kreislauf der Tierausbeutung werden die Natur und die Umwelt massiv zerstört. Das ist für mich die Zukunft, auch wenn es bei vielen durch die Konditionierung, daß man eben konsumieren, konsumieren und nochmals konsumieren soll, egal was, noch nicht angekommen ist. Ich achte schon darauf, meine Produkte nicht unbedingt im Supermarkt, sondern im Biomarkt, sofern vorhanden, einzukaufen. Kleine Firmen oder Familienunternehmen wie Zwergenwiese gibt es noch, und da kann man wenigstens ein bißchen stöbern und sicher sein, daß es unterstützenswürdige und vor allem auch gute Produkte sind, die keine Antioxidationsmittel oder Dinge enthalten, die ich überhaupt nicht kenne. Wenn man sich selbst etwas wert ist, sollte man versuchen, das zu machen.

SB: Wie weit sind Sie mit anderen TierversuchsgegnerInnen in Deutschland oder auch im Ausland vernetzt?

TS: Es gibt viele Gruppen, die etwas machen. Ich kann sie, wenn ich ehrlich bin, im einzelnen gar nicht aufzählen. Einige von diesen Gruppen finden wir auch gut. Es wird immer gesagt, wir sollen uns alle zusammenschließen, aber warum sollen nicht viele einzelne Gruppen auch etwas für sich machen, dann wird von allen Seiten protestiert, und das ist, wie ich finde, eigentlich eine gute Sache.

SB: Haben Sie eine kleine Perspektive oder einen Ausblick auf die Zukunft?

TS: Den Protest, solange wie es geht und wir auf zwei Beinen stehen, aufrechtzuerhalten.

SB: Versuchen Sie auch, mehr Öffentlichkeit herzustellen oder neue AktivistInnen für das Thema zu gewinnen?

TS: Ja, das versuchen wir schon. Es gab auch Zeiten, da standen wir hier nur zu dritt. Das ist natürlich für die Motivation jedes einzelnen von uns nicht ganz so günstig, weil man doch immer denkt, es könnten eigentlich mehr sein. Im Moment ist der Kern der Leute, die fast immer kommen, recht ordentlich. Ansonsten sollte man keine großen Erwartungen haben. Man kennt das ja aus dem Leben und wird andernfalls nur enttäuscht. Auf jeden Fall sollte man nicht aufgeben und seinen Protest zeigen. In Barsbüttel haben zunächst wirklich viele Menschen demonstriert, aber als das Altana-Labor gebaut wurde, sagten einige, warum demonstriert ihr noch dagegen? Darauf kann man nur antworten: Trotzdem können wir immer noch unseren Protest dagegen zeigen. Man muß sich ja nicht alles gefallen lassen. Für viele ist es vielleicht auch ein Weg, daß sie es versuchen und dann, wenn nichts passiert, frustiert sind und dann ganz aufhören. Das ist natürlich bei jedem anders. Das muß jeder für sich selber entscheiden. Nur krankmachen sollten diese Themen natürlich nicht.

SB: Frau Saupe, vielen Dank für das Gespräch.


Fußnote:

[1] BERICHT/014: Tierversuche - bezahlt mit Schmerz und Qual ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trbe0014.html

12. Februar 2018


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