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ETHIK/011: Metaphysik der Matadore (Ingolf Bossenz)


Metaphysik der Matadore

Von Ingolf Bossenz, 12. Januar 2011


In seiner »Metaphysik der Sitten« (1797) plädierte Immanuel Kant für ein Verbot der Tierquälerei - weil sie das Mitgefühl für Menschen abstumpfe. Eine richtige Erkenntnis, die allerdings das Leid der Tiere als nebensächlich betrachtete. Bereits Arthur Schopenhauer kritisierte diesen dürftigen Denkansatz des Königsberger Philosophen. Indes: Über 200 Jahre nach Kant muss man immer noch froh sein, wenn sich wenigstens dessen anthropozentrisch beschränkte Sicht Bahn bricht, wie jetzt in Spanien geschehen. Dort verbannte der staatliche Fernsehsender TVE Stierkämpfe weitgehend vom Bildschirm. Zur Begründung hieß es, die »Corridas« könnten auf zuschauende Kinder beklemmend wirken. »Diese Gewalt mit Tieren müssen wir ihnen deshalb mit allen Mitteln ersparen«, steht in einem TVE-Papier. Kein Wort davon, diese Gewalt auch und vor allem den Tieren »mit allen Mitteln« zu ersparen. Zudem will TVE die berüchtigte Stierhatz in Pamplona auch künftig live senden. Warum auch nicht? Fallen doch derlei barbarische Bräuche unter die im Lissabonner EU-Vertrag gebilligten Gepflogenheiten »in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe«. Da muss man es dem spanischen Parlament hoch anrechnen, dass dessen Mehrheit es im Oktober ablehnte, den Stierkampf zum nationalen »Kulturgut« zu erklären.


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Quelle:
Ingolf Bossenz, Januar 2011
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 12.1.2011
http://www.neues-deutschland.de/artikel/188350.metaphysik-der-matadore.html


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2011