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FRAGEN/008: Mit politischen Kampagnen die Ausbeutung beenden (tierrechte)


Magazin tierrechte - Ausgabe 3/2017
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Mit politischen Kampagnen die Ausbeutung beenden

Interview mit Prof. Dr. Bernd Ladwig von Christina Ledermann


Prof. Dr. Bernd Ladwig ist Professor für politische Theorie und Philosophie am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Fragen der Menschenrechte. Derzeit arbeitet er darüber hinaus an einem Buch zum Thema Menschen- und Tierrechte. Wir sprachen mit ihm über unsere Verantwortung gegenüber Tieren, über das Verhältnis von Bio-Landwirten und Tierrechtlern und über politisch harte Nüsse bei der anstehenden Bundestagswahl.


Herr Prof. Ladwig, der Schwerpunkt Ihrer wissenschaftlichen Arbeit liegt im Bereich Menschenrechte, Menschenwürde und Gerechtigkeit. Aktuell beschäftigen Sie sich aber auch mit Tierrechten. Wie kam es dazu?

Das liegt daran, dass ich bei der Beschäftigung mit Menschenrechten den Eindruck gewonnen habe, dass die Begründung von Menschenrechten nicht nur für Menschen gilt, sondern letztlich für alle Wesen, die empfindungsfähig sind und eigene Interessen haben. Mit den Tieren teilen wir beispielsweise alle auf Leiden bezogenen Interessen. Auch das Interesse am Weiterleben ist eines, das wir prinzipiell allen empfindungsfähigen Tieren zuerkennen sollten.

Hat es auch mit der gesellschaftlichen Diskussion zu Tierschutz und Tierrechten zu tun, dass Sie die Rechte von nichtmenschlichen Tieren in Ihre Arbeit miteinbeziehen?

Indirekt, bei mir hat sich das auf akademischem Weg ergeben. Als ich mich mit Menschenrechten und mit der angewandten Ethik beschäftigte, stellte ich fest, dass dieser Interessenansatz für mich am überzeugendsten ist. Es war mir irgendwann nicht mehr möglich zu bestreiten, dass Tiere gleichberechtigt dazugehören. Das trifft sich mit den Zielen der Tierschutz- und Tierrechtsbewegung. Das ist von Vorteil, um auch akademisch die Aufmerksamkeit für das Thema zu erhöhen.

Welche ethische Verantwortung haben wir gegenüber dem Tier?

Allgemein gesprochen haben wir mindestens die Verantwortung, Tiere nicht unnötig zu schädigen. Damit ist primär nicht gemeint, dass wir Tiere nicht aus Spaß quälen dürfen, sondern, dass wir beim Konsumieren darauf achten, dass wir keine Tierausbeutungspraktiken unterstützen. Allerdings stoßen Kampagnen, die bei der Konsumenten- Entscheidung ansetzen, auf enge Grenzen. Der Informationsaufwand ist sehr hoch und nicht alle Teile der Gesellschaft werden dem folgen. Deswegen müssen wir unsere Verantwortung gegenüber Tieren über politische Kampagnen wahrnehmen. Diese Initiativen zielen auf institutionelle Rahmenbedingungen, die letztlich die Ausbeutung empfindungsfähiger Tiere ausschließen oder zumindest substanzielle Schritte hin zu diesem Ziel enthalten.

Nach unserer Erfahrung ist es der Politik - sogar den Grünen - sehr schwer zu vermitteln, dass man als Tierrechtler jegliche Nutzung von Tieren ablehnt.

Bei den Grünen lässt sich dieses Spannungsverhältnis besonders gut veranschaulichen, weil sie von den etablierten Parteien am weitesten gehen, etwa bei der Ablehnung der industriellen Tierhaltung. Nach den aktuellen Plänen der Grünen soll diese in den nächsten 20 Jahren abgeschafft werden. Wenn Sie sich den Fleisch-Atlas anschauen, der von der grünen Heinrich-Böll-Stiftung mit herausgegeben wird, dann finden Sie einen sehr starken Bezug zum Biolandbau. Das ist wichtig für die Wählerbasis der Grünen. Bio-Landwirte sind aber keineswegs automatisch Tierrechtler. Viele von denen fühlen sich durch Tierrechtskampagnen eher in Frage gestellt und bedroht. Deswegen halte ich zunächst die Konzentration auf das gemeinsame Ziel, zumindest die industrielle Tierhaltung unmöglich zu machen, für sinnvoll.

Ein reformistischer Ansatz, nämlich bessere Bedingungen für Tiere im herrschenden System zu schaffen, ist aber auch gefährlich. Natürlich wollen wir schnell bessere Bedingungen für alle Tiere - doch damit laufen wir auch Gefahr, die bestehenden Verhältnisse zu legitimieren.

Wenn Sie zunächst Bündnisse gegen die industrielle Tierhaltung schmieden und nicht auf ihrer Maximalforderung beharren, können Sie ihre Bündnisse viel breiter aufstellen. Dann können Sie sich auch mit Akteuren verbünden, die Sie mit einer veganen Kampagne verschrecken würden. Solange die weitergehenden Ziele der Tierrechtsbewegung auch mittelfristig echte Fortschritte ermöglichen, ist das der richtige Ansatz. Grundsätzlich würde ich den Ausdruck "Tierrechte" politisch nicht in den Vordergrund stellen, denn Viele meinen immer noch, dass es gar keinen Sinn hätte, Tieren Rechte zuzusprechen. Man sollte sich zunächst darauf konzentrieren, das vermeidbare Leiden zu beenden. Es ist gut vermittelbar, dass wir Tiere nicht quälen dürfen, um unsere vergleichsweise trivialen Bedürfnisse zu befriedigen.

Sehen Sie bei SPD, aber auch CDU/CSU oder der FDP Anzeichen, dass auch bei diesen ein Umdenken bezüglich der Bedeutung des Tierschutzes stattfindet?

Die größeren Parteien haben verschiedene Abteilungen, die jeweils verschiedene Wählergruppen ansprechen. Die SPD spricht mit ihren Tierschutzanliegen zum Beispiel die akademisch gebildeten, urbanen Mittelschichten an, die für diese Themen eher erreichbar sind als die klassische Arbeitnehmerklientel. Die FDP ist von allen Parteien wahrscheinlich die härteste Nuss. Bei ihr ist das vermutlich größte Hemmnis, dass sie sehr pauschal die Freiheit von Marktakteuren gegen staatliche Gängelung verteidigt und dabei nicht unbedingt unterscheidet zwischen einer Gängelung, die Grundfreiheiten von Menschen beschneidet und Eingriffen, die dazu da sind, die Rechte anderer fühlender Wesen zu schützen. Die CSU hat zum ökologischen Landbau ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits haben wir einen ziemlich unmöglich agierenden CSU-Landwirtschaftsminister, dem es vor allem darum zu gehen scheint, Bezeichnungen wie Tofu-Wurst zu verbannen. Auf der anderen Seite ist die CSU traditionell darauf angewiesen, auch für kleinere Landwirte wählbar zu sein. Deswegen gibt es bei der CSU auch ökonomische Interessen, die in Richtung von mehr Tierschutz gehen.

Derzeit versucht man in den USA auf juristischem Weg Persönlichkeitsrechte für Menschenaffen zu etablieren. Halten Sie dieses Vorgehen für zielführend, um die Rechte für nichtmenschliche Tiere voranzubringen?

Ich finde diese Ansätze grundsätzlich richtig, wobei sie vor allem als Türöffner zur Anerkennung einer tierlichen Rechtsperson zu verstehen sind. Prinzipiell liegt der Wert solcher Kampagnen für Primatenrechte darin, dass man im Recht den Gedanken verankert, dass auch nichtmenschliche Tiere subjektive Rechte im juristischen Sinne haben. Nun ist dies zunächst beschränkt auf die sogenannten höheren Tiere, die uns besonders nahe stehen, also andere Primaten. Aber es ist nur logisch, dass dies nur ein Anfang ist. Wenn erstmal am Beispiel von Schimpansen oder auch Delfinen eine tierliche Rechtsperson etabliert ist, dann könnte man prinzipiell auch einen Schritt weiter gehen und zum Beispiel auch Schweine oder andere sogenannte Nutztiere mit einbeziehen.

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Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 3/2017, S. 12-13
Menschen für Tierrechte
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
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Telefon: 0211 / 22 08 56 48, Fax. 0211 / 22 08 56 49
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2018

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