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BERICHT/067: Löffler-Institut - Lobbyist der Massengeflügelhalter (Provieh)


PROVIEH Heft 3 - September 2007
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Vogelgrippe: Friedrich-Löffler-Institut verrät sich als Lobbyist der Massengeflügelhalter

Von Mathias Güthe
(Mitglied des Vorstands)


Thüringer Hausgans möglicherweise nicht H5N1-positiv -
Nacht-und-Nebel-Tötungsaktion erregt die Gemüter

Die Thüringer Hausgans, die Anfang Juli angeblich an Vogelgrippe gestorben war und damit eine Massentötung von 1.200 Vögeln ausgelöst hatte, war möglicherweise gar nicht H5N1-positiv. Die Gans wurde nämlich zunächst in einem Institut in Bad Langensalza negativ getestet. Erst beim Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems fiel der Test dann auf einmal positiv aus.

Auch die Schnelltötung von 1.200 Tieren im Drei-Kilometer-Radius rund um die Gemeinde Wickersdorf war fragwürdig. Denn die betroffene Gans und weitere acht Gänse und Enten wurden erst drei Wochen zuvor aus einer ganz anderen Gemeinde "importiert". Die Tötung von Tieren in und um Wickersdorf war damit vollkommen sinnlos. Zudem stellt sich die Frage, warum nur das eine Tier vom angeblich so hochansteckenden Virus befallen war, die Stallgenossen jedoch nicht. Und warum soll sich das eine Tier ausgerechnet als einziges bei einem Wildvogel angesteckt haben, alle anderen Tiere im Stall und in der Herkunftsgemeinde jedoch nicht?

Merkwürdig ist auch das Verhalten der Behörden den betroffenen Züchtern gegenüber: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion rückten die Veterinäre an und töteten die Tiere vor den Augen der Besitzer. Einen entsprechenden Beschluss legten sie nicht vor. Die Besitzer kämpften um das Leben ihrer Tiere und forderten Vogelgrippe-Schnelltests. Die Behörden versagten auch diese. Die Tests im Nachhinein bestätigten: Alle Tiere waren kerngesund!

Resümee: 1.200facher Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, das für das Töten von Tieren einen vernünftigen Grund vorschreibt. Mehr als zweifelhaftes Vorgehen der Behörden. Und zurück bleiben zerbrochene Menschen, die ihre Tiere teils liebten wie ihre Familienangehörigen. Dies sind die wahren menschlichen Opfer der Vogelgrippe!

Dabei wird immer wieder widerlegt, dass allein Zugvögel und Freiland-Federvieh Überträger der Vogelgrippe sind. In Tschechien verendete Tiere aus vier Gemeinden stammten alle aus Massentierhaltungsanlagen von ein und demselben Unternehmen. Allein - es passt nicht in das Konzept der Agrarindustrie und ihrer Helfershelfer in der Politik.

Die deutsche agrarindustrielle Wirtschaftsgeflügelzucht fordert Aufstallung und Tötung zum Schutz ihrer Bestände. Paul Wesjohann, Chef der PHW-Gruppe (unter anderem Wiesenhof, nach eigenen Angaben Deutschlands Geflügelmarke Nr. 1), sprach in einer Zeitung bereits davon, dass durch die vogelgrippe-bedingten Importverbote für Geflügelprodukte die Preise für deutsches Geflügel anziehen werden. Wenn also 1,5 Millionen Freilandgeflügelhalter und Rassegeflügelzüchter aufgeben müssen und damit den Markt entlasten, wird Wesjohann das noch mehr erfreuen.

Die Lohmann-Gruppe, Weltmarktführer für "genetisch standardisiertes", d.h. für Massentierhaltungen züchterisch optimiertes Geflügel, strebt ähnlich wie die US-Firma Monsanto beim Saatgut noch einem weiteren Ausbau ihrer Marktanteile. Daher kommt es gelegen, wenn in Deutschland industrielle Massentierhaltungen geschützt werden und alternative Haltungsformen mit alternativen Rassen verschwinden. Ebenso freut der Konzern sich über die Vernichtungszüge in der dritten Welt, die bäuerliche Tierhaltungen - Existenzgrundlage vieler Familien - von der Bildfläche verschwinden lassen. Einzelschicksale interessieren nicht, die Länder kommen in Abhängigkeit zu neuen modernen Massentierhaltungen, neue Absatzmärkte erschließen sich.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1999 den Legehennenkäfig verboten, seit 1. Januar 2007 hätte er nach dem Willen der damaligen rot-grünen Bundesregierung der Vergangenheit angehören sollen. Bundestag und Bundesrat hatten dann aber im August 2006 beschlossen, einen neuen Käfig an die Stelle des alten Käfigs treten zu lassen: Der "ausgestaltete Käfig" oder die "Kleinvoliere" war geboren, alte Tierquälerei unter neuem Namen. SPD-Chef Kurt Beck hatte schon unmittelbar nach dem Bundesratsbeschluss letztes Jahr klargestellt, dass er gegen diese Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht Klage einreichen werde, schon um die zahlreich getätigten Investitionen in alternative Haltungsformen nicht zu Fehlinvestitionen werden zu lassen und um die zahlreichen Arbeitsplätze in diesem Bereich zu schützen. Diese Klage hat Beck Ende Juni eingereicht. Ein neuer Vogelgrippefall wurde daher dringend benötigt, um den Käfig wieder als einzig sichere Alternative hinzustellen.

Gerade hier wurde jetzt aber ein entscheidender Gedankenfehler begangen: Ein wirklich hochpathogenes Virus kann sich auf Grund seiner schnellen Todesfolge nur bei hoher Tierdichte entwickeln und halten. Kurt Becks Klage gegen den neuen Käfig ist damit doppelt wichtig und richtig, um die zulässige Tierdichte auf ein buchstäblich gesundes Maß zurückzusteuern.


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Quelle:
PROVIEH Heft 3, September 2007, Seite 26-27
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2007