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FRAGEN/006: Tierschutz gehört zur Lehrer-Ausbildung (tierrechte)


tierrechte 2.15 - Nr. 71, Juni 2015
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Tierschutz gehört zur Lehrer-Ausbildung


Dr. Janine Binngießer promovierte an der Universität Leipzig über das Thema: "Empirische Studien zur Tierschutzerziehung im Biologieunterricht der Sekundarstufe I und II". Die Mutter von zwei Kindern unterrichtet Biologie und Deutsch an einem Gymnasium und engagiert sich für die Etablierung der Tierschutzerziehung an Schulen.


Tierrechte: Wie sind Sie auf das Thema "Tierschutzerziehung im Biologieunterricht" für Ihre Doktorarbeit gekommen?

Dr. Janine Binngießer: Ich wollte mich nach meinem Studium gerne intensiver mit einem für den Biologieunterricht relevanten Thema beschäftigen. Da mir Tierschutz persönlich schon immer sehr am Herzen liegt, war die Idee zu meinem Promotionsthema schnell geboren.


Tierrechte: Können Sie uns kurz die wichtigsten Erkenntnisse Ihrer Forschungsergebnisse vorstellen?

Dr. Janine Binngießer: Die Umsetzung des Tierschutzgedankens im Biologieunterricht hängt von der Lehrerpersönlichkeit, den Einstellungen der Schüler gegenüber Tieren sowie der Gestaltung der verwendeten Lehrbücher ab. In meiner Arbeit habe ich deshalb unter Berücksichtigung dieser Faktoren analysiert, welchen Stellenwert Tierschutz im Biologieunterricht der Sekundarstufe I und II hat. So konnte ich nachweisen, welche Faktoren die Einstellungen von Kindern und Jugendlichen gegenüber Tieren bestimmen. Außerdem konnte ich belegen, dass Tierschutz sowohl in der Aus- und Fortbildung als auch in der unterrichtlichen Praxis von Biologielehrern kaum eine Rolle spielt. Auch die Gestaltung der Biologielehrbücher ist nur wenig geeignet, den Tierschutzgedanken stärker in den Biologieunterricht einzubauen.


Tierrechte: In Ihrer Doktorarbeit und in Ihrer gemeinsam mit Prof. Randler (Pädagogische Hochschule Heidelberg) durchgeführten Studie konnten Sie aufzeigen, dass Tierschutz in der Biologielehrerausbildung eine eher untergeordnete Rolle spielt. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

Dr. Janine Binngießer: Tierschutzaspekte sollten in der Ausbildung der Biologielehrer unbedingt thematisiert werden. Meine Untersuchung zeigt, dass Biologielehramtsstudenten einerseits teils gravierende Wissenslücken zu tierschutzrelevanten Themen haben, andererseits aber stark am Thema interessiert sind. Wenn man Studenten schon während des Studiums für das Thema sensibilisiert, könnten bestehende fachliche Wissensdefizite kompensiert werden und die Studenten könnten gleichzeitig fachdidaktische Kenntnisse erwerben, wie Tierschutzthemen im Unterricht vermittelt werden könnten.


Tierrechte: Wie reagieren die Eltern, wenn Sie deren Kinder z.B. mit dem Leid der sogenannten Nutztiere konfrontieren?

Dr. Janine Binngießer: Nach meiner Erfahrung gibt es wenige Probleme, wenn man das Thema sachlich-informativ und vor allem altersgerecht unterrichtet und auf allzu verstörende und abschreckende Bilder gerade in jüngeren Klassen verzichtet. In meinem eigenen Unterricht ist mir wichtig, den Schülern fachlich fundiertes Wissen über verschiedene Tierschutzthemen zu vermitteln, damit sie die Tierschutzproblematik sachlich diskutieren und Konsequenzen für den eigenen verantwortungsvollen Umgang mit Tieren ableiten können.


Tierrechte: Welche Maßnahmen halten Sie, ausgehend von Ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen, für realisierbar, um die Tierschutzerziehung fest in den Stundenplänen zu verankern?

Dr. Janine Binngießer: Das Thema sollte natürlich in allererster Linie verpflichtend und mit ausreichend Stunden in den Lehrplänen berücksichtigt werden. Hier müssen die Kultusministerien ansetzen. Die von mir befragten Lehrer gaben an, sich zwar generell dafür zu interessieren und es gern intensiver behandeln zu wollen, dafür aber aufgrund der vollen Lehrpläne im Schulalltag einfach keine Zeit zu haben. Auch gibt es heute viele andere Themen, für die eine stärkere Einbindung in die Lehrpläne gefordert wird, z. B. Fragen der gesunden Ernährung, der Umgang mit neuen Medien oder Mobbing. Erfahrungsgemäß wird Tierschutzerziehung da leider meist als weniger wichtig angesehen.


Tierrechte: Was ist Ihnen persönlich besonders wichtig im Hinblick auf die Tierschutzerziehung im Biologieunterricht?

Dr. Janine Binngießer: Ich würde mir wirklich wünschen, dass dem Thema im Schulalltag der Stellenwert eingeräumt wird, den es verdient. Nur so kann man Schülern Wissen über artgerechte Tierhaltung vermitteln und gegebenenfalls Vorurteile und Unwissen auf Seiten der Schüler abbauen, was im Hinblick auf die Millionen Nutztiere und Haustiere in Deutschland direkt praktizierter Tierschutz ist. Dies ist aber nur möglich über verschiedene Maßnahmen wie z.B. die stärkere Einbindung in die Lehrpläne, die intensivere Aus- und Fortbildung der Lehrer, die angemessene Verankerung in den Schulbüchern.

Eine Langversion dieses Interviews lesen Sie unter:
www.tierrechte.de

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Quelle:
tierrechte 2.15 - Nr. 71/Juni 2015, S. 9
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2015

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