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TIERHALTUNG/435: Bauernhöfe statt Agrarfabriken (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 308 - Februar 2008,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bauernhöfe statt Agrarfabriken
Tipps für den Widerstand

Von Eckehard Niemann


Hartnäckiger Widerstand gegen die Mega-Schweinemastanlagen in Ostdeutschland und gegen neue Hühner-Käfigfarmen in Ost und West - und immer taucht die Frage nach den geeigneten Schritten gegen diese Agrarfabriken auf. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat mit Hilfe des kompetenten Rechtsanwalts Peter Kremer eine Broschüre zum "Widerstand gegen Massentierhaltungsanlagen" herausgegeben (man kann sie auf der Internetseite des BUND herunterladen). Wir haben in diesem Artikel wesentliche Aussagen daraus verwendet und ergänzt.

Grundsätzlich soll der Außenbereich einer Gemeinde von Bebauung freigehalten werden. "Privilegierte Bauvorhaben" aber können dort prinzipiell errichtet werden. Das gilt für "landwirtschaftliche Anlagen" - Agrarfabriken gehören aber meist nicht dazu, weil sie nicht mindestens die Hälfte des Futters auf eigener Fläche erzeugen können. Privilegiert sind aber auch Bauten, die aufgrund ihrer Umweltauswirkungen nur im Außenbereich errichtet werden können. Diese "relative Privilegierung" gilt auch für Agrarfabriken - aber nur nach einer Einzelabwägung mit "Allgemeinwohlgründen".


Die Gemeinde ist nicht machtlos

Eine Möglichkeit der Verhinderung ist die Flächennutzungsplanung, bei der die Gemeinde für bestimmte Stellen im Außenbereich sogenannte "Konzentrationszonen" ausweist - dann darf nur dort und nirgendwo anders eine Massentierhaltungsanlage beantragt werden. Für die Erarbeitung dieses Flächennutzungsplans kann das Genehmigungsverfahren für ein Jahr ausgesetzt werden. Schadensersatzklagen kann man durch gute rechtliche Begleitung begegnen.

Die Standortgemeinde kann auch einen Bebauungsplan erlassen, der für das Gebiet eine gut begründete (und auch zu realisierende) andere Nutzung vorsieht, z. B. eine Fläche für Freizeitaktivitäten.

Die Genehmigung einer größeren Anlage erfolgt nicht nach dem Baurecht, sondern nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Die Gemeinde hat im Rahmen des "gemeindlichen Einvernehmens" eine weitgehende und eigenständige Befugnis zur Überprüfung der Genehmigungs-Voraussetzung für die Anlage. So behaupten viele Gutachten der Antragsteller, ihre Anlage werde nicht zu erheblichen Schäden in der Umwelt führen. Diese Prognosen sind durch Gegengutachten (z.B. der Gemeinde) oft fachlich angreifbar, weil es keine gesetzlichen Regelungen für derartige Prognosen gibt.

Im Genehmigungsverfahren können alle Bürger Einwendungen zu allen Belangen machen, auch von außerhalb und auch zu Fragen der Agrarstruktur. Dabei sind die engen Fristen zu beachten, ebenso bei der eventuell anschließenden Klage.


Gegengutachten im Genehmigungsverfahren

Wichtige Ansatzpunkte hierbei: Die Gülleabnahmeverträge enthalten keinen detaillierten Nachweis der Tauglichkeit der Einzelflächen (Gefährdung von Oberflächen- und Grundwasser). Luftgetragene Schadstoffe gefährden geschützte Biotope und Wälder, hier ist eine konkrete Untersuchung der Gegebenheiten angesagt (mit Hilfe der Naturschutzverbände und Förster). Antibiotika können über den Boden in die Nahrungspflanzen und so in den Körper der Menschen gelangen und Resistenzen verstärken. Schadstoffe, Keime, Stäube und Endotoxine haben Auswirkungen auf Anwohner, insbesondere auf dort wohnende Allergiker und Asthmatiker.


Duft oder Gestank?

Die Zumutbarkeit der Gerüche wird nach der Geruchs-Immissions-Richtlinie (GIRL) beurteilt. Dabei wird die Geruchswahrnehmungshäufigkeit errechnet: Als zumutbar gelten 10 % der Jahresstunden in "Wohngebieten" und 15% in "Dorfgebieten" (wichtig ist die Überprüfung, ob diese Kategorien überhaupt noch zutreffend sind). Die Berücksichtigung der Art der Gerüche (Hedonik) und ihrer Intensität wird durch GIRL nicht gewährleistet, ist aber einzufordern. Die Wirksamkeit der angegebenen Abluftreinigungsanlagen kann in Frage gestellt werden mit Hinweis auf die vermutlich nicht ausreichend gewährleistete Kontrolle der Wartung und Funktionsfähigkeit (Festschreibung einfordern!).

Hierüber wie auch über die TA Luft (Ammoniak-Immissionen) kann der Abstand vom Dorf oder die ganze Anlage in Frage gestellt werden. Letzteres gilt auch für den Brandschutz: Hier ist vor allem die Frage wichtig, ob im Falle eines Brandes die Rettung von Menschen (Flucht binnen 10 Minuten) und Tieren (Flucht ebenfalls binnen 10 Minuten) möglich ist. Besonders bei Geflügelställen (Käfigen) sind die Vorgaben hinsichtlich des Brandschutzes, der Entrauchung der Räume und der Gewährleistung von Löscharbeiten kaum zu erfüllen.

Gemeindevertreter sollten ihre Gemeinde schon bei der ersten Kontaktaufnahme des Agrarindustriellen informieren. Wo die Bürgermeister dies nicht von selber beherzigen, müssen die Bürger aktiv werden. Dabei sollten renommierte Personen, Unternehmen, Fremdenverkehrsverbände, Fachbehörden und andere Organisationen von Anfang an einbezogen werden, ebenso wie die Bürger mit Unterschriftenaktionen. Erst danach sollte man an die Medien gehen - dann aber massiv mit Veranstaltungen und mit pfiffigen Aktionen. Von Anfang an Spenden sammeln - für Öffentlichkeitsarbeit, Gutachten und Rechtsvertretung.


Öffentlichkeitsarbeit - Bauern nicht vergessen

Landwirtsfamilien leiden wie alle Bürger unter Gestank oder Wertverlust ihrer Immobilien. Erwerbsquellen wie Tourismus oder Direktvermarktung sind bedroht. Hinzu kommt, dass Landwirtschaftsbetriebe ja später selber mal neue Ställe bauen wollen - und dann wäre die Spanne der zulässigen Geruchsbelastung schon durch die Agrarfabrik ausgeschöpft. Bauern können durch Solidarität untereinander verhindern, dass die Agrarfabrik die notwendigen Nachweisflächen für die Beseitigung der Exkremente erhält.

Die Befürworter behaupten, "landwirtschaftliche Gerüche" gehörten nun mal zum Dorf. Das stimmt, aber der beißende Gestank von Hühnerkot aus tierquälerischen Anlagen ist agrarindustriell - und wird deshalb auch zusätzlich als besonders unangenehm empfunden. Bauern, die den Kot aus agrarindustriellen Anlagen entsorgen, schaffen ein Ventil für die Abfälle der "flächenunabhängigen" Agraranlagen, die vielen bäuerlichen Arbeitsplätzen die Existenzgrundlage rauben.

Deshalb ist es wichtig, den Gegensatz zwischen bäuerlicher Landwirtschaft und Agrarindustrie deutlich herauszuarbeiten - durch Argumente aus den Bereichen des Tier- und Verbraucherschutzes, der Neuland- oder Bio-Tierhaltung, der Flächenbindung, der Futtergrundlage, der Betriebskreisläufe oder des dörflichen Bezugs der Betreiber. Im Gegensatz zu den seelenlosen Kapitalgesellschaften der Meerpohls, Schockemöhles oder van Gennips hat die Verantwortung bei den Inhabern bäuerlicher Betriebe "noch ein Gesicht"! Unser AbL-Motto "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" - wo könnte es schlagkräftiger und hilfreicher sein als bei der Verhinderung von Massentierhaltungs-Anlagen?


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 308 - Februar 2008, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
Bauernblatt e.V.
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Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2008