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INITIATIVE/412: Zu Besuch im Kälberhort (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2015
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

KAMPAGNE
Zu Besuch im Kälberhort

Von Sandra Lemmerz


An einem schönen Tag im Juni besuchen meine Kollegin Stefanie Pöpken und ich den Kälberhort in Grebbin. Begrüßt werden wir von Maik Kindler und seiner Dogge Balou. Die Zeichnung des Hundes erinnert an eine Holstein Friesian Kuh und fügt sich gut ins Bild ein. Hier - im Kälberhort - kümmert sich Herr Kindler um Kälbchen, die von der Tierindustrie aussortiert werden, weil sie unprofitabel sind. Die Tiere entsprechen nicht den Anforderungen: Sie sind zu klein, zu schwach oder zu krank - manchmal sind es überschüssige Bullenkälbchen aus der Milchproduktion. Ihre Aufzucht oder Pflege lohnt sich für die Landwirte nicht. Im Kälberhort bekommen diese Kälbchen eine zweite Chance.


Kälberrettung

Zunächst statten wir den beiden neuesten Kälbernotfällen, Salvia und Stettin, einen Besuch ab. Sie befinden sich noch im Unterstand in "Quarantäne" und kuscheln sich eng aneinander. Jetzt werden sie erstmal aufgepäppelt, mit Milch aus dem Eimer, die Herr Kindler jeden Tag für sie anrührt. Wenn sie die erste Zeit gut überstehen und ein bisschen kräftiger sind, dürfen die beiden zu den anderen Tieren auf die Weide und rumtoben und spielen. Der Lebensraum im Kälberhort ist begrenzt und es ist wichtig, immer wieder Platz für neue Notfallkälbchen zu schaffen, die Hilfe brauchen.

Drei Tiere sind vor kurzem in Schleswig-Holstein als "Rasenpfleger" untergekommen, erzählt uns Herr Kindler. So ist es ihm am liebsten, denn es fällt ihm nicht leicht, Tiere abzugeben und sie sollen es dann weiter gut haben.

Angefangen hat alles, als ihn eine befreundete Tierärztin überredete, ein Kälbchen aufzunehmen, das es sonst nicht geschafft hätte. Er konnte nicht nein sagen und es sprach sich schnell herum, dass er sich um die "aussortierten" Kälbchen kümmert. Einige Bauern wissen inzwischen vom Kälberhort und Herr Kindler darf von Zeit zu Zeit Kälbchen von ihnen retten. Ein Tier hat er sich einmal selbst von einem Misthaufen geholt, wo es direkt nach der Geburt lebendig entsorgt wurde, weil es zu klein und schwach war. Auf dem Hof leben auch einige Pferde und der Ziegenbock Bruno, der sich selbst für ein Pferd hält und mit der Herde läuft. Bruno soll bald Gesellschaft von einer Ziegendame bekommen. Früher gab es auf dem Hof auch Schweine, aber die wurden inzwischen verkauft. Seine Flächen musste er aufgrund steigender Pachtpreise an "größere Fische" abgeben, denn Bauern im Nebenerwerb werden nicht unterstützt. Leichter ist es für große Betriebe, die ihre Tiere in Massen halten. Seinen kleinen Hof bewirtschaftet er nebenbei, denn hauptberuflich ist Herr Kindler Maler und kümmert sich um die Renovierung alter Häuser.


Weideglück

Auf der Weide lernen wir die Kühe des Kälberhorts kennen. Ammenkuh Andrea, eine Holstein Friesian, ist sehr verschmust und lässt sich von uns streicheln. Wir dürfen sie sogar kraulen, während "ihre" schöne karamellfarbene Ziehtochter, ein Limousinkalb, trinkt. Das Kälbchen kam sehr klein und schwach auf die Welt und der Landwirt befürchtete, dass es ein Problemkalb werden würde. Deshalb gab er es an den Kälberhort ab. Sie wurde tatsächlich sehr krank und hatte schlimmen Durchfall, der erst nach längerem wieder ausgeheilt ist. Mittlerweile hat sie sich prächtig entwickelt und hält sich gerne in der Nähe von Ziehmutter Andrea auf oder spielt mit den anderen Kälbchen auf der Weide.

Die Leitkuh Hexe hat vor zwei Tagen ein wunderschönes Bullenkälbchen zur Welt gebracht. Das Kälbchen ist der Mama wie aus dem Gesicht geschnitten und darf bei seiner stolzen Mama trinken. Ein seltener Anblick, der gut tut. In einem Betrieb mit Hochleistungskühen hätte das männliche Kalb keine Chance gehabt. Die männlichen Kälber von Milchkühen sind oft unerwünschte Nebenprodukte der Milchproduktion, da sie zu wenig Fleisch ansetzen und sich deshalb die Aufzucht nicht rentiert. Als wir die springenden Kälbchen auf der Weide sehen, wird uns warm ums Herz und wir freuen uns, dass sie hier im Kälberhort sind, wo sie leben und toben dürfen.


INFOBOX
Die beiden Notfallkälbchen Salvia und Stettin haben sich toll entwickelt und durften inzwischen auf die Weide. Wir waren erneut zu Besuch im Kälberhort und haben die beiden Kälbchen bei ihrem ersten Weidegang begleitet. Auf unserer Webseite www.provieh.de und bei Facebook finden sie einige schöne Bilder und Eindrücke. Sobald die beiden Kälbchen etwas größer sind, werden sie auch gerne in treusorgende Hände abgegeben. Wer Interesse hat, ihnen ein dauerhaftes Zuhause zu bieten, kann sich gerne im Kälberhort melden.

Kontakt Kälberhort:
Maik Kindler, Ausbau 1, 19374 Grebbin

kaelberhort@gmail.com

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2015, Seite 6-8
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0, Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.
Schutzgebühr: 2 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2015

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