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JAGD/112: Maltas Frühjahrsjagd auf Zugvögel vor dem Aus (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 6/2008

Maltas Frühjahrsjagd auf Zugvögel vor dem Aus!

Von Markus Nipkow


Malta, die kleine Insel im Herzen des Mittelmeeres, galt unter Urlaubern wegen ihres angenehmen Klimas und der traumhaften See lange Zeit als Geheimtipp. Erst mit dem Beitritt zur Europäischen Union rückte der Inselstaat in das Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit. Für Malta selbst begann im Mai 2004 ein völlig neues Kapitel politischer Geschichte, da die nationalen Gesetze seitdem auch mit der europäischen Gesetzgebung in Einklang stehen müssen. Doch bis zuletzt hielt Maltas Regierung unter anderem an der Frühjahrsjagd auf Wachteln und Turteltauben fest. Die Jagd auf Vögel, die sich auf dem Heimweg in ihre Brutgebiete befinden, ist besonders schädlich für deren Bestände und steht in krassem Widerspruch zu den Grundsätzen der EU-Vogelschutzrichtlinie.

Nachdem die Europäische Kommission auf Drängen von BirdLife International, des NABU und anderer Naturschutzverbände bereits im Juni 2006 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta eröffnet hatte, erhöhte "Brüssel" schrittweise den Druck auf den Inselstaat: Im Oktober 2007 richtete die Kommission ein letztes Warnschreiben an die maltesische Regierung. Diese kam den Forderungen aus Brüssel jedoch nur zögerlich nach, sodass die Kommission schließlich Ende Januar ein Klageverfahren gegen Malta vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg einleitete. Dort könnten bei fortgesetzten Verstößen nach dem zweiten Urteil auch empfindliche Strafzahlungen gegen das Mitgliedsland verhängt werden - und zwar rückwirkend.

Doch viele der rund 15000 Vogeljäger auf Malta ignorierten selbst diesen Schritt und setzten ihren Freizeitsport mit dem Eintreffen der ersten Zugvögel unbeirrt fort. Gleichzeitig spitzte sich die Lage vor Ort mehr und mehr zu, was Vogelschützer von BirdLife Malta am 17. Februar auf besonders drastische Weise zu spüren bekamen. Bei einem Brandanschlag gingen drei ihrer Fahrzeuge in Flammen auf (FALKE 2008, H. 4). Die Vogelschützer hatten sie am frühen Sonntagmorgen in Buskett nahe eines Schutzgebietes abgestellt, um in der Umgebung Daten über den Vogelzug zu sammeln. Wenige Minuten später hörten sie eine Explosion. Die Fahrzeuge brannten vollständig aus. Nach Polizeiangaben handelte es sich um einen gezielten Brandanschlag, doch die Täter konnten bis heute nicht ermittelt werden.

Mit größter Spannung wurde daraufhin Anfang April erwartet, ob die umstrittene Frühjahrsjagd ein weiteres Mal eröffnet würde. Um die tatsächliche Situation vor Ort genauer zu überwachen und Verstöße zu dokumentieren, veranstalteten der NABU und BirdLife Malta vom 12. bis 29. April ein internationales Vogelschutzcamp in Xemxija, im Norden der Insel. Was sie zu sehen und zu hören bekamen, war schockierend. Obwohl Maltas Regierung erstmals zögerte, die Jagd auf Wachteln und Turteltauben zu eröffnen, fielen Schüsse wie eh und je: Die Teilnehmer des Camps zählten allein am Morgen des 14. April rund 500 Schüsse innerhalb von vier Stunden - und das an nur einem einzigen Beobachtungspunkt. Eines der Teams wurde unter anderem Zeuge, wie aus einer Gruppe von sieben Rotfußfalken sechs der Vögel herausgeschossen wurden. Den Campteilnehmern gelang es in mehreren Fällen, die Umweltpolizei A.L.E. (Administrative Law Enforcement), über illegale Abschüsse und Netzfänge zu informieren. Den daraufhin im Gelände gestellten Jägern drohen nun Strafverfahren und der Verlust ihrer Jagdlizenz. Dennoch bleiben solche Erfolge gemessen an der Gesamtzahl der auf Malta getöteten Zugvögel bislang nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach Einschätzung des NABU wird es möglicherweise noch eine ganze Generation dauern, bis sich anstelle der Jagd auf Zugvögel ihr Schutz vollständig durchgesetzt haben wird.

Die politischen Rahmenbedingungen könnten sich dagegen schon früher zum Besseren wenden. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg untersagte der Regierung Maltas am 25. April nun auch formell die Jagd auf heimwärts ziehende Vögel. Er hatte alle von Malta vorgelegten Argumente für eine Genehmigung der Frühjahrsjagd eingehend geprüft und für nicht ausreichend erklärt, um die Jagd während des laufenden Verfahrens zuzulassen. Damit steht die Frühjahrsjagd auf Turteltauben und Wachteln erstmals vor dem Aus. Der jahrelange Protest vieler Naturschutzverbände und Vogelfreunde hätte damit eines der wichtigsten politischen Ziele zum Schutz von Zugvögeln in der Mittelmeerregion erreicht. Auch die Überwachung und Dokumentation der Situation vor Ort wird im Frühjahr einfacher, denn jeder Schuss - egal welcher Vogelart er gilt - ist von nun an illegal.


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Malta ist durch seine zentrale Lage im Mittelmeer alljährlich ein Anziehungspunkt für Millionen Zugvögel. Hier rasten sie ein letztes Mal, bevor sie Kurs auf die afrikanische Küste oder ihre europäischen Brutgebiete nehmen. Doch noch immer werden hier offiziell insgesamt 39 Vogelarten bejagt, von denen viele in Mitteleuropa auf der Roten Liste stehen. Hinzu kommen unzählige illegal getötete Vögel, die eigentlich auch auf Malta ganzjährigen Schutz genießen. Wie eine Auswertung beringter Todfunde gezeigt hat, fallen den Jägern besonders viele Vögel aus Deutschland zum Opfer: Sie stehen an fünfter Stelle unter 38 Herkunftsländern, aus denen die getöteten Vögel stammen, darunter seltene Greifvögel wie Wespenbussarde, Rohrweihen und Fischadler, aber auch Pirole, Singdrosseln und andere Singvögel.

Nach Auffassung von NABU und BirdLife International verstoßen folgende derzeitige Jagdbestimmungen Maltas gegen die EU-Gesetzgebung:

Jagd auf Turteltauben und Wachteln vom 25. März bis 22. Mai und damit auch während des Frühjahrszuges;
Fang in Fallen und Netzen von Turteltaube, Wachtel, Singdrossel und Goldregenpfeifer vom 1. September bis 31. Januar sowie Turteltaube und Wachtel zusätzlich vom 25. März bis 22. Mai;
Bejagung vom Meer aus auf Saat- und Graugans, Mittelsäger, Marmelente, Moorente, Knäkente, Stockente, Schnatterente, Pfeifente, Reiherente, Spießente und Löffelente jeweils bis Ende Februar;
Fang von sieben Finkenarten im Frühjahr bis zum 10. April und damit Einbeziehung von ziehenden Vögeln. Dies war Malta im Rahmen der Beitrittsverhandlungen bis 2008 übergangsweise gestattet worden.

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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 6/2008
55. Jahrgang, Juni 2008, S. 230-231
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
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Erscheinungsweise: monatlich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2008