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JAGD/117: Massenfang von Rauchschwalben in Laos (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 10/2009

Massenfang von Rauchschwalben in Laos

Von Jens Hering


Noch heute enden alljährlich im laotischen Bergland abertausende Rauchschwalben in den Fallen professioneller Schwalbenfänger. Jeder Vogel, der die Provinz Xieng Khouang erfolgreich überfliegt, darf sich glücklich schätzen. Das dichte Netz von Fanganlagen mit ihren Lockvögeln bildet regelrecht eine Barriere für die auf dem Heimzug in die nördlichen Brutgebiete befindlichen Schwalben.


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Die Gegend um die Provinzhauptstadt Phonsavan zählt zweifelsohne zu den touristischen Highlights während einer Reise durch das südostasiatische Land Laos. In der sogenannten "Ebene der steinernen Tonkrüge" liegen Hunderte von gigantischen Steinkrügen, Ornamentsteine und Steingräber aus prähistorischer Zeit. So manche Touristengruppe bekommt hier aber auch noch eine andere "Besonderheit" geboten - den traditionellen Schwalbenfang. Wir hörten im September 2008 davon, dass nicht selten sogar eine Schwalbenmahlzeit mit auf dem Programm steht. Als Delikatesse der Region wird ein Gericht aus eingelegten, fermentierten Rauchschwalben mit saurer Chilipaste angepriesen.


Professionelle Fangmethoden

Zunächst wundert sich der Reisende auf der Fahrt nach Phonsavan über die vielen quadratischen roten Erdflecken, die sich oft wie ein Mosaik auf den weitgehend entwaldeten, landwirtschaftlich genutzten Hügeln hervorheben. Aus der Ferne hatte es für uns zunächst den Anschein, dass es sich um kleine Äcker handelt. Als dann aber ebenso in einer gewässerreichen Gegend derartige Strukturen die Ufer von Fischteichen säumten, wollten wir das Rätsel lösen. Die im Quadrat oder Rechteck, meist im Grünland freigelegten Flächen entpuppten sich als Fangplätze. In einer am Rand aufgestellten Hütte saß versteckt ein Schwalbenfänger, der auf einfallende Vögel wartete. Sobald sich mehrere Schwalben auf dem Erdflecken eingefunden hatten, betätigte er blitzschnell ein Schlagnetz. Angelockt wurden die Rauchschwalben entweder durch am Boden sitzende, festgebundene oder von in rings um die Anlage in Käfigen gehaltene Vögel. Manchmal bediente der Fänger aus seinem Versteck heraus gleichzeitig noch ein zweites Fanggerät. Auf einer langen, nach oben gerichteten Bambusstange saßen auf Seitenästen mehrere Lockvögel. Im Gegensatz zu den auf den am Boden befindlichen Schwalben wurden diese nicht an einem Bindfaden gehalten, hatten aber dafür zugenähte Augen. Bei den nun auf den Zweigen landenden Schwalben kam eine Leimrute zum Einsatz. Die angelockten Vögel wurden damit kurz an den Schwingen berührt und konnten dann aufgrund des verklebten Gefieders wehrlos abgesammelt werden.


Bis zu 500 Rauchschwalben an einem Tag

Wie viele Rauchschwalben (Laos ist als Durchzugs- und Überwinterungsgebiet für drei Unterarten Hirundo r. gutturalis, H. r. tytleri, H. r. rustica bekannt) jedes Jahr in der Hauptsaison, die sich von September bis Ende Oktober erstreckt, ihr Leben lassen, kann nur vermutet werden. In der Provinz Xieng Khouang, die im Osten an Vietnam, im Norden an Houaphan und im Süden an den Landesteil Vientiane grenzt, leben knapp 230.000 Einwohner. Wir erfuhren, dass hier noch heute fast jede Familie den auf einer sehr langen Tradition basierenden Schwalbenfang betreibt. Allein an einem Tag soll ein guter Fänger bis zu 500 Vögel erlegen können. Die dann auf die Märkte kommenden Schwalben werden für laotische Verhältnisse sehr teuer gehandelt. Der Preis für drei bis vier Schwalben liegt umgerechnet bei einem US-Dollar. Unsere Vermutung, dass diese Vögel in der heutigen Zeit nicht mehr zur Deckung des Proteinbedarfs der armen Landbevölkerung dienen, sondern vor allem der wohlhabenden Schicht als Delikatesse angeboten werden, wurde durch weitere Recherchen bestätigt. Vor allem die Hauptstadt Vientiane, aber auch andere Großstädte sollen die Hauptabnehmer sein.


Schwalbenfang ohne Anklage

Die seit einigen Jahren in Laos gültigen Gesetze, die die Vogeljagd und den Verkauf der Beute verbieten (s. FALKE 2003, H. 6), scheinen in Xieng Khouang außer Kraft gesetzt. Der Schwalbenfang wird in vollem Umfang toleriert und sogar in das touristische Geschäft eingebunden. Selbst einschlägige Reiseführer erwähnen diese "Sehenswürdigkeit" ohne ein Wort der Kritik. Dass dieser aus Artenschutzgründen unerträgliche Zustand bis heute kein öffentliches Gehör gefunden hat, ist nur schwer nachvollziehbar. Es bedarf dringend aktueller Recherchen zum wirklichen Ausmaß der Fangaktivitäten und natürlich der Suche nach Alternativen für die vom Fang existenziell abhängige Landbevölkerung. Es wäre wünschenswert, wenn letztendlich in Laos ähnliche Erfolge zum Schutz der Rauchschwalbe erzielt werden könnten, wie auf dem Nachbarkontinent in Südostnigeria. DER FALKE berichtete 1999 in Heft 6 ausführlich über den dort weitgehend gestoppten Massenfang.


Literatur zum Thema:

Hinkelmann, C. (2003): Nach einem halben Jahrhundert wieder Informationen: Vögel in Laos. Falke 50: 165-170.

Loske, K.-H. (1996): Ein wichtiger Schlafplatz europäischer Rauchschwalben Hirundo rustica in Nigeria und seine Bedrohung. Limicola 10: 42-48.

Loske, K.-H. (1999): Massenfang in Nigeria gestoppt: Schweine für Rauchschwalben. Falke 46: 174-178.


Jens Hering arbeitet seit 1992 in der sächsischen Naturschutzverwaltung. Der leidenschaftliche Vogelbeobachter ist Mitglied der Avifaunistischen Kommission Sachsen und verwaltet in seiner Freizeit die Bibliothek des Vereins Sächsischer Ornithologen. Seine Auslandsreisen sind v. a. gezielt auf die Erforschung der Vogelwelt Libyens, der Azoren und Kapverden ausgerichtet.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Die in der gebirgigen Provinz Xieng Khouang für den Schwalbenfang hergerichteten offenen Erdflecken sind weithin sichtbar.
- Auch in Teichgebieten wurden viele Fangplätze angelegt. Der Erfolg scheint hier aufgrund des Insektenreichtums besonders groß zu sein.
- Schwalbenfänger an seinem Fangplatz.
- Von einem Versteck aus wird das Schlagnetz bedient. Gleichzeitig ist oft noch eine Leimrute im Einsatz.
- Das Gesetz, das die Vogeljagd in Laos verbietet, scheint fern der Anwendung. Ganz offen wird mit lebenden und toten Wildvögeln gehandelt
  - im Bild Zimtdommel, Kappenpitta und Spießbekassine.
- Den auf den Bambusstangen sitzenden Lockvögeln werden die Augen zugenäht.
- Auf einem Markt in Phonsavan werden eingelegte, fermentierte Rauchschwalben angeboten.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 10/2009
56. Jahrgang, Oktober 2009, S. 389 - 391
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2009