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KOMMERZ/155: Schluß mit Kastratenburgern! (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03 / 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

McDonald's und Burger King erklären:
Schluss mit Kastratenburgern!

Von Sabine Ohm, Europareferentin


Im Juli 2008 startete PROVIEH seine Kampagne zur vollständigen Abschaffung der Ferkelkastration in Deutschland. Unterstützung erhielten wir von unserer niederländischen Partnerorganisation Wakker Dier. Die Arbeit begann hinter den Kulissen der Öffentlichkeit.

Erst einmal musste das Problembewusstsein geschaffen werden, denn die gängige Praktik der betäubungslosen Kastration junger Ferkel wurde mit Mythen begründet und kaum hinterfragt. Es hieß, im Sinne des Verbraucherschutzes sei die mögliche Entwicklung von Ebergeruch um jeden Preis zu vermeiden, für die Kastration gebe es keine Alternative und Ferkel im Alter von wenigen Tagen seien kaum schmerzempfindlich, obwohl wissenschaftlich das Gegenteil erwiesen wurde. Die Vorteile der Ebermast wurden nicht einmal erwähnt. Zu den Vorteilen gehört, dass Eber bessere Futterverwerter sind und mehr Muskelfleisch und weniger Fett ansetzen als ihre kastrierten Artgenossen. Nach Überwindung der Mythen steht der Abschaffung der Kastration als überflüssiger Tierquälerei nichts mehr im Wege.

Durch gezielte Briefaktionen rüttelten wir alle relevanten Akteure im Schweinesektor auf, darunter die Bauern-, Züchter- und Mastverbände, Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe, die Lebensmittelindustrie und den Lebensmitteleinzelhandel. Sehr bald kam es zu diskreten, konstruktiven und intensiven Gesprächen mit verhandlungsbereiten Unternehmen und Verbänden.

Einen ersten Durchbruch stellte die Düsseldorfer Erklärung vom 29. September 2008 dar: Während der Deutsche Tierschutzbund noch auf Kastration unter Isofluranbetäubung setzte, erklärten der Deutsche Bauernverband (DBV), der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) und der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) die endgültige Abschaffung der Ferkelkastration zu ihrem Ziel, ohne jedoch einen Zeitrahmen verbindlich anzugeben. Immerhin wurde unter dem Siegel QS (Qualität und Sicherheit) die Pflicht zur postoperativen Schmerzbehandlung ab dem 1. April 2009 eingeführt. Kastriert wird bei QS allerdings nach wie vor ohne Betäubung.

Für PROVIEH reichte dieser erste schwächliche QS-Schritt nicht. Noch immer ohne öffentlichen Kampagnendruck verhandelten wir weiter, um einzelne Unternehmen als Vorreiter zum Ausstieg aus dem Verkauf von Kastratenfleisch und zur verbindlichen Bekanntgabe des Ausstiegsdatums zu bewegen. Als die Unternehmen nicht reagierten, erhöhten wir schrittweise den Kampagnendruck. Im Juni 2009 ließen wir Radiospots in München ausstrahlen, wo die Zentralen von McDonald's und Burger King liegen, ab Mitte Juli wurden Tausende Postkarten mit dem "Kastratenburger" vor den Fastfood-Lokalen verteilt und bundesweit Briefe an die Filialleiter überreicht. Bei dieser Aktion halfen zahlreiche aktive PROVIEH-Mitglieder in ganz Deutschland, denen wir an dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön sagen. Die Aktion wirkte. Keine zwei Wochen später, am 29. Juli 2009, ließen beide Unternehmen in kurzer Folge per Pressemitteilung verlauten, dass sie baldmöglichst, spätestens aber ab 1. Januar 2011, vollständig aus dem Verkauf von Kastratenfleisch aussteigen werden. Es gibt jetzt schon viele Bauern, die in Deutschland mit Erfolg Eber mästen. Falls aber nicht der gesamte Bedarf aus deutschen Schlachtungen bis zum Ausstiegsdatum gedeckt werden könne, solle Eberfleisch importiert werden, kündigten McDonald's und Burger King unisono an.

Wir freuen uns über diesen wichtigen ersten Schritt. "Der Damm bricht. Die Ebermast wird kommen." So lautet jetzt das Fazit von Prof. Wolfgang Branscheid vom Max-Rubner-Institut in einem Gastkommentar erst für die Zeitschrift "Fleischwirtschaft" 6/2009 und dann gleichlautend am 5. August 2009 für die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISD). Er jammert nur noch über Problemchen wie das, dass Eber und Kastraten (Börge) nicht mit derselben Schätzformel klassifiziert werden können. Eine neue amtliche Schätzformel sei aber in Sicht. Dazu kann er beitragen, denn er selbst leitet schon einen Zerlegeversuch und müsste hierfür nur einige Dutzend Eber einbeziehen. Worauf wartet er noch?

Mit ungebrochenem Elan werden wir unterdessen auf weitere Ausstiegserklärungen hinarbeiten, z.B. von Lebensmittelherstellern und Einzelhandelsketten. Unsere Kampagne läuft!


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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03/2009, Seite 26-27
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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Telefax: 0431/248 28-29
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2009