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POLITIK/605: Klonen zur Nahrungsmittelerzeugung nicht vom Tisch (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN, Ausgabe 04/2010
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Klonen zur Nahrungsmittelerzeugung nicht vom Tisch

Von Sabine Ohm


Die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher wollen keine Klonerzeugnisse auf ihren Tellern. Sie finden diese angebliche "Segnung der Technik" für die Lebensmittelproduktion abstoßend, widernatürlich und wegen des unumstrittenen und unsäglichen Leids der Klone und ihrer Ersatzmütter ethisch sehr bedenklich.


Die EU-Lebensmittelaufsichtsbehörde (EFSA) hat 2008 bestätigt, dass die weitaus meisten Klone schon in der Trächtigkeitsphase oder - bald nach der Geburt - an Herz-Kreislaufversagen, Atemwegsproblemen, Leber- oder Nierenversagen, Immunsystemstörungen oder Missbildungen sterben. Da die Klonembryonen im Ersatzmutterleib oft eine unnatürliche Größe erreichen, werden sie bei Kühen überdurchschnittlich oft durch Kaiserschnitt geboren. Daher verurteilt der "Europäische Ethikrat für Wissenschaft und neue Technologien" (EGE) das Klonen mit den Worten: "In Anbetracht des derzeit durch das Klonen hervorgerufenen Tierleids und der Gesundheitsbeeinträchtigungen der Ersatzmütter sowie der geklonten Tiere hegt der EGE Zweifel, ob das Klonen von Tieren zur Nahrungsmittelerzeugung ethisch gerechtfertigt ist." Er sehe auch "keine überzeugenden Argumente für die Rechtfertigung der Nahrungserzeugung aus Klonen und ihren Nachkommen".

Dieser Sicht schlossen sich die Abgeordneten des Europäischen Parlaments (EP) an und weigerten sich in zwei Lesungen, dem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Vermarktung von Klonerzeugnissen zuzustimmen. Trotzdem beharrt die EU-Exekutive unter dem neoliberalen José Manuel Barroso im Kern weiterhin auf ihrer Position und schlug am 12. Oktober 2010 ein fünfjähriges Moratorium für die Vermarktung von Klontieren und deren Erzeugnissen vor, nicht aber für die Vermarktung von Erzeugnissen, die von Nachkommen von Klontieren stammen. In der Zeit des Moratoriums solle ein separates Gesetz über das Klonen von Nutztieren ausgearbeitet werden.

Gegen ein solches Gesetz ist nichts einzuwenden, doch das vorgeschlagene Moratorium stellt nur einen faulen Scheinkompromiss zu Gunsten der Klonindustrie dar. Denn wegen der hohen Verlustraten werden Klontiere - bisher vor allem in den USA - nicht zur Erzeugung von Nahrungsmitteln, sondern zur "Erzeugung" von Kühen mit noch höherer Milchleistung und Schweinen mit noch höherer Mastleistung eingesetzt. So wird das Klonen trotz hoher Sterblichkeitsraten rentabel, und die Nachkommen geklonter Tiere gelten trotz künstlicher Besamung als natürlich gezeugt, so dass ihre Erzeugnisse ganz legal und grenzenlos vermarktet werden können.

Im Vereinigten Königreich tauchten in diesem Sommer prompt schon mehrere Milchkühe auf, die Nachkommen von Klontieren waren und deren Milch und Fleisch unetikettiert in den Handel und von dort auf den Tisch ahnungsloser Verbraucher gelangten. Auf Anfrage des EP bestätigte die Kommission, derzeit über keine Informationen oder Kontrollen über Erzeugnisse zu verfügen, die von Klonnachkommen stammen und in der EU bereits vermarktet wurden. Die EFSA behauptet, der Verzehr dieser Erzeugnisse gefährde nicht die Gesundheit, aber so etwas sagt sie auch in anderen Fällen, selbst wenn in diesen unabhängige Studien an Versuchstieren das Gegenteil nahelegten. Ganz abgesehen davon: Wo bleiben beim Klonen Ethik, Moral und Verbraucherwünsche? Mal wieder auf der Strecke!

Bisher findet das Klonen als Mittel zur "Effizienzsteigerung" von Nutztieren in einem gesetzlichen Vakuum statt. Aber bereits die traditionelle Qualzucht hat zu erheblichen Gesundheitsbelastungen und Leiden geführt, z.B. zu gehäuften Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Euterentzündungen. Durch das Klonen würden solche Probleme nur verschärft werden. Dennoch weiß die Kommission den Ministerrat auf ihrer Seite, der bisher auf eine liberale Regelung drang. Offenbar scheut die EU eine mögliche Konfrontation mit den USA in der Welthandelsorganisation und stemmt sich deshalb gegen mehr Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutz in Europa.

In Briefen hat PROVIEH den Bundestag, alle zuständigen Minister und die EU-Kommissare aufgefordert, ihre Position zum Klonen zu überdenken. Denn das Klonen zur Nahrungsmittelerzeugung ist überflüssig, tierquälerisch und unmoralisch und wirkt - anders als im laufenden "Internationalen Jahr der Biodiversität" beschworen - sogar gegen den Erhalt der Artenvielfalt und der genetischen Vielfalt der Rassen. Falls auch Sie aktiv werden wollen, können Sie z.B. an den Abgeordneten in ihrem Wahlkreis oder den im Rat abstimmungsbefugten Umweltminister Norbert Röttgen schreiben.

Modellschreiben können Sie unter http://www.provieh.de/s3426.html abrufen.


Sabine Ohm, Europareferentin


INFOBOX

Beim Klonen wird eine exakte genetische Kopie von einem Tier erzeugt, z.B. von einer Hochleistungskuh oder einer Sau mit hoher Wurfzahl. Durch das Klonen entsteht viel Tierleid: Geklonte Tiere sterben oft früh durch krankhafte Missbildungen, Herzversagen, Atemwegsprobleme oder andere abnorme Erscheinungen. Es verschärft die Auswüchse der Qualzucht. Deshalb sollten das Klonen, der Import von Klontieren und ihren Nachkommen sowie ihren Erzeugnissen ganz verboten werden, wie vom Europäischen Parlament gefordert!


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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN, Ausgabe 04/2010, S. 34-35
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2011