Magazin tierrechte - Ausgabe 3/2018
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V
Alternativlos: Tierschutz wirksam durchsetzen
von Dr. Christiane Baumgartl-Simons
Trotz Staatsziel Tierschutz und einem umfangreichen Tierschutzrecht schützt unser Rechtsstaat die Tiere nicht zuverlässig. Fast täglich erfahren wir von Tiermisshandlungen, die auf ein schlecht funktionierendes Vollzugssystem zurückzuführen sind. Zu Recht empört sich die Zivilgesellschaft über dieses Tierleid. Doch die Politik, maßgebliche Urheberin des maroden Tierschutzsystems, drückt sich vor ihrer Sanierungsaufgabe.
Die Systemkritik kommt inzwischen sogar aus den eigenen Reihen:
Die Veterinärämter können den tierschutzrechtlichen Vollzug nicht mehr
gewährleisten. Im September haben Amtstierärzte - die maßgeblichen
Garanten für die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften - ein
umfangreiches Beschluss- und Forderungspapier auf dem Deutschen
Tierärztetag in Dresden verabschiedet (siehe Info-Kasten).
Wir, Menschen für Tierrechte, setzen dem Wegducken der Politik eine Null-Toleranz-Strategie entgegen und rufen die Zivilgesellschaft auf, ein leistungsstarkes Tierschutzsystem einzufordern.
Grundsätzlich gilt folgende Zweiteilung: Die gesetzgebende Gewalt (Legislative) liegt beim Bundestag. Er ist zuständig für das Tierschutzrecht und verabschiedet Gesetze und Verordnungen (z.B. Tierschutzgesetz, Nutztierhaltungsverordnung). Die 16 Länder sind bei der Gesetzgebung über den Bundesrat eingebunden. Für den tierschutzrechtlichen Vollzug (Exekutive) sind die Bundesländer zuständig. Mit der Überwachung der Bestimmungen sind die Veterinärämter der Landkreise und kreisfreien Städte beauftragt.
Nur bei der Genehmigung von Tierversuchen sind Regierungspräsidien (z.B. Hessen), Landesuntersuchungsämter (z.B. Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen) oder Ministerien (z.B. Schleswig-Holstein) beteiligt. Die Überwachung der laufenden Tierexperimente übernehmen dann wieder die Veterinärämter. Theoretisch könnte alles gut funktionieren.
Doch Theorie und Praxis klaffen auseinander. Grundübel ist die personelle Unterbesetzung. Erschwerend kommt hinzu, dass spezifische Fachkenntnisse in den Ämtern zu oft fehlen. Kein Wunder bei den breitgefächerten Aufgaben und einem skandalös unterentwickelten Weiterbildungsprogramm. Unklare und nicht gerichtsfeste Rechtsformulierungen sorgen außerdem dafür, dass der Tierschutz vor Stall, Labor oder Wohnung haltmacht. Denn welcher Amtstierarzt riskiert bei unsicherer Rechtssituation eine gerichtliche Niederlage und hohe Gerichtskosten seines Arbeitgebers, sollte der Tierhalter gegen die Tierschutzauflagen des Veterinärs erfolgreich klagen? Die Veterinäre sind allein dem Rechtsstaat verpflichtet. Sollte der Dienstvorgesetzte (z.B. Landrat) anordnen, Tierschutzrecht nicht oder nur unvollständig durchzusetzen, so ist der Beamte verpflichtet, seinen Dienstvorgesetzen um ein Überdenken der Anordnung zu ersuchen (Remonstrationspflicht). Bleibt die Anordnung dennoch bestehen, so muss der Veterinär diese befolgen. Zwar ist er von seiner persönlichen Verantwortung zur Durchsetzung des Tierschutzrechts befreit. Doch Schutz vor negativen Auswirkungen auf seine berufliche Karriere gibt es nicht.
Ein umfangreiches Forderungspapier des Deutschen Tierärztetags vom September 2018 verlangt von Bundesregierung, Ländern und Kommunen funktionierende Lösungen für erkannte Schwierigkeiten im Aufgabenbereich der Amtstierärzte*. Hier lesen Sie einen Auszug:
1. Forderung zur personellen und technischen Ausstattung sowie zur
Arbeitssicherheit
- Erstellen länderübergreifender, verbindlicher Leitlinien für die
gesamte personelle Ausstattung der Veterinär- sowie
Lebensmittelüberwachungsämter und der Untersuchungsämter; Komplette
Finanzierung von den Ländern.
- Vorhalten von Spezialisten. Insbesondere für den Tierschutzbereich
muss die Möglichkeit geschaffen werden, z.B. praktizierende Tierärzte
für Bestandsüberprüfungen hinzuzuziehen.
2. Forderung zur Fort- und Weiterbildung
- Bund, Länder und Kommunen sollen für ein ausreichendes
Fortbildungsangebot für Amtstierärzte sorgen und ihnen die Teilnahme
daran in ausreichendem Umfang ermöglichen.
3. Forderungen zur Rechtssetzung
- Anpassungen von Rechts- und Verwaltungsvorschriften (z.B. Ergänzung
der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, Anpassung der Allgemeinen
Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Tierschutzgesetzes)
- Landkreistag und Städtetag sind als beratende Mitglieder in die
Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) zu berufen, um die
Umsetzbarkeit von Beschlüssen im Vollzug zu verbessern.
*
Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 3/2018, S. 12
Menschen für Tierrechte
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E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2019
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