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QUAL/073: Umwelt - Leidvolles Gänseleben, Naturschützer geben Einblick in Foie Gras-Farmen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2012

Umwelt: Leidvolles Gänseleben - Naturschützer geben Einblick in Foie Gras-Farmen

von Carlota Cortes


Zwangsfütterung von Gänsen auf einer Foie Gras-Farm in Katalonien, Spanien - Foto: © Animal Equality

Zwangsfütterung von Gänsen auf einer Foie Gras-Farm in Katalonien, Spanien
Foto: © Animal Equality

New York, 6. August (IPS) - Gebratenes Gänseleberfilet, abgeschmeckt mit frischen Kastanien und Sojamilchhaut. Dieses Gericht wird im 'Mugaritz' im spanischen Errenteria serviert, das als drittbester Gourmettempel der Welt gilt. Die wenigsten Gäste werden wahrscheinlich daran denken, unter welchen Umständen die teure Delikatesse hergestellt wird. Ein Bericht der Tierschutzorganisation 'Animal Equality' zeigt auf, welche Qualen die Gänse und Enten dafür erleiden müssen.

Untersucht wurden sechs Zuchtbetriebe in Spanien und vier in Frankreich. Aktivisten der Organisation führten ab Juli 2011 Interviews in den Unternehmen, ohne den eigentlichen Zweck ihrer Mission zu enthüllen. Sie drehten auch Videos und machten Fotos. "Die Farmbetreiber wollten das, was sie tun, geheim halten, weil die Tiere durch die Verfettung der Leber so leiden müssen", sagte Sharon Nuñez, die Generalkoordinatorin von Animal Equality. Die Mitglieder der Organisation hätten Interesse für die Unternehmen gezeigt, für alle sichtbar gefilmt und somit nichts Illegales getan.

Das Komitee der Europäischen Kommission für den Schutz von Farmtieren hat Empfehlungen zu einer artgerechten Haltung von Enten und Gänsen ausgegeben. Die 1999 von Europäischen Rat angenommenen Richtlinien beziehen sich auf Gesundheitszustand und Verhalten der Tiere.

Aus Artikel 7 des Dokuments geht beispielsweise hervor, dass ein gesunder Vogel seinem Alter gemäß aussieht und sich entsprechend verhält. Zu den Kennzeichen gehörten etwa klare Augen, gesundes Gefieder und eine aktive Futteraufnahme. Die Tiere müssten zudem genug Platz haben, um ohne Schwierigkeiten mit den Flügeln schlagen und sich umdrehen zu können.


Vögel zu dick oder in zu kleinen Käfigen

Eines der Videos von Animal Equality belegt jedoch, dass diese Voraussetzungen in den untersuchten Farmen nicht gegeben sind. Einige der Vögel tunkten ihre Köpfe in Wasserbehälter und waren nicht in der Lage, sich zu wenden, weil sie entweder zu dick waren oder in zu kleinen Käfigen steckten.

Frederic Vincent, ein Sprecher der Europäischen Kommission, erklärte gegenüber IPS, dass die Produktion von Stopfleber nur dort erfolgen solle, wo sie bereits gewohnte Praxis sei, bis es neue wissenschaftliche Erkenntnisse über alternative Methoden gebe. In jedem Fall müssten die in dem jeweiligen Land geltenden Gesetze beachtet werden.

Da viele Zuchtfarmen offensichtlich gegen die Auflagen verstoßen, nahm die Europäische Kommission im vergangenen Januar eine neue Strategie an, die einer wirksamen Umsetzung der Regeln hohe Priorität einräumt. Wie Vincent hervorhebt, wird die Herstellung der Fettleber weiterhin generell als legal betrachtet, doch sind die Länder angehalten, die Foie Gras-Produktion nur unter gewissen Voraussetzungen zuzulassen.

Zurzeit wird die in Gourmetkreisen hoch geschätzte Spezialität vorwiegend in fünf Ländern hergestellt: Frankreich, Spanien, Bulgarien, Ungarn und Belgien. Der größte Produzent Frankreich brachte 2011 etwa 20.000 Tonnen auf den Markt, wie aus einem Bericht des Agrarministeriums in Paris hervorgeht.

In den USA wird über die Streitfrage seit Anfang Juli öffentlich debattiert, nachdem der 'Animal Legal Defence Fund' eine Klage eingereicht hatte. Die Tierschutzvereinigung argumentiert, dass Enten und Gänse derart gemästet würden, dass ihre Leber bis auf das Zehnfache der normalen Größe anschwelle.

"Dabei ist es doch ein simple Feststellung, dass nur gesunde Tiere auch ein gesundes Nahrungsmittel sind", sagte Carter Dillard, der in der Rechtsabteilung der Organisation tätig ist. Die Betriebe seien dazu bereit, die Tiere zu "foltern", nur um ihnen einen besseren Geschmack zu geben. "Das ist wirklich barbarisch", erklärte er.

In den USA sind nach der Schließung einer Farm in Kalifornien nur noch zwei solcher Zuchteinrichtungen in Betrieb. Die 'La Belle Farm' und 'Hudson Valley Foie Gras' befinden sich beide im Bundesstaat New York.


"Inhumane Zwangsernährung"

Paul Shapiro, der Vizepräsident der Organisation 'Humane Society' bezeichnete es als "wichtigen Schritt nach vorn", dass Kalifornien bei der Vermarktung dieses auf brutale Weise erzeugten Produkts nun außen vor sei. Je mehr die Amerikaner über die "inhumane Zwangsernährung" erführen, umso größer werde das Entsetzen sein.

Die 'Artisan Farmers Alliance', die die Produzenten von Stopfleber in den USA vertritt, geht indes aktiv gegen das Verbot in Kalifornien an. Die Vereinigung unterstützt eine Klage gegen den Staat vor einem Bundesgericht, die von mehreren Produzenten eingereicht wurde.

Die Humane Society kämpft hingegen dafür, dass das Verbot in Kalifornien bestehen bleibt. Am 18. Juli entschied der zuständige Richter, dass das Gesetz für die Dauer des Verfahrens in Kraft bleiben werde. Der Kongressabgeordnete Steve King brachte eine Ergänzung zu der 'Farm Bill' von 2012 ein, der zufolge die Bundesstaaten keine eigenen Standards bei Agrarprodukten anlegen dürfen, die aus anderen Staaten importiert werden.

Laut Marcus Henley von der Artisan Farmers Alliance hätte Kalifornien demnach kein Recht, einem Geflügelzüchter in New York oder Iowa zu verbieten, seine Erzeugnisse zu verkaufen, wenn sie legal nach föderalen Richtlinien hergestellt worden seien.

Während die Diskussion weitergeht, wollen die Liebhaber von Stopfleber in Kalifornien offensichtlich nicht auf den Genuss der Delikatesse verzichten. So gibt es Hinweise darauf, dass die Innereien auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.foiegrasfarms.org/
http://vimeo.com/45216589
http://www.coe.int/t/e/legal_affairs/legal_co-operation/biological_safety_and_use_of_animals/farming/Rec%20Muscovy%20ducks%20E%201999.asp
http://ec.europa.eu/food/animal/welfare/actionplan/actionplan_en.htm
http://www.aldf.org/
http://www.humanesociety.org/
http://www.ipsnews.net/2012/08/investigation-exposes-cruelty-at-foie-gras-farms/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2012