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QUAL/077: Indien - Tierkämpfe erzürnen Tierschützer, religiöse Traditionen dominieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Januar 2013

Indien: Tierkämpfe erzürnen Tierschützer - Religiöse Traditionen dominieren

von Ranjita Biswas


Bild: © Pitamber Newar/IPS

Tausende Zuschauer bei blutigem Büffelkampf im indischen Bundesstaat Assam
Bild: © Pitamber Newar/IPS

Guwahati, Indien, 15. Januar (IPS) - Der Januar ist ein ereignisreicher Monat für die Einwohner von Hajo, einer kleinen Stadt im ostindischen Bundesstaat Assam. Tausende Menschen kommen dort zusammen, um sich die traditionellen Schaukämpfe zwischen Rotbauch-Bülbüls aus nächster Nähe anzusehen. Der Bülbül ist ein Singvogel, der auf dem Subkontinent häufig anzutreffen ist.

Das blutige Gemetzel zwischen den Vögeln ist Teil des Erntedankfestes 'Magh Bihu', das Mitte Januar mit gemeinsamen Essen und viel Unterhaltung begangen wird. Die Bülbül-Kämpfe werden in dem 30 Kilometer von Assams Hauptstadt Guwahati entfernten Ort von dem hinduistischen Tempelkomitee organisiert. Dabei sind in Indien solche Tierkämpfe längst gesetzlich verboten.

Tierschützer laufen gegen diese Tradition Sturm. "Wir versuchen seit Jahren, diese grausame Praxis zu beenden. Die Leute halten unsere Reaktionen auf die Spektakel jedoch für übertrieben", erklärt Sangeeta Goswami, die Vorsitzende der Umweltgruppe 'People for Animals' (PFA). "Die Spiele kann man nicht anders als gnadenlos nennen."

Im ländlichen Bezirk Nagaon werden Büffel aufeinander losgelassen. Die PFA hat auch gegen diese Kämpfe in den Orten wie Ahatguri, Jamunamukh und Morigaon Kampagnen durchgeführt. Oftmals werden die Tiere bei den Kämpfen getötet oder zumindest verletzt.


Tierschützer finden keinen Rechtsbeistand

Bisher hatte die Organisation allerdings nur wenig Erfolg. "Wir haben uns um Anwälte bemüht, um vor Gericht zu klagen, aber niemand wollte uns helfen", berichtet Goswami. Die Menschen in der Region seien davon überzeugt, dass die Büffel "verrückt" würden, wenn sie nicht gegeneinander kämpfen könnten. Die Bauern seien der Meinung, dass die Tiere sich erst abreagieren müssten, um wieder auf dem Feld zum Pflügen eingesetzt werden zu können.

Die aufeinander gehetzten Vögel werden nach Angaben Einheimischer bereits Ende September gefangen, in Bambuskäfigen gehalten und mit einem Gemisch aus Kräutern, Wildbananen und Drogen gefüttert. Ihre 'Besitzer' richten sie dann für den Kampf ab. Die Trainer gehören zwei rivalisierenden Clans an, den 'Bharali-tola' und den 'Sonari-tola'. Diejenigen, deren Tiere den Kampf gewinnen, werden als 'Helden' geehrt und erhalten ein Preisgeld. Wie Bewohner von Hajo berichten, steigt die Summe jedes Jahr weiter an.

Ein Bauer im Ort erzählt, dass er zwar gegen die Kämpfe sei, sich aber nicht traue, sie öffentlich zu verurteilen. Er habe Angst ausgegrenzt zu werden, weil er sich mit seiner Kritik gegen eine religiöse Tradition stellen würde.


Kämpfe gehen bis ins 13. Jahrhundert zurück

Die Befürworter argumentieren, dass die Tierkämpfe auf die Zeit von König Rudra Singha zurückgehen. Der Monarch soll vom Kampf zweier Bülbüls bei einem Besuch des Hayagriba-Tempels während einer Pilgerreise zutiefst beeindruckt gewesen sein.

Rudra Singha gilt als der mächtigste König der Ahom-Dynastie. Die Herrscher, die ursprünglich aus der Provinz Shan im heutigen Myanmar stammten, regierten Assam ab 1228 für rund 600 Jahre. Diese Zeit ist als 'goldene Periode' in die Geschichte des Brahmaputra-Tals eingegangen. Tierkämpfe waren damals eine beliebte Unterhaltung für das Volk.

In Sivasagar, der Hauptstadt des Königreiches, wurde der Sportkomplex Rang-Ghar gebaut, wo sich Angehörige der Herrscherfamilie und andere Adelige unter anderem Kämpfe zwischen Büffeln, Hähnen und Bülbüls anschauten.

Die Organisatoren der Veranstaltungen in Hajo versichern, dass die überlebenden Vögel freigelassen werden. Die Tierschützer geben sich damit aber nicht zufrieden. "Wie soll man wissen, ob die Vögel nach solch einer traumatischen Erfahrung wieder in der Natur zurechtkommen und von ihrem Schwarm aufgenommen werden? fragt sich Goswami.

Sie wirft den Behörden vor, nur zögerlich gegen diese jahrhundertealten Traditionen anzugehen. Solange Menschen vor Ort nicht gemeinsam versuchten, andere für das Leid der Tiere zu sensibilisieren, werde sich wohl kaum etwas verändern. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.peopleforanimalsindia.org/
http://www.ipsnews.net/2013/01/bloody-entertainment-draws-thousands/

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IPS-Tagesdienst vom 15. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2013