Schattenblick → INFOPOOL → TIERE → TIERSCHUTZ


SCHLACHTEN/074: "Nein zur Schlachtung trächtiger Kühe!" (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2015
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

"Nein zur Schlachtung trächtiger Kühe!"

Von Stefanie Pöpken und Kathrin Kofent


Rund zehn Prozent der weiblichen Rinder, die in Deutschland geschlachtet werden, sind trächtig, überwiegend in einem fortgeschrittenen Trächtigkeitsstadium. Pro Jahr sind dies in etwa 180.000 Tiere. Das geht aus der Studie "Schlachtung gravider Rinder - Aspekte der Ethik und des gesundheitlichen Verbraucherschutzes" (2009) hervor, in der die Tiermedizinerin Prof. Dr. Katharina Riehn die Daten aus deutschen Schlachtbetrieben ausgewertet hat. Beim üblichen Schlachtvorgang wird nur die Mutter mittels Bolzenschuss betäubt. Die ungeborenen Kälber ersticken oder ertrinken währenddessen qualvoll in der Uterusflüssigkeit. Qualvoll deshalb, weil der Todeskampf viele Minuten dauern kann. Wird das Kalb noch rechtzeitig aus der betäubten Mutter herausgenommen und überlebt, muss es dennoch getötet werden, weil aus Hygieneschutzgründen kein Tier einen Schlachthof lebend verlassen darf. Das gilt auch für alle Kälber, die auf dem Weg der Kuh zum Schlachthof oder dortselbst geboren werden. Diese Tötungen erschüttern die Psyche nicht nur von Tierschützern, sondern auch von Schlachthofarbeitern, wie uns authentisch berichtet wurde.


Wege zum Schutz von ungeborenen Lebewesen

Kühe, Schweine und andere Säugetiere dürfen bisher in jedem Trächtigkeitszustand zur Schlachtung gebracht werden, denn rein rechtlich gilt ein Ungeborenes nur als ein Stück Eingeweide des Muttertieres. Die Tierschutztransportverordnung verbietet jedoch den Transport von hochtragenden Rindern, die sich im letzten Zehntel der errechneten Trächtigkeit befinden. PROVIEH setzt sich deshalb für eine gesetzliche Regelung ein, die die Schlachtung tragender Kühe ab Beginn des letzten Trächtigkeitsdrittels generell verbietet, und so auch ungeborene Kälber schützt. "Schluss mit der Schlachtung trächtiger Rinder!" Das forderte die Bundestierärztekammer am 26. März 2014, und das tun andere Organisationen auch.

Aus Sicht von PROVIEH ist hierfür nötig, dass das deutsche Tierschutzgesetz dahingehend verändert wird, dass nicht nur Tiere, sondern auch Föten als unsere Mitgeschöpfe bezeichnet werden. Als Föten gelten Ungeborene, die schon Schmerz fühlen und auf Außenreize reagieren können, in dieser Hinsicht also schon weiter fortgeschritten sind als Embryonen. Erst wenn das Tierschutzgesetz wie gefordert verändert wird, könnte die Schlachtung (nicht aber die Notschlachtung hochtragender Tiere) einen Gesetzesbruch bedeuten, der juristisch geahndet werden kann und muss. Erforderlich wäre dann allerdings auch die schriftliche Bestätigung eines Tierhalters, ob seine zur Schlachtung abgelieferten weiblichen Tiere tragend sind, und wenn ja, in welchem Trächtigkeitsstadium sie sich befinden. Das kann der Hoftierarzt anhand der Hofpapiere leicht herausfinden. PROVIEH drängt außerdem auf eine EU-weite Regelung, damit trächtige Tiere nicht in andere Länder zur Schlachtung transportiert werden können.

Seit Februar 2015 läuft seitens Prof. Dr. Katharina Riehn (Universität Hamburg) in Kooperation mit der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Ernst Lücker (Universität Leipzig) eine zweijährige Studie zur Ermittlung genauerer Zahlen von Rindern, Schafen, Ziegen und Sauen, die in unterschiedlichem Trächtigkeitszustand zur Schlachtung kommen. Ziel ist, durch diese Studie eindeutige Handlungs- und Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Situation herauszufiltern.

Zeitnah bleibt als Ausweg die freiwillige Selbstverpflichtung aller Beteiligten. In diesem Sinne entstand der "Landeskodex Schleswig-Holstein", in dem sich die Unterzeichner freiwillig verpflichten, tragende Rinder ab dem letzten Trächtigkeitsdrittel nicht mehr zu schlachten. PROVIEH war als Mitglied der "AG Rinderhaltung" am Runden Tisch "Tierschutz in der Nutztierhaltung in Schleswig-Holstein" an der Ausgestaltung des Landeskodex beteiligt (siehe PROVIEH Magazin 1/2015). Noch gibt es den Kodex nur in Schleswig-Holstein, doch PROVIEH setzt sich für einen entsprechenden Kodex, auch in anderen Bundesländern aktiv ein.

Weitere Informationen und Hintergründe sowie zahlreiche Quellenangaben finden Sie im Aufsatz "Das Schlachten trächtiger Tiere. Ein drängendes, bislang kaum wahrgenommenes Problem", den der Vorstandsvorsitzende von PROVIEH, Prof. Sievert Lorenzen, für den Kritischen Agrarbericht 2015 geschrieben hat.


Sie finden den Aufsatz von Prof. Lorenzen im Kritischen Agrarbericht unter Kapitel 8 "Tierschutz und Tierhaltung" oder unter dieser Internet-Adresse:
www.kritischer-agrarbericht.de/index.php?id=346

*

Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2015, Seite 8-9
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.
Schutzgebühr: 2 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang