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TRANSPORT/116: Stoppt die Lebendtierexporte! (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Stoppt die Lebendtierexporte!

Von Sabine Ohm



Aus der Europäischen Union (EU) werden jedes Jahr hunderttausende lebende Wiederkäuer (Kühe, Schafe und Ziegen) in die Türkei, nach Nordafrika und in Länder des Nahen Ostens exportiert. Allein zwischen 2010 und 2013 kamen über 140.000 von ihnen aus Deutschland. Seit Herbst 2012 gibt es dafür keine Exportsubventionen mehr, was aber die Ausfuhren kaum gebremst hat. Das zeigt, dass der Verkauf lebender Tiere lukrativ war und ist und dass jahrelang Steuergelder in Millionenhöhe verschleudert wurden.

Die Wiederkäuer werden dabei oft unter gesetzwidrigen Bedingungen über Tage hinweg transportiert (vgl. PROVIEH-Magazin 4/2013). Nach ihrer Ankunft werden die erschöpften Tiere zusätzlich auf das grausamste misshandelt, völlig unangemessen untergebracht und versorgt sowie brutal und unter Anwendung absolut unqualifizierter Methoden geschlachtet. Wer es aushalten kann und sich zumuten will, der findet auf unserer Webseite einen Bericht mit Links auf die entsprechenden Videos (siehe http://www.provieh.de/eu-lebendtierexporte).

Die Untersuchungen und das Filmmaterial stammen von einer australischen Tierschutzorganisation ("Animals Australia"), die damit Druck auf die australische Regierung für einen sofortigen Exportstopp ausübte - mit Erfolg. Aufgrund dieser Videos und Recherchen stellte Australien sofort die Ausfuhr lebender Tiere in die betroffenen Länder ein und fordert von den Empfängerländern den Nachweis, dass dort alle von der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) verabschiedeten Mindeststandards für den Schutz der Tiere eingehalten werden, bevor sie wieder lebende Tiere aus Australien bekommen können.

PROVIEH fordert gemeinsam mit anderen Tierschutzorganisationen die EU-Kommission seit Monaten auf, mindestens dem Vorbild Australiens zu folgen. Die Rechtsgrundlage hierfür ist in Artikel 13 des Vertrags von Lissabon vom 1. Dezember 2009 gegeben: "Dem Wohlergehen der Tiere als fühlende Wesen ist in vollem Umfang Rechnung zu tragen." Aber davon ist die Kommission noch weit entfernt, erkennbar auch daran, dass sie erst nach einem fünfmonatigen Dauerbriefwechsel im Mai 2014 zusagte, die von uns Tierschutzorganisationen aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten zumindest prüfen zu wollen.

Wir machen den folgenden Vorschlag: Das Schächten ohne Betäubung entsprechend den jüdischen und muslimischen Vorgaben ist aus Gründen der Religionsfreiheit in der EU immer noch erlaubt (mit Ausnahme von Dänemark und Schweden). Es ist also möglich, Fleisch von EU-Wiederkäuern zu liefern, das streng nach den jüdischen und muslimischen Vorgaben erzeugt wurde. Außerdem geht die EU-Schlachtverordnung, die seit dem 1. Januar 2013 gilt, über die internationalen Mindeststandards der OIE zum Schutz der Tiere bei der Schlachtung hinaus. In den Empfängerländern werden dagegen meist nicht einmal die OIE-Mindeststandards eingehalten - auch nicht in Ländern wie Israel und Türkei, die der OIE seit Jahren angehören. Aus Sicht von PROVIEH könnte und müsste die EU-Kommission die Ausfuhr von EU Tieren angesichts der schwerwiegenden Tierschutzverstöße sofort unter Berufung auf Artikel 207 des EU-Vertrages stoppen - analog zum 2007 verhängten Handelsverbot mit Katzen- und Hundefell (Verordnung 1523/2007, wir berichteten). Auch sollten die Bundesregierung und die EU-Kommission sich mit Viehhandelsorganisationen und Fleischproduzenten umgehend beraten, wie schnellstmöglich die Lebendtierexporte durch Fleischexporte substituiert werden können.

Allen Beteiligten muss klar sein: Die Verantwortung für die Tiere aus der EU darf nicht an Landes- oder EU-Grenzen enden. Einzelne Mitgliedsstaaten wie Dänemark werden dieser Verantwortung schon gerecht und haben die Transportzeit für einige Tierarten schon auf acht Stunden begrenzt. Das ist also möglich. Deutschland sollte diesem Beispiel unverzüglich folgen. Damit würde die gegenwärtige Bundesregierung ihre im Koalitionsvertrag verkündete "Tierschutzoffensive" erstmals mit Leben füllen. In diesem Sinne wandte sich PROVIEH in einem offenen Brief auch an Bundesagrarminister Christian Schmidt.

Zur Lösung des Problems wird sich PROVIEH nach der Europawahl im Mai 2014 für die immer wieder aufgeschobene Überarbeitung der EU-Transportverordnung auch weiter vehement einsetzten.

Eine deutsche Transportzeitbegrenzung auf acht Stunden könnte die Tiere aus Deutschland indes am schnellsten und wirkungsvollsten vor qualvollen Langstreckentransporten und grausamen Misshandlungen in den Empfängerländern schützen.

Außerdem fordert PROVIEH schärfere Kontrollen als bisher für alle Tiertransporte, insbesondere bei Exporten über die EU-Grenzen hinaus. Dabei könnte unter anderem die EU-weite Einführung der satelitengesteuerten GPS-Überwachung aller Tiertransportlaster helfen. Dadurch könnten Fahrtstrecken und -zeiten von den zuständigen Behörden in Echtzeit kontrolliert werden. Das wird von der Bundesregierung immer noch abgelehnt, obwohl es bereits in einigen EU-Ländern gut funktioniert. Auch dürfen nie wieder Steuergelder für Exportsubventionen fließen. Die EU-Förderung für Lebendtierausfuhren muss nach der "unbefristeten Aussetzung" 2012 jetzt endgültig abgeschafft werden.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2014, Seite 16-17
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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Telefax: 0431/248 28-29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2014