Schattenblick →INFOPOOL →TIERE → TIERSCHUTZ

VERBAND/104: 25 Jahre Bundesverband Menschen für Tierrechte (tierrechte)


tierrechte 4.07 - Nr. 42, November 2007
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

25 Jahre Bundesverband - Auf dem Weg zu einer Kultur der Tierrechte

Von Eisenhart von Loeper


Der Bundesverband Menschen für Tierrechte besteht nun seit 25 Jahren. Grund genug, einmal zurückzublicken und sich zu erinnern, was der Verband und seine Mitgliedsvereine in diesen Jahren auf die Beine gestellt, bewegt und auch erreicht haben. Die Situation der Tiere und die bestehenden Missstände machen unser Engagement jedoch weiterhin notwendig - damit die Rechte der Tiere anerkannt und umgesetzt werden und dies in nicht allzu ferner Zukunft endlich Realität wird.


*


Es hat die Menschen in der Öffentlichkeit vielfach beeindruckt, was wir unserer Gesellschaft spiegelbildlich kritisch vorhalten und zumuten: am konkreten Beispiel sichtbar und fühlbar machen, wie herzlos wir Menschen die Tiere furchtbar leiden lassen hinter den abgeschotteten Mauern der Versuchslabore, der Legebatterien, der Massenhaltungen für 'Nutztiere', der Pelzfarmen sowie anderer quälerischer Haltungssysteme und Einrichtungen. Unser Sich-Einfühlen in dieses schier grenzenlose Leid und der radikale Widerstand gegen das brutale, staatlich zugelassene Unrecht an wehrlosen Mitlebewesen gehören zu den Wurzeln jener Bürgerbewegung, die vor 25 Jahren unseren Bundesverband ins Leben rief. Was können wir heute zu seiner Entwicklung und dem, was wir erreicht haben, rückblickend hervorheben?


Die Anfänge

Für die Anfangsjahre waren große Demonstrationen, die öffentliche Präsenz und die Thematisierung des Tierelends kennzeichnend. Unser Bundesverband der Tierversuchsgegner wurde durch die stark polarisierende Auseinandersetzung mit den Tierversuchsbefürwortern bekannt. Im 'Gerichtshof für Tiere - Tribunal gegen Tierversuche' gelang uns 1988 in Karlsruhe der Höhepunkt eines öffentlich in großem Stil aufgeführten fiktiven Prozesses, in welchem ein Tierexperimentator verurteilt wurde. Zugleich machte der Richterspruch unsere Vision einer Kultur der Tierrechte sichtbar. Wir begründeten sie mit einem neuen fachspezifischen und rechtlichen Einklang von humaner Wissenschaftsfreiheit und dem Recht der Tiere.

In dieser Zeit begannen wir gleichsam den Berganstieg auf größeren Gipfel unseres Ziels der auch den Weg dorthin beschreibt: Mit unserem neuen Namen Menschen für Tierrechte (zunächst Beiname, später Hauptname) verständigten wir uns, Menschlichkeit und grundlegende Tierrechte unverlierbar für uns und für die Gesellschaft zu verknüpfen und zur Geltung zu bringen.


Mit den Mitteln des Rechtsstaats

Wir nahmen die Mittel in Anspruch, die der Rechtsstaat uns bot. So erhoben wir z. B. bundesweit gegen 42 Inhaber von Pelzfarmen Strafanzeigen wegen strafbarer Tierquälerei, die vielfach gerichtliche Durchsuchungsbeschlüsse nach sich zogen und die Branche erschütterten. Die Staatsanwaltschaften wagten aber trotz allen Belastungsmaterials über die Verhaltensstörungen und die Leiden der 'Pelztiere' in den Käfigen keine Anklage. Zwar waren die Tierhalter stark verunsichert, aber es kam mangels Verbandsklagerechts zu keiner gerichtlichen Klärung des Konflikts.

Im Widerstand gegen die quälerischen Legebatterien erreichten wir mit anderen, dass das Land Nordrhein-Westfalen 1989 Klage gegen die Hennenkäfige beim Bundesverfassungsgericht erhob.


Meilenstein für Tierrechte

Das erst zehn Jahre später ergangene Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts erklärte schließlich 1999 die Käfighaltungsverordnung für unvereinbar mit dem Tierschutzgesetz und für nichtig. Das war ein Meilenstein für die Anerkennung der gerichtlich ausdrücklich zuerkannten Grundbedürfnisse der in menschlicher Obhut gehaltenen Tiere! Nur ist es tief beschämend und zeigt die zwingende Notwendigkeit der Tierschutz-Verbandsklage, dass die staatlichen Organe das Urteil des höchsten deutschen Gerichts bisher nicht umgesetzt haben. Wo Renate Künast (B90/Die Grünen) 2001 mit unserer wesentlichen Einwirkung gegen den Druck des Bauernverbandes die Käfighaltung abgeschafft und Rückgrat bewiesen hatte, ging Horst Seehofer (CSU) 2006 im Rückwärtsgang vor der Lobby in die Knie.


Tierschutz im Grundgesetz

Alle empörenden Erfahrungsbeispiele endlos gequälter Tiere müssen, wenn wir mitfühlende Menschen sind, in die Forderung nach einer Umkehr zum Lebensrecht für Tiere münden. Die Menschenrechtsidee wird hier ergänzt. Und nirgends konnten wir einen größeren grundlegenden Schritt nach vorn tun, als durch den seit 1990 geleisteten gemeinsamen, glaubwürdigen und fachkompetenten Einsatz für die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz. Ohne unsere Initiative, nachhaltiges Stehvermögen und steuernde Einwirkung gegenüber den politischen Parteien in Bund und Ländern - bundesweit von sehr engagierten Freundinnen und Freunden sowie angesehenen Prominenten mitgetragen - wäre es dazu nicht gekommen. Das Gelingen im Jahre 2002 setzte ein dauerhaftes Signal für einen wachsenden historischen Wandlungsprozess, in dem sich Mensch und Tier achtsam in Augenhöhe gegenüberstehen und wir dem Tier seinen Rang, Raum und Rechte geben.


Bewährungsprobe Schächten

Eine Bewährungsprobe für die notwendige Abwägung von Verfassungsgütern bietet aktuell die Frage des betäubungslosen Schächtens der Tiere: Der Gesetzesantrag des Bundesrates will erstmals sicherstellen, dass furchtbare Schmerzen und Todesängste der Tiere beim Schächten ohne Betäubung in jedem Falle vermieden werden. Der Deutsche Bundestag sollte dem unbedingt zustimmen, und zwar auch deshalb, weil das Ziel der möglichsten Tierschonung einen Konsens aller Weltreligionen darstellt und so gesehen praktizierter Tierschutz auch religiös begründet ist. Ferner ist es bei Beachtung des Verfassungsranges des ethischen Tierschutzes und der Verhältnismäßigkeit weder erforderlich noch hinnehmbar, auf zeitgemäß wirkungsvolle Methoden der Leidensverminderung zu verzichten, wenn die Tiere schon getötet werden.


Tierschutz-Verbandsklage

Die verantwortungsvolle Erfüllung unserer fachlich qualifizierten gemeinnützigen Verbandsarbeit sollte den Bundesgesetzgeber umso mehr zur überfälligen Einführung der Tierschutz-Verbandsklage bewegen. Ein aufschlussreiches Beispiel dafür bietet die von uns bekämpfte qualvolle Zucht und Haltung von 'Masthühnern'. 2003 erstatteten wir Strafanzeige gegen einen bayerischen Hühnerhalter. Hätten wir diesen Fall jedoch nicht nur mit der Genehmigungsbehörde im Landratsamt Memmingen erörtern, sondern vor Gericht bringen können, dann hätte das eine Wende für jährlich etwa 400 Millionen Tiere bedeuten können. Wehrlosen Mitgeschöpfen diesen Schutz des Gesetzes zu versagen, ist herzlos und rechtsstaatlich unerträglich. Das Verfahren wurde eingestellt. Im Juni dieses Jahres hat der Bundesverband weitere 'Masthühner'-Halter angezeigt und konnte mit Hilfe des Politmagazins 'report' auch eine breite Öffentlichkeit darüber informieren. In diesen Fällen ermitteln noch die Staatsanwaltschaften.

Tierversuche bedürfen heute aufgrund der neuen Verfassungslage einer besonderen wissenschaftlichen und ethischen Rechtfertigung. Wenn die Behörde aber gesetzwidrig qualvolle oder unnötige Tierversuche zulässt, gibt es bisher niemanden, der auf deren Unterlassung klagen könnte. Der Tierschutz im Grundgesetz und das Tierschutzgesetz bleiben inkonsequent halbherzig, wenn sie nicht mit Hilfe der Tierschutz-Verbandsklage durchsetzbar gemacht werden. Schließlich ist es widersprüchlich, alle anderen Verfassungsgüter bis hin zum Naturschutz durch ein Klagerecht der Betroffenen abzusichern, Gleiches aber den anerkannten Verbänden des Tierschutzes vorzuenthalten.


Notwendig: Mentalitätswechsel

Der im Grundgesetz festgeschriebene Bedeutungszuwachs des staatlichen Schutzes für Tiere braucht einen Mentalitätswechsel, aus dem alles Weitere folgt. Hier ist der Bundesverband die richtige Adresse. Sein Gesicht wird in besonderem Maße durch unser Sprachrohr, die Zeitschrift tierrechte geprägt. Sie spiegelt, so meine ich, worauf es ankommt: Das persönliche Beispiel im Einstehen für Tiere und im menschlichen Miteinander, die glaubwürdige fachliche Kompetenz bei der Einflussnahme in der Praxis und eine durch uns spürbare Vision der Gesellschaft, die immer mehr Achtsamkeit, Gerechtigkeit und Fürsorge mit den Tieren als unseren Mitlebewesen zur Geltung bringt.


*


Quelle:
tierrechte - Nr. 42/November 2007, S. 6-7
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2007