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TIERVERSUCH/712: Neuheiten auf dem Linz-Kongress (tierrechte)


tierrechte 4.16 - Nr. 77, Dezember 2016
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Neuheiten auf dem Linz-Kongress

von Dr. Christiane Hohensee


Vom 24. bis zum 28. September 2016 fand der 20. Kongress zu tierversuchsfreien Verfahren in Linz statt. Dr. Christiane Hohensee war für den Bundesverband dabei und berichtet über neue vielversprechende Entwicklungen.


Der Linz-Kongress der EUSAAT (Europeam Society for Alternatives to Animal Testing) ist neben dem Weltkongress die wichtigste europäische Zusammenkunft für Wissenschaftler, die sich mit der Entwicklung von tierversuchsfreien Methoden beschäftigen. Über 300 Forschergruppen aus 24 Ländern stellten in diesem Jahr ihre Forschungsergebnisse vor. Schwerpunkte waren die sogenannte Lab-on-a-Chip-Technologie, bei der menschliche organähnliche Gewebe auf einem bankkartengroßen Chip nachgebildet werden, die Kombination verschiedener Tests (Teststrategien), der gegenwärtige Stand der Forschung bei den Stammzellen und Ersatzverfahren für Impfstoffe.

Humane Krankheitsmodelle, sogenannte "disease-on-a-dish", sind hochinteressant, weil sie im Bereich der Grundlagenforschung dem Ziel, einen systemischen Organismus simulieren zu können, näher kommen. In diesem Jahr lag ein Schwerpunkt auf den Lungenerkrankungen.


• Menschliche Lungenmodelle

Das Wissenschaftlerteam um Prof. Claus-Michael Lehr hat unter anderem eine neue humane Alveolarzelllinie entwickelt, die in ihren Eigenschaften der Luft-Blut-Barrierefunktion die in-vivo-Situation im Menschen gut darstellen kann. Die Alveolen sind als Lungenbläschen für den Gasaustausch in der Lunge verantwortlich. Die Zellen können genutzt werden, um die Wirkung von eingeatmeten Substanzen auf die Zellen zu messen. Dr. Samuel Constant vom Schweizer Unternehmen Oncotheis stellte ein neues Invitro-Lungenkrebsmodell aus humanen Zellen vor. Das Modell kann genutzt werden, um Krebsmedikamente auf ihre Wirksamkeit gegen Lungenkrebszellen zu testen.

Dr. Heike Behrensdorf-Nicol vom Paul-Ehrlich-Institut in Langen stellte unter anderem einen Test zum Aufspüren kleinster Mengen an Tetanus- oder auch Botulinumtoxinen vor. Botulinumtoxin ist ein hochwirksames Nervengift, das unter anderem von dem Bakterium Clostridium ausgeschieden wird. Der neue Test ist hoch spezifisch und äußerst sensitiv. Mit dem Test können pro Jahr im Bereich der Tetanustoxin-Testung eine Vielzahl an Meerschweinchen und bei der Botulinumtoxin-Testung rund 50000 Mäuse vor dem Tierversuch bewahrt werden.


• Tierleidfreie Hormon-Tests

Wissenschaftler vom Schweizer Unternehmen Teco Medical haben eine nichtinvasive Methode entwickelt, um hormonwirksame Substanzen in Gewässern zu testen. Anstelle von Blut- und Leberproben werden für die Methode nur Schleimhautproben von der Körperoberfläche der Fische benötigt. Dafür wird der Fisch kurz dem Wasser entnommen und danach sofort wieder unverletzt zurückgesetzt.

Michael Liebman, Biomedizin-Informatiker und Gründer des US-Unternehmens ipq analytics, lieferte dem Publikum detallierte Erklärungen dafür, dass eine Krankheit ein Prozess und kein Zustand ist. 55 Prozent aller Patienten in den USA litten unter fünf oder mehr Erkrankungen. Diese komplexen Zusammenhänge bleiben bei der Entwicklung von Medikamenten auf Basis von Tierversuchen außer Betracht. Tiermodelle seien deshalb kein sicheres und effizientes Mittel, um die Patientenwirklichkeit abzubilden.


• Engere Zusammenarbeit von EU und USA

Dr. Mardas Daneshian vom CAAT Europe (Center for Alternatives to Animal Testing) stellte die Planungen des neuen Projektclusters EU-ToxRisk vor. Dieser Forschungsverbund ist das derzeit einzige EU-Flagschiff auf dem Gebiet der tierversuchsfreien Verfahren. Die finanzielle Ausstattung von insgesamt 30 Millionen Euro für die beteiligten 39 Forschergruppen ist im Vergleich zum Vorgänger-Projektcluster Seurat-1 mit rund 220 Millionen Euro jedoch bescheiden. Daran zeigt sich, wie wichtig die Forderung des Bundesverbandes nach einer Aufstockung des EU-Etats für die Förderung der tierversuchsfreien Forschung weiterhin ist.

Ein positives Signal war die zukünftige enge Zusammenarbeit der europäischen Gesellschaft für Tierversuchs-Alternativen EUSAAT mit der amerikanischen Gesellschaft zur Förderung einer tierversuchsfreien Toxikologie ASCCT (American Society for Cellular and Computational Toxicology).

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Quelle:
tierrechte 4.16 - Nr. 77/Dezember 2016, S. 18
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2017

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