Magazin tierrechte - Ausgabe 1+2/2019
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V
EU-Tierversuchsrichtlinie:
Deutschland gesteht Mängel ein
von Dr. Christiane Baumgartl-Simons
Wie bereits berichtet, hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen fehlerhafter Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in deutsches Recht eingeleitet. Die Kommission führt darin 26 Punkte an, in denen Deutschland das EU-Tierversuchsrecht nicht korrekt umgesetzt hat. Ende November kündigte die Bundesregierung Nachbesserungen an.
2013 wurde die EU-Tierversuchsrichtlinie in Deutschland umgesetzt. Der
Bundesverband hat der damaligen Bundesregierung wiederholt gravierende
Umsetzungsfehler vorgehalten. Zwei Rechtsgutachten aus den Jahren 2012
und 2016 bestätigen dies in mindestens 18 Punkten. Mit Rückendeckung
dieser Gutachten gingen mehrere Beschwerden bei der EU-Kommission ein.
Zu den besonders schweren Verstößen zählen:
Deutschland hat in 16 Punkten zugesagt, die Tierschutz-Versuchstierverordnung und das Tierschutzgesetz nachzubessern. Die Beanstandungen erstrecken sich überwiegend auf Kontroll- und Überwachungsaufgaben. Diese delegiert der Bund über die Länder an die Kreisverwaltungen. Bei zehn Beanstandungen sagt die Bundesregierung allerdings, sie habe das EU-Recht korrekt umgesetzt. Bei dem fehlenden eigenständigen Prüfrecht der Behörden sichert die Bundesregierung der EU-Kommission zu, den Text im Tierschutzgesetz zu konkretisieren, so dass unmissverständlich klar wird: Die Behörden sind verpflichtet, die Unerlässlichkeit - als zwingende Voraussetzung zur Ermittlung der ethischen Vertretbarkeit eines Tierversuchs - eigenständig festzustellen.
Die EU-Richtlinie bietet die Einführung einer nicht zu überschreitenden Obergrenze für Schmerzen, Leiden und Ängste in Tierversuchen an, die nicht überschritten werden darf. Diese gibt es bisher im deutschen Tierversuchsrecht nicht. Von diesem Angebot der EU-Tierversuchsrichtlinie hat Deutschland keinen Gebrauch gemacht. Dabei belegen Gutachten, dass die Bundesregierung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Verbot schwerstbelastender Tierversuche hätte umsetzen müssen. Auch bei Versuchen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung bleibt die Bundesregierung bei der Anzeigepflicht.
Die Rechtsgutachten und die Antwort der EU-Kommission auf vorgebrachte Beschwerden gegen Deutschlands Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie belegen, wenn auch spät: Deutschland hat keinesfalls das Maximum für den Schutz der Versuchstiere getan. Schlimmer noch: Die Bundesregierung hat die fachlichen Einwendungen des organisierten Tierschutzes systematisch ignoriert. Dieses politische Taktieren ist ein absolutes No-Go.
Der Bundesverband verfolgt auf der Grundlage von Daten und Fakten hartnäckig die maximale Fortentwicklung von Tierschutz und Tierrecht. Im Fall der Tierversuche heißt das: Für den kompletten Ausstieg aus dem Tierversuch muss ein Masterplan - gern nach niederländischem Vorbild - auf den Tisch. Die Entwicklung tierleidfreier und humanspezifischer Verfahren ist mit Maximalkraft von allen beteiligten Gruppen zu verfolgen. Akute Hilfsmaßnahmen am "Unfallort" Tierversuch sind unverzüglich durchzuführen. Ganz oben stehen hierbei: Sichern des aktiven Prüfrechts der Behörden durch Änderung des Tierschutzgesetzes sowie die Vorlage eines Kriterienkatalogs zur Ermittlung von Unerlässlichkeit und ethischer Vertretbarkeit eines Tierexperiments. Denn nur mit objektiven und vereinbarten Prüfkriterien kann geltendes Recht auch tatsächlich angewendet werden.
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Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 1+2/2019, S. 14
Menschen für Tierrechte
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2019
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