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TIERVERSUCH/792: Tierfreie Teststrategien sind überfällig (tierrechte)


Magazin tierrechte - Ausgabe 3/2019
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Überfällig: Tierfreie Teststrategien

von Dr. Claudia Gerlach


Tierversuchsfreie Verfahren zur Testung von schädlichen Substanzen sind nicht nur aus ethischen Gründen notwendig. Industrie, Wissenschaft und Behörden fordern ebenfalls zuverlässige Tests. Der Maßnahmenkatalog des Bundesverbandes zeigt, was nötig ist, damit die Tierversuche schnellstmöglich beendet werden können.


Die Industrie hat großen Bedarf an sicheren Verfahren, um Substanzen zeit- und kosteneffizient auf ihre Schädlichkeit testen und produzieren zu können. Gleichzeitig fordern Neurowissenschaftler angesichts der zunehmenden neurologischen Entwicklungsstörungen strengere Regelungen für die Zulassung von schädlichen Chemikalien.


Nötig: Abgestuftes Testsystem

Auch die Vertreter der Zulassungsbehörden haben den Bedarf erkannt. Die gute Nachricht ist: Sie bevorzugen die Einführung einer standardisierten tierfreien in-vitro-Teststrategie vor den Tests am Tier. Der Tierversuch ist hierbei zwar nicht vollständig ausgeschlossen, wird aber massiv reduziert. Derzeit entwickelt die europäische Validierungsbehörde (EURL-ECVAM) eine Strategie mit Schwerpunkt auf mehreren in-vitro-Methoden. An dem internationalen Projekt beteiligen sich die EU-Lebensmittelbhörde (EFSA), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die US-Umweltschutzbehörde (EPA) sowie zahlreiche Wissenschaftler. Die Tests sollen die Wirkung von Chemikalien auf kritische Entwicklungsprozesse in unterschiedlichen Hirnentwicklungsstadien untersuchen und mit computergestützten Vorhersagen und Nicht-Säugetier-Modellen wie dem Zebrafisch zusammengefügt werden. Der Ansatz wurde auch in ein OECD-Projekt übernommen mit dem Ziel, einen Leitfaden für die in-vitro-Methoden zu entwickeln.


Wichtig: beschleunigte Anerkennung

Derzeit sind 17 tierversuchsfreie in-vitro-Methoden bei der ECVAM im Validierungsprozess. Das Problem: Derzeit dauert das Verfahren zwischen sechs und 15 Jahre! Deswegen fordert der Bundesverband, die gezielte Beschleunigung der Prüf- und Anerkennungsverfahren. Eine weitere Kernforderung ist die Einrichtung eines nationalen Kompetenzzentrums als Auskunftsstelle für Behörden und Wissenschaftler. Dieses soll unter anderem über eine Datenbank verfügen, die Auskunft über alle existierenden tierversuchsfreien Verfahren gibt.


Ausbau der tierversuchsfreien Forschung

Ganz oben auf unserer Maßnahmen-Liste steht allerdings der massive Ausbau der tierversuchsfreien Forschung, insbesondere durch die Erhöhung der Forschungsgelder innerhalb Deutschlands und der EU. Wer ernsthaft eine erfolgreiche Entwicklung der neuen Methoden verfolgt, muss die Forschungsgelder in diesem Bereich massiv erhöhen.


Fördermittel: neue Kriterien bei der Vergabe

Ebenso unentbehrlich sind neue Kriterien bei der Vergabe von Fördermitteln. Dazu sollten besonders dringliche Forschungsbereiche festgelegt werden, für die besonders schnell tierversuchsfreie Verfahren entwickelt werden müssen. Eine weitere zentrale Forderung ist die Ausweitung einer tierversuchsfreien Wissenschaft in Lehre und Forschung. Deshalb ist die Einrichtung von Lehrstühlen und Professuren für eine tierversuchsfreie Wissenschaft und Lehre ein absolutes Muss.


Verbot schwerbelastender Versuche

Eine weitere wichtige Begleitmaßnahme ist das Verbot bestimmter Versuche. Verbote, die die Richtlinie 2010/63/EU vorsieht, sollten endlich umgesetzt werden, beispielsweise das Verbot schwerbelastender Tierversuche. Die Bundesregierung nutzt den Spielraum der EU-Vorgaben jedoch bisher nicht aus, um die besonders belastenden Versuche zu unterbinden.


Regierung muss Gesamtstrategie entwickeln

Damit die Umstellung gelingen kann, ist eine Gesamtstrategie notwendig, ähnlich wie beim Atomausstieg oder beim Klimaschutzplan. Deswegen fordert Menschen für Tierrechte von Wissenschaftsministerin Anja Karliczek und von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner einen Masterplan für den Ausstieg aus dem Tierversuch. Deutschland kann sich dabei am Vorbild der Niederlande orientieren: Den Haag hatte bereits 2016 einen systematischen Abbauplan veröffentlicht, der konkrete Meilensteine und strategische Maßnahmen umfasst.

All diese Maßnahmen fordert der Verband mit der aktuellen Petition "Für einen Masterplan für den Ausstieg aus dem Tierversuch!" Unterschreiben können Sie hier: www.change.org (Suchbegriff "Masterplan" eingeben)

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Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 3/2019, S. 13
Menschen für Tierrechte
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Mühlenstr. 7a, 40699 Erkrath
Telefon: 0211 / 22 08 56 48, Fax. 0211 / 22 08 56 49
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2019

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