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TIERVERSUCH/809: Die Maus in der Autismusforschung ist das Versuchstier des Jahres (MfT)


Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Pressemitteilung vom 21. April 2023

Die Maus in der Autismusforschung ist das Versuchstier des Jahres


Anlässlich des Internationalen Tags zur Abschaffung der Tierversuche am 22. April veröffentlicht der Bundesverband Menschen für Tierrechte sein diesjähriges Versuchstier des Jahres, die Maus in der Autismusforschung. Aus gutem Grund, denn obwohl wissenschaftlich umstritten ist, welche Phänomene zum Spektrum der Autismus-Störungen gehören, wird der Autismus an gentechnisch veränderten "humanisierten" Mäusen erforscht. Und dies, obwohl die Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse höchst fragwürdig und die genetische Manipulation mit großem Tierleid verbunden ist. Dabei liefern tierversuchsfreie humanspezifische Methoden, wie Krankheitsmodelle aus menschlichen Zellen oder Verfahren auf Basis von Künstlicher Intelligenz, beeindruckende Ergebnisse.

Die Maus ist das Versuchstier Nummer 1 in der Autismusforschung: Während die Zahl der genehmigten Mäuse 2019 noch bei 23.582 lag, stieg sie bis 2022 auf über 77.000 Tiere. Autismus hat kein einheitliches Krankheitsbild und vieles ist noch ungeklärt. Die sogenannten "Autismus-Spektrum-Störungen" werden zwar gemeinhin als eine neurologische Entwicklungsstörung angesehen, es ist aber noch unklar, ob es sich bei den verschiedenen Ausprägungen um eine "Störung", eine "Behinderung" oder lediglich um einen "Unterschied" handelt. Bekannt ist, dass der Autismus in über 90 Prozent der Fälle vererbt wird. Daher wird die Störung an Mäusen erforscht, die eigens dafür gentechnisch verändert werden.

Forschungsergebnisse fragwürdig

"Diese "humanisierten" Mäuse werden genetisch so verändert, dass sie ein "PatientInnen-ähnliches" Verhalten, Kognition und physiologische Veränderungen entwickeln. Dabei ist die Übertragbarkeit dieser Forschungsergebnisse höchst fragwürdig. "Die Wissenschaft weiß einfach nicht genug über die Neurophysiologie und über die Komorbiditäten (1) von Autismus. Die oft zusammen mit dem Autismus auftretenden Depressionen, Kommunikationsschwierigkeiten oder bipolaren Störungen können mit einem Tiermodell nicht zuverlässig darstellt werden", kritisiert Dr. Christiane Hohensee, Leiterin der Informationsplattform InVitro+Jobs.

Leid der genmanipulierten Tiere

Hinzu kommt das Leid der genmanipulierten Tiere. Um Gene stillzulegen, werden lebende Mäuseembryonen aus dem Uterus des trächtigen Mäuseweibchens entnommen, genetisch manipuliert und dann wieder in die Körperhöhle zurückgeschoben. In bestimmten Entwicklungsabständen wird eine Reihe von Muttertieren durch Genickbruch getötet und die Föten entnommen, um ihr Gehirn zu untersuchen. Ein Teil der Nachkommen darf ganz ausgetragen werden und kommt in den Versuch. Die Tiere werden nach Geschlecht getrennt und Verhaltenstests unterzogen.

Ursachenforschung tierversuchsfrei möglich

Dabei kann Autismus gut mit induzierten pluripotenten Stammzellen oder In-vitro-Krankheitsmodellen erforscht werden. Die Ergebnisse eignen sich zur Krankheitsdiagnostik und für die Entwicklung von Medikamenten. Wissenschaftler:innen haben dafür Hirnorganoide aus Patient:innenzellen entwickelt. Damit konnten sie zeigen, wie Autismus-assoziierte Mutationen wichtige Entwicklungsprozesse stören. Andere Wissenschaftler:innen konnten Autismus mittels Deep Learning (2) sehr zuverlässig vorhersagen.

Tierversuchsfreie Verfahren statt "humanisierte" Mäuse

"Diese Beispiele zeigen die Vorteile und das große Potenzial tierversuchsfreier humanspezifischer Methoden. Neben Krankheitsmodellen aus menschlichen Zellen liefern Verfahren auf Basis von Künstlicher Intelligenz, wie dem Deep Learning, schon jetzt beeindruckende Ergebnisse. Statt leidvoll und wissenschaftlich fragwürdig an genmanipulierten Mäusen herumzuexperimentieren, sollten diese zukunftsfähigen humanbasierten Methoden gezielt gefördert, entwickelt und ausgebaut werden. Dies wäre im Sinne von Menschen und Tieren", sagt Hohensee.

Der Bundesverband Menschen für Tierrechte dankt Petra Martin für die Übernahme der diesjährigen Schirmherrschaft für das "Versuchstier des Jahres". Die engagierte Gründerin der "Stiftung Zukunft jetzt!" setzt sich privat und mit ihrer Stiftung für tierversuchsfreie Forschungsmethoden ein. Ihr Ziel ist ein Paradigmenwechsel weg vom vermeintlichen Goldstandard Tierversuch hin zu einer modernen, am Menschen orientierten Forschung.


Anmerkungen:
(1) Eine Komorbidität beschreibt ein weiteres, diagnostisch abgrenzbares Krankheitsbild oder Syndrom, das zusätzlich zu einer Grunderkrankung vorliegt.
(2) Deep Learning ist eine spezielle Methode der Informationsverarbeitung und ein Teilbereich des Machine Learnings. Inspiriert von der Funktionsweise des menschlichen Gehirns nutzt es neuronale Netze zur Herstellung künstlicher Intelligenz.


Weitere Informationen:

Hier finden Sie ausführliche Informationen zum Versuchstier des Jahres 2023:
https://www.tierrechte.de/2023/04/17/versuchstier-des-jahres-2023-die-maus-in-der-autismusforschung/

Hier lesen Sie das Grußwort:
https://www.tierrechte.de/2023/04/21/grusswort-wir-brauchen-einen-paradigmenwechsel-nicht-die-modifizierung-obsoleter-systeme/

Hier können Sie sich eine ausführliche Broschüre zum Versuchstier des Jahres 2023 (16 Seiten) als PDF herunterladen:
https://www.tierrechte.de/wp-content/uploads/2023/04/2023_MfT_Sonder-VOe_VersuchstierDesJahres_final.pdf

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Quelle:
Pressemitteilung vom 21. April 2023
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Telefon: 02252 - 830 12 10 (Mo. - Fr. von 10:00 bis 13:00 Uhr)
Fax: 02252 - 830 12 11
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. April 2023

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