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AKTION/307: Der Gottesanbeterin auf der Spur (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 2/2017

Der Gottesanbeterin auf der Spur
Jeder kann bei der Erfassung in Berlin und Brandenburg mithelfen

von Dirk Berger und Manfred Keller


Im November 2016 wurde die Europäische Gottesanbeterin (Mantis religiosa) zum Insekt des Jahres 2017 gewählt. Die wärmeliebende Fangschrecke breitet sich seit den 1990er Jahren in Deutschland aus. 2007 wurde sie erstmals in Brandenburg festgestellt. Um die Verbreitung und aktuelle Arealerweiterung der Lauerjägerin in Berlin und Brandenburg zu erforschen ist jeder Naturfreund aufgerufen, seine Beobachtungen mitzuteilen.


Klimatische Oszillationen haben in der Vergangenheit bei vielen Tieren und Pflanzen immer wieder zu Arealverschiebungen geführt. Wärmeliebende Arten wurden in kalten Perioden in südliche Refugien zurückgedrängt und weiteten ihr Verbreitungsgebiete in wärmeren Perioden wieder nach Norden aus. Durch die aktuellen Klimaentwicklungen ist auch in Deutschland eine Ausbreitung von verschiedenen wärmeliebenden Arten von Süden nach Norden festzustellen. Eine Art, die sich aktuell in Deutschland, aber auch in den Nachbarländern ausbreitet, ist die Europäische Gottesanbeterin, Mantis religiosa.

Das räuberisch lebende Insekt mit dem dreieckigen Kopf und den mit Dornen besetzten Fangbeinen lebt in stark besonntem trockenwarmem Grasland mit strukturgebenden Sträuchern und Stauden. Heterogene Vegetationsstruktur ist ihr wichtig, da sie im Laufe ihrer Entwicklung verschiedene Bereiche der Vegetation aufsucht. So legt sie ihre Eigelege, die Ootheken, im Herbst vorzugsweise unter Steinen, Bahnschienen oder in den unteren Bereichen der Vegetation ab. Nach dem Schlupf in Mai und Juni halten sich die Nymphen, die bis auf die noch fehlenden Flügel bereits wie fertige Fangschrecken aussehen, in bodennahen Schichten auf. Dort ernähren sie sich von kleinsten Insekten und Spinnentieren. Im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung sucht die Lauerjägerin höhere Bereiche der Vegetation auf, in denen der Sonneneinfall stärker ist und auch größere Beutetiere von ihr gejagt werden. Ab August ist Mantis religiosa voll entwickelt und lebt bis zu den ersten Frösten. Männchen erreichen in unseren Breiten Körpergrößen von 50 Millimetern, Weibchen werden etwa 65 bis 70 Millimeter groß. In Südeuropa ist die Gottesanbeterin weit verbreitet. Nördlich der Alpen kommt sie nur inselartig in klimatisch begünstigten Lebensräumen vor.

Von der Gottesanbeterin gibt es historische Nachweise in Deutschland aus Frankfurt am Main, Bad Dürkheim und bei Passau, wo sie, wie bereits damals vermutet wurde, aufgrund intensiver Bewirtschaftung des Offenlandes, ausstarb. Bis Mitte der 1990er Jahre waren nur lokale Populationen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland bekannt. Von dort aus breitet sie sich aktuell weiter bis nach Hessen und Nordrhein-Westfalen aus. In den Neuen Bundesländern hingegen fehlen historische Nachweise der Fangschrecke. Hier erobert sie sich neue Lebensräume. Genetische Untersuchungen an den Universitäten Mainz und Prag belegen, dass die westdeutschen Populationen näher mit Westeuropäischen Gottesanbeterinnen verwandt sind, wohingegen die Tiere im Osten aus dem Südosten Europas und Norditalien kommen. Es handelt sich also um zwei voneinander unabhängige Populationen auf getrennten Ausbreitungswegen. Seit 1998 ist ein Vorkommen von Gottesanbeterinnen im Schöneberger Südgelände in Berlin bekannt. In den 2000er Jahren kam es zu mehreren Fundmeldungen in den Neuen Bundesländern, vor allem aus Sachsen. Dort wurde erstmalig 2003 ein Einzelfund bei Leipzig gemeldet. Im September 2006 wurde die erste Population in der Oberlausitz gefunden. Weitere sächsische Funde folgten Jahr für Jahr. Nachdem 2006 die erste Population in Sachsen-Anhalt am Geiseltalsee entdeckt worden war, meldete man 2007 den ersten Fund, eines einzelnen Weibchens, aus dem Landkreis Oder-Spree in Brandenburg. Mittlerweile sind weitere Funde von Gottesanbeterinnen aus den Brandenburger Landkreisen, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, Elbe-Elster, Dahme-Spreewald und Havelland und ein weiteres Vorkommen in Berlin bekannt. Oft handelt es sich um Einzeltiere, es sind aber mittlerweile auch mehrere etablierte Vorkommen aus Brandenburg nachgewiesen.

Das Naturkundemuseum Potsdam und die Mantidenfreunde

Berlin-Brandenburg haben 2017 das Projekt "Gottesanbeterin gesucht - dem Insekt des Jahres 2017 auf der Spur" initiiert und die Bevölkerung Berlin-Brandenburgs aufgerufen, die Ausbreitung der Gottesanbeterin mit zu erforschen. Die Einsendung eines Fotos des Tieres mit Fundort, Datum und Kontaktdaten des Finders reicht aus. Die Meldungen werden gesammelt und am Ende eines jeden Jahres wird eine aktuelle Verbreitungskarte erstellt und auf der Homepage des Naturkundemuseums Potsdam veröffentlicht.


Weitere Informationen zu diesem spannenden Projekt finden Sie unter
https://www.potsdam.de/gottesanbeterin-gesucht-dem-insekt-des-jahres-2017-auf-der-spur

Dirk Berger
Kontakt: Naturkundemuseum Potsdam, Breite Straße 11/13, 14467 Potsdam, Telefon: 0331-289 6703,
dirk.berger[at]rathaus.potsdam.de

Manfred Keller
Kontakt: Mantidenfreunde Berlin-Brandenburg, Löptener Str. 9, 12305 Berlin, E-Mail:
post[at]manfred-keller.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Ein Gottesanbeterin-Pärchen bei der Paarung. Das kleinere Männchen mit den längeren Antennen sitzt dabei auf dem Rücken seiner kräftigeren Partnerin. Deutlich zu erkennen sind auch die für die Art typischen Augenflecken auf den Innenseiten der Fangbeine.

- Sommerliche Nachsuche nach Gottesanbeterinnen. Bekannte Vorkommen werden jährlich besucht und neue Meldungen überprüft.

- Das Ausspiegeln der Schienenunterkante erleichtert das Auffinden der Eigelege. Hier eine Oothek im Doppelspiegel auf dem Schöneberger Südgelände in Berlin.

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Quelle:
naturmagazin, 31. Jahrgang - Nr. 2, Mai bis Juli 2017, S. 40 - 41
Herausgeber: Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
Naturschutzfonds Brandenburg/Naturwacht
Natur & Text GmbH
Redaktion: Natur & Text GmbH
Friedensallee 21, 13834 Rangsdorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2017

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