Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL)
12.12.2022 | Agroscope | News WSL (*)
Klimaerwärmung verändert die Insektenfauna in der Schweiz
Wie hat sich die Verbreitung von Insekten in der Schweiz in den letzten 40 Jahren verändert? Für viele Arten nahm sie zu, für fast gleich viele ab. An Boden verloren vor allem kälteliebende Arten. Diese Resultate haben Fachleute von 4 Organisationen im Fachjournal «Nature Communications» publiziert.
Die Westliche Weidenjungfer (Chalcolestes viridis), eine
verbreite Libellenart im Mittelland, hat sich in höheren Lagen
leicht ausgebreitet.
Bild: © Felix Neff, Agroscope
Verschiedene Studien im In- und Ausland geben Anlass zur Sorge, dass die Insektenfauna stark unter dem Klima- und Landnutzungswandel leidet («Insektensterben»). Deshalb haben die Forschungsinstitute Agroscope, WSL, FiBL sowie das Schweizerische Informationszentrum für die Fauna «info fauna» das Projekt INSECT ins Leben gerufen. Darin analysieren sie, weshalb und nach welchem Muster sich die Verbreitung der Insektenfauna in der Schweiz in den letzten 40 Jahren veränderte. Die Forschenden präsentieren in der Fachzeitschrift «Nature Communications» erste Resultate. Dafür werteten sie 1,5 Millionen Meldungen aus, die insektenkundige Laien und Fachleute seit 1980 zum Vorkommen von Tagfaltern, Heuschrecken und Libellen schweizweit erhoben haben.
Die Resultate zeigen: In der Schweiz gibt es bei den untersuchten Insektenarten sowohl Gewinner als auch Verlierer. Jene Arten, die sich am stärksten ausgebreitet haben, konnten ihren Lebensraum im Schnitt um über 70% vergrössern. Jene Arten, die am stärksten zurückgingen, verloren im Schnitt knapp 60% ihres Verbreitungsgebiets. Zur Menge (Biomasse) der beobachteten Insekten macht die Studie allerdings keine Aussage.
Der Hochalpen-Perlmuttfalter (Boloria pales) ist ein
kälteadaptierter Tagfalter, dessen Verbreitung in den letzten 40
Jahren zurückgegangen ist.
Bild: © Felix Neff, Agroscope
Der sehr häufige Gemeine Grashüpfer (Pseudochorthippus
parallelus) konnte sein Verbreitungsgebiet weiter vergrössern in
den letzten 40 Jahren.
Bild: © Felix Neff, Agroscope
An Boden verloren insbesondere spezialisierte, kälteliebende Arten aus den Voralpen und Alpen der Schweiz. Wärmeliebende Arten aus dem Tiefland konnten ihre Verbreitungsgebiete erhalten oder ausweiten. «Dies hat zur Folge, dass seltene Arten noch seltener werden und bereits verbreitete Arten weiter zunehmen», sagt der Erstautor der Studie, Felix Neff von Agroscope. Die Resultate deuten nach Ansicht der Forschenden zudem auf eine Trendwende hin: Waren bis anhin Lebensraumverluste und die Landnutzungsänderungen die Hauptgründe für das lokale Verschwinden von Insektenarten, hat mittlerweile ebenso die Klimaerwärmung einen grossen Einfluss auf die Insektenfauna der Schweiz.
Der Dukatenfalter (Lycaena virgaureae) kommt in der Schweiz
hauptsächlich in den Bergen vor und ist in den letzten 40 Jahren
leicht zurückgegangen.
Bild: © Felix Neff, Agroscope
Die Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo), eine Art typisch
für Fliessgewässer, hat sich stark ausgebreitet in den letzten 40
Jahren.
Bild: © Felix Neff, Agroscope
Die Kombination von zwei Faktoren - Klima- und Landnutzungswandel - kann für die Insektenfauna speziell ungünstig sein. Dafür fanden die Forschenden zahlreiche Indizien. Zum Beispiel scheint sich die Intensivierung der Grünlandnutzung bei zunehmender Sommertrockenheit besonders negativ auf Insekten auszuwirken. Statistisch lässt sich über die vergangenen 40 Jahre besonders die Klimaerwärmung direkt mit den beobachteten, langfristigen Veränderungen der Insektenfauna in der Schweiz verknüpfen. Die Forschenden erwarten deshalb, dass sich die Insektenpopulationen mit der fortschreitenden Klimaerwärmung weiter grossflächig verändern werden.
Der häufige Himmelblaue Bläuling (Lysandra bellargus) hat sich
vor allem in den höheren Lagen ausgebreitet in den letzten 40
Jahren.
Bild: © Felix Neff, Agroscope
Die Verbreitung der Zweifleck-Dornschrecke (Tetrix bipunctata),
eine Art die eher in den mittleren und höheren Lagen anzutreffen
ist, ging in den letzten 40 Jahren zurück.
Bild: © Felix Neff, Agroscope
Der Brombeerzipfelfalter (Callophrys rubi), eine Art die in
verschiedenen Höhenlagen anzutreffen ist, hat einen leichten
Rückgang erlebt über die vergangenen 40 Jahre.
Bild: © Felix Neff, Agroscope
INSECT - Veränderung der Insektenfauna in der Schweiz
Wie steht es um die Insekten in der Schweiz? Welche Veränderungen
gab es, welche sind im Gang, was sind deren Ursachen? Die WSL und
vier weitere Forschungsinstitutionen gehen diesen Fragen im
Projekt INSECT nach.
Neff, F., Korner-Nievergelt, F., Rey, E. et al.Different roles of
concurring climate and regional land-use changes in past 40
years' insect trends.Nat Commun13, 7611 (2022).
doi.org/10.1038/s41467-022-35223-3
AGROSCOPE
(Forschungseinrichtung der Schweiz für die Land- und
Ernährungswirtschaft, dem Bundesamt für Landwirtschaft
angegliedert)
http://www.agroscope.admin.ch
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
(WSL)
http://www.wsl.ch
(*) https://www.wsl.ch/de/ueber-die-wsl/news-und-medienarbeit/news.html
*
Quelle:
Presseinformation vom 12.12.2022
Eidg. Forschungsanstalt WSL
Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
Tel.: +41 44-739 21 11
E-Mail:
Allgemeine Anfragen: wslinfo(at)wsl.ch
Medien: media(at)wsl.ch
Internet: www.wsl.ch
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 3. Januar 2023
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