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PILZ/014: Ohne Pilze kein Leben (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Sommer 2023
Mitgliedermagazin des NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V.

Ohne Pilze kein Leben

von Lisa Gebhard


Die Meise ist ein Vogel, der Wolf ein Säugetier und die Fliege ein Insekt. Früh und wie selbstverständlich lernen wir als Kinder die Tier- und Pflanzenwelt kennen. Doch wie sieht es aus mit Judasohr, Röhrling, Parasol & Co.?


Weitgehend unbemerkt unserer Wahrnehmung verrichten Pilze ihr Werk. Und das, obwohl sie neben Pflanzen und Tieren ein eigenes Reich bilden und viele überlebenswichtige Funktionen übernehmen. "Es geht um viel mehr, als zwischen essbar und giftig zu unterscheiden: ohne Pilze keine Luft zum Atmen, keine Nahrung zum Leben", fasst Biologin und Pilzsachverständige Rita Lüder zusammen. Sie gehört dem NABU-Bundesfachausschuss Mykologie sowie dem Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Mykologie an und gibt gemeinsam mit ihrem Mann Frank Pilzseminare.

Leidenschaftlich sprechen beide über Pilze und ihre Fähigkeiten, beispielsweise wie sie für gesunde Böden sorgen und unser Geschmackserlebnis beeinflussen. Können sie sich unterirdisch ausbreiten, lockern sie den Boden auf und versorgen ihn und dort wachsendes Gemüse mit Nährstoffen. Genauso bringen sie Blumen zum Blühen und Baume zum Wachsen - aktuell gehen Forschende davon aus, dass 95 Prozent aller Pflanzen in Symbiose mit Pilzen leben.

Große unbekannte Welt

"Momentan gibt es über 10.000 Großpilzarten in Mitteleuropa, doch vieles ist noch gar nicht erforscht oder entdeckt. Die Welt der Pilze gleicht einem 1 .000-Teile-Puzzle, selbst Expert*innen sind meist nur auf einen Teilbereich spezialisiert", erklärt Rita Lüder. Wo also anfangen, wenn man sich ins faszinierende Reich der Pilze begeben will? Hierbei können die "PilzCoaches" helfen, ausgebildete Pilzbegeisterte, die ihr Wissen weitergeben.

Pilze verrichten wahre Wunder, wir müssen nur hinschauen.

Das Konzept war eine Idee der Lüders, seit 2012 bilden sie und bundesweit ca. zehn weitere Ausbilder*innen jährlich Interessierte aus. Bei einem Seminar Ende März haben 13 Menschen mit unterschiedlichen Vorerfahrungen und Wünschen sich zum ersten von insgesamt drei Wochenenden im niedersächsischen Loccum zusammengefunden. Darunter sind erfahrene Wildkräuterführer*innen, Neueinsteiger*innen oder Lehrer*innen wie Axel Fein. "Die Ausbildung ist super, weil ich nicht nur theoretisch dazulerne, sondern auch, wie ich mein Wissen spielerisch und nahbar weitergeben kann. So kann ich mehr Pilz in meinen Unterricht integrieren, besonders wenn wir draußen im Wald sind", freut er sich.

Genuss auf jeder Ebene

Die kreative Wissensvermittlung, die den Spaß an Pilzen und ihrer Bedeutung für das Ökosystem wecken soll, insbesondere bei Kindern, steht im Mittelpunkt der Ausbildung. So schöpfen die Teilnehmenden am ersten Tag Papier aus dem zuvor gesammelten Birkenporling, schreiben mit Pilztinte oder versuchen sich trotz Regen am Feuermachen mit einem Zunderschwamm.

Hinzu kommt Theorie: Leicht erkennbare Speisepilze wie die Stinkmorchel oder die Krause Glucke - und wie man sie putzt, lagert und zubereitet - sind Thema, aber auch Giftpilze und "Doppelgänger" einiger Speisepilze. Und natürlich dürfen Ausflüge in den angrenzenden Wald nicht fehlen. Selbst im Frühling, wo die aus dem Boden sprießenden Fruchtkörper der Pilze weniger ins Auge fallen, gibt es ihre Spuren überall zu entdecken.

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Tipp

Der Bundesfachausschuss Mykologie (BFA) möchte das Wissen und die Faszination über Pilze und ihre überlebenswichtigen Funktionen in den Mittelpunkt der Gesellschaft und des Naturschutzes rücken. Bestehende Strukturen auf Orts-, Regional- und Landesebene innerhalb des NABU werden vernetzt, Wissen wird ausgetauscht und gebündelt.

Mitstreiter*innen sind immer herzlich willkommen:
www.NABU.de/BFA-Mykologie
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Mit offenen Augen durch den Wald

Die Lüders ermuntern, auf alles zu achten, stehen zu bleiben, Funde zu betasten, sich auszutauschen: Was für eine Art von Pilz könnte das sein? Nach wenigen Metern fallen die Spuren der Zersetzerpilze ins Auge, neben den Mykorrhiza- und Schmarotzerpilzen die dritte Lebensform. Der Brandkrustenpilz beispielsweise verfärbt das Holz eines Baumstammrestes schwarz und bildet, wenn er jung ist, weiße Fruchtkörper. Drückt man auf die schwarzen Fruchtkörper, knackt es ordentlich.

Auch sonst kann sich die Ausstellung der gesammelten Pilze am Ende des Seminars sehen lassen: Zimtfarbener Weichporling, Drüsling oder das Judasohr, das man meist an Holunder findet, sind nur einige Beispiele. Zum Abschluss des Wochenendes wurden die Funde wieder zurück in die Natur gebracht, um ihr Werk zu verrichten. Denn eines wurde in den zwei Tagen mehr als deutlich: Pilze bereichern unser Leben auf vielfältige Weise.

Unter www.dgfmev-ev.de finden Sie Pilz-Coaches und Pilzsachverständige in Ihrer Nähe, die NABU-Naturgucker-Akademie bietet einen Onlinekurs rund um Pilze an. Gleich selbst PilzCoach werden? AlIe Informationen dazu unter www.pilzcoach.de.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Judasohr
  • Das Judasohr besiedelt vorzugsweise den Schwarzen Holunder.
  • Satans-Röhrling
  • Selbst Giftpilze wie diesen Grünen Knollenblätterpilz oder den Satans-Röhrling (o.) kann man anfassen. Sie sind nur beim Verzehr schädlich.
  • Der Gemeine Riesenschirmling, Parasol oder Riesenschirmpilz ist ein beliebter Speisepilz.
  • Der Birkenporling zersetzt meist geschwächte oder abgestorbene Birken und bringt so das Holz wieder in den Stoffkreislauf zurück.
  • Streifzug durch den Wald: Die Teilnehmenden finden vor altem Myzel von Pilzen und Mykorrhiza, wie z. B. von Röhrlingen oder Zersetzer wie das Judasohr.
  • Der Brandkrustenpilz verfärbt das Holz eines Baumstammrestes schwarz.

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Quelle:
Naturschutz heute - Sommer 2023, Seite 36-37
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
Tel.: 030/284984-1958, Fax: 030/284984-3958
E-Mail: Naturschutz.heute@NABU.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: NABU@NABU.de
Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 1. August 2023

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