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VÖGEL/1065: Verschwundene Vögel? - "Vogelmangel" hat vielschichtige Ursachen (NABU SH)


NABU Landesverband Schleswig-Holstein - 13. Dezember 2016

Verschwundene Vögel?

NABU: "Vogelmangel" hat vielschichtige Ursachen


Neumünster - In den letzten Wochen erreichen den NABU aus vielen Regionen besorgte Anfragen, weil vor allem typische Gartenvogelarten wie Meisen, Finken und Amseln 'verschwunden' seien. "In der Tat sind derzeit relativ wenige Vögel zu sehen", sagt NABU-Vogelexperte Ingo Ludwichowski. "Eine einfache, schlüssige Erklärung für dieses Phänomen haben aber die wenigsten Fachleute parat. Die Einflüsse auf Vogelbestände sind nämlich vielfältig und komplex." Man geht derzeit von drei Ursachen des aktuellen "Vogelmangels" aus: die vergleichsweise milde Witterung, noch ausstehende Wintergäste und die Folgen einer schlechten Brutsaison 2016. Langfristig wirken vor allem die Intensivierung der Landwirtschaft und der damit verbundene gesteigerte Pestizideinsatz.

Solange Eis und Schnee ausbleiben, finden viele Vogelarten ausreichend Nahrung und sind nicht gezwungen, Futterhäuschen in Gärten aufzusuchen. Zudem sind viele Wintergäste, die sonst in großer Zahl unsere Gärten und Wälder bevölkern, noch nicht eingetroffen. Dazu gehören zum Beispiel nordische Kohlmeisen, Gimpel, Zeisige, Buch- und Bergfinken. Die Hauptursache für den "Vogelmangel" sieht der NABU in einem schlechten Brutergebnis mit weniger überlebenden Nachkommen als in anderen Jahren. "Gerade Arten, die wir am Futterhaus erwarten, scheinen dieses Jahr weniger Nachwuchs durchbekommen zu haben", sagt Ludwichowski. Die Hinweise mehren sich, dass viele Bruten in Baumhöhlen und Nistkästen nicht ausgeflogen sind. Bei der Erklärung des schlechten Brutergebnisses dürfte die nasskalte Witterung im Frühjahr eine wichtige Rolle spielen.

Nicht zu unterschätzen sind aber weitere Faktoren wie die zunehmend intensivierte Landwirtschaft oder der Einsatz von Pestiziden wie Neonicotinoide, die die Lebens- und Ernährungsbedingungen von Wildvögeln dramatisch verschlechtern. Gerade der auffällige Mangel an Fluginsekten kann vielen Vogelarten besonders in kritischen Phasen wie einem nasskalten Frühjahr zusätzliche Nachteile bringen. "Nahezu alle Singvögel sind in der Fortpflanzungsphase auf Insektennahrung angewiesen", erläutert Ludwichowski. "In Europa leben heute rund 450 Millionen Vögel weniger als noch vor drei Jahrzehnten und die Roten Listen werden immer länger". Um den qualitativen und quantitativen Verlust der Vögel aufzuhalten oder gar wieder umzukehren, reichten die bisherigen Anstrengungen der Politik zum Schutz der Biodiversität und insbesondere der Vögel nicht aus.

Infektionskrankheiten dürften für den "Vogelmangel" nur eine untergeordnete Rolle spielen. "Der Ausbruch des Usutu-Virus im Spätsommer hat allenfalls lokal die Amselbestände reduziert", ist die Einschätzung des NABU-Fachmanns. Auswirkungen zeigt aber ein Erreger, der das Sterben vor allem bei Grünfinken verursacht. Die Vogelgrippe scheidet bei Gartenvögeln als Ursache weitgehend aus.

"Wir verfolgen die Entwicklung weiterhin kritisch. Und wir sind gespannt auf die Ergebnisse der großen Wintervogelzählungen Anfang Januar", betont Ludwichowski, und ruft alle Naturfreunde zur Teilnahme auf.


Tipp: NABU-Mitmachaktion "Stunde der Wintervögel" (6. - 8. Januar 2017)

Vom 6. bis 8. Januar 2017 findet die siebte "Stunde der Wintervögel" statt. Der NABU lädt alle Naturfreundinnen und Naturfreunde ein, eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu zählen. Wer möchte, kann sich vorher über die heimische Vogelwelt informieren und sich mit der praktischen NABU-Zählhilfe ausstatten, die es im Internet unter www.stundederwintervoegel.de gibt. Die Zahlen trägt man in ein praktisches Online-Formular ein. Unter den freiwilligen Zählerinnen und Zählern werden hochwertige Preise verlost - vom Fernglas über Bücher und Vogelnistkästen bis hin zu Ikea-Gutscheinen.

Die "Stunde der Wintervögel" ist die größte wissenschaftliche Mitmachaktion Deutschlands. Ziel ist, dass möglichst viele Menschen Daten sammeln. Daraus können Fachleute wichtige Informationen zur Entwicklung der heimischen Vogelbestände ableiten. So liefert die Langzeitstudie wertvolle Hinweise zum Schutz der Artenvielfalt.

Weitere Informationen zur Aktion:
www.stundederwintervoegel.de

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Quelle:
Presseinformation, 13.12.2016
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Schleswig-Holstein
Färberstr. 51, 24534 Neumünster
Tel.: 04321/53734, Fax: 04321/59 81
E-mail: info@NABU-SH.de
Internet: www.NABU-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2016

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