Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → ARTENSCHUTZ

VIELFALT/073: "Globaler Ausblick" - Artenverlust geht ungebremst weiter (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010
Wohlstand durch Wachstum? Wohlstand ohne Wachstum? Wohlstand statt Wachstum?

Artenverlust geht ungebremst weiter

Die Staatengemeinschaft ist jetzt gefordert

Von Kathrin Blaufuß


Der 3. Globale Ausblick zur Lage der biologischen Vielfalt stellt der Weltgemeinschaft ein vernichtendes Urteil aus: "Die internationale Gemeinschaft ist beim Versuch, die Rate des Verlusts an Biodiversität bis zum Jahr 2010 erheblich zu senken, gescheitert". Nun heißt es aber: nicht aufgeben, sondern anpacken.


Am 10. Mai wurde der dritte Global Biodiversity Outlook (GBO3), herausgegeben vom Sekretariat der Konvention über die biologische Vielfalt, der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit diesem Bericht sollten die neuesten verfügbaren Daten zum aktuellen Zustand der Biodiversität und die Fortschritte bei der Erreichung der gesteckten Ziele und Teilziele eine deutliche Reduzierung des Artenverlusts bis 2010 zu erreichen, evaluiert werden. Viele Fortschritte sind allerdings nicht zu verzeichnen, denn in der Evaluierung der Teilziele sieht man rot. Das heißt, die Kuchendiagramme, die zur Veranschaulichung der Teilziele gewählt worden sind, sind überwiegend rot gefärbt, was soviel bedeutet wie "in globalem Maßstab nicht erreicht".

Zwar stellt der Bericht fest, dass die Regierungen ihre Anstrengungen gesteigert und die Schutzbemühungen intensiviert haben, was z.B. an der Erweiterung von Schutzgebieten und der Bereitstellung von weiteren Geldern für den Biodiversitätsschutz erkennbar ist. Aber trotz dieses gesteigerten Engagements vergrößern sich weiterhin die Bedrohungen für die Biodiversität.

Die Auswertung der vorhandenen Daten belegt eine anhaltende Abnahme der Biodiversität weltweit. Von den Indikatoren zeigen zehn negative Trends, bei dreien bestehen Bedenken und nur drei Indikatoren zeigen einen positiven Trend. Andererseits zeigen einzelne Beispiele aus mehreren Regionen und Ländern, dass negative Trends der Gefährdung biologischer Vielfalt umgekehrt werden können. Hierfür waren Maßnahmen zur Bekämpfung der Entwaldung, Anreize für nachhaltige Land- und Forstwirtschaft oder die Verbesserung der Wasserqualität von Flüssen verantwortlich. Keines der (Unter-)Ziele ist aber im globalen Maßstab definitiv erreicht worden. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass es zu einer signifikanten Reduzierung der Rate des Biodiversitätsverlusts auf globaler Ebene gekommen ist, ganz im Gegenteil die Treiber für den Verlust wurden vielerorts intensiviert.


Taten müssen folgen

Der GBO3 ist damit eine gelungene Bestandsaufnahme, die das Versagen der Politik auf breiter Ebene dokumentiert und müsste nun als Weckruf an die Staatengemeinschaft dienen. Auf diese klare Analyse des Scheiterns müssen Taten folgen. Denn der Bericht könnte zeitgemäßer nicht sein: Im Internationalen Jahr der Biodiversität, im Jahr der Zielmarke für das 2010-Ziel und auch der Zielmarke, die für weitere Prozesse wie z.B. das ABS-Protokoll gesteckt wurde, könnte man mehr Aufmerksamkeit wohl kaum erwarten. Die Vorzeichen sich mit der Botschaft Gehör zu verschaffen, könnten besser nicht sein und doch geht kein größerer zu vermerkender Aufschrei oder Ruck durch die Weltgemeinschaft, weil das Ziel den Artenverlust zu stoppen so eklatant verfehlt worden ist.

Der Bericht macht auch deutlich, dass wir noch nicht einmal geschafft haben, die Weichen so zu stellen, dass ein Pfad der Besserung eingeschlagen wird. Ganz im Gegenteil, eindrücklich zeigt der Bericht auf, dass sich viele der Hauptauslöser und Treiber für den Artenverlust, wie z.B. der steigenden Verbrauch biologischer Ressourcen, noch verstärkt haben und wir uns möglichen Tipping Points, die unwiderrufliche und katastrophale Folgen für die Ökosysteme haben würden, nähern.

Deshalb muss nun sichergestellt werden, dass der Strategische Plan der Konvention über die biologische Vielfalt für den Zeitraum 2011-2020, entsprechend ambitionierte Handlungsoptionen vorgibt, die den Stopp des Artenverlusts tatsächlich bewirken können. Das steht im japanischen Nagoya bei der zehnten Vertragsstaatenkonferenz (COP10) diesen Oktober auf dem Spiel.


Integration in alle Politikfelder

Der GBO 3 macht überdeutlich, dass durch die mangelnde Integration der Biodiversität in andere Politikfelder allzu oft gute Ansätze konterkariert werden. Daher muss Biodiversität in allen Entscheidungsbereichen und wirtschaftlichen Sektoren Priorität werden. Zu Eröffnung des Internationalen Jahres der Biodiversität am 11. Januar 2010, verkündete die Kanzlerin, dass der ganzen Regierung - inklusive aller Ressorts - die biologische Vielfalt ein besonderes Anliegen sei. Diese Aussage ist leider empirisch nicht zu belegen. Der Entwurf der EU-weiten 2020 Wirtschaftsstrategie spricht eine andere Sprache, so fehlt dort ein eindeutiges Biodiversitätsziel komplett. Die Empfehlung des Umweltministerrats, dass Biodiversität als Ziel aufgenommen werden solle, verpuffte bisher.

Vielleicht die größte Chance für den Artenschutz birgt die EU-Agrarreform im Jahr 2013, denn nachhaltige Landwirtschaft und der Erhalt der biologischen Vielfalt sind zwei Seiten derselben Medaille. Doch es besteht die Gefahr, dass - wie bisher - die Interessen der Industrielandwirtschaft, nicht des Artenschutzes, die Reformagenda 2013 dominieren.


Nagoya muss ein Erfolg werden

Daher ist es wichtig dass bei der COP10 im Oktober starke Signale gesetzt und ambitionierte Ziele festgesteckt werden. Allerdings wird das nur zu erreichen sein, wenn der Norden Flexibilität bei Themen zeigt, die den Entwicklungsländern besonders wichtig sind - wie Access und Benefit Sharing und die Bereitstellung von adäquaten Ressourcen. Nur dann wird es möglich sein, dass man sich mindestens auf den Stopp des Biodiversitätsverlustes und die Wiederherstellung der Ökosysteme für die nächsten 10 Jahre einigen wird.


Die Autorin ist NGO Focal Point für die Vorbereitung der CBD COP10 / MOP5 2010 im Rahmen eines gemeinsamen Projekts von Forum Umwelt und Entwicklung und Deutschem Naturschutzring.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


*


Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2010, S. 30
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2010