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VÖGEL/812: Schwarzspecht - Höhlenzimmerer für Nachmieter (Unser Wald)


Unser Wald - 1. Ausgabe, Januar/Februar 2012
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Schwarzspecht - Höhlenzimmerer für Nachmieter

von Jörg Liesen



Der knapp krähengroße Schwarzspecht (Dryocopus martius) ist der größte unserer heimischen Spechtarten. Mit seinem schwarzen Gefieder, roten Scheitel (bei den Weibchen nur ein roter Genickfleck) und seinem kräftigen Schnabel ist er eine imposante Erscheinung - wenn man ihn denn entdecken kann.


Meistens erkennt man eher seine Spuren, nämlich aufgehackte Baumstämme und seine Brut- und Schlafhöhlen in den Bäumen. Aber zur Brutzeit im Frühjahr kann man auch seine weithin schallenden Rufe hören. Der Schwarzspecht ist von Europa über Russland bis Asien weit verbreitet. Europa besiedelt er außer große Teile Spaniens, Italiens und Großbritannien fast flächendeckend. In Europa leben zwischen 740.000 und 1,4 Mio. Brutpaare, davon in Deutschland um die 34.000 Brutpaare mit leicht zunehmender Tendenz.

Der Schwarzspecht hat von den Veränderungen der Forstwirtschaft in den letzten 100 Jahren stark profitiert (s. auch Artikel "Die Vogelwelt heimischer Wä|der"). Durch die Zunahme der Nadelhölzer und die Umstellung der Waldbewirtschaftung zum Hochwald wuchs das v.a. im Winter knappe Nahrungsangebot an Ameisen, Käfer- und Holzwespenlarven für den Schwarzspecht. Außerdem standen durch die nun älter werdenden Buchen und Kiefern wieder mehr potentielle Brutbäume für den Schwarzspecht zur Verfügung.

Als Standvogel lebt der Schwarzspecht in den Winter- und Frühjahrsmonaten vor allem von holz- oder totholzbewohnenden Ameisenarten, deren Gänge und Nester er mit wuchtigen Schlägen freilegen kann. Typische Hackspuren findet man häufig auch an äußerlich gesunden Fichten, die sehr tief ins Holz vordringen können, um an die holzbewohnenden Ameisen zu gelangen. An Ameisenhaufen können gelegentlich mehrere Schwarzspechte, manchmal gemeinsam mit Grün- oder Grauspechten, beobachtet werden. Selbst bei starkem Frost und hohen Schneelagen können Schwarz-, Grau- und Grünspechte Ameisenhügel öffnen und sich an den Ameisen und Puppen laben. Dabei gehen sie aber äußerst nachhaltig mit ihrem Nahrungsangebot um. Untersuchungen aus den Niederlanden zeigen, dass nur 5% der Ameisen gefressen wurden und damit das Ameisenvolk nicht existenziell gefährdet wurde.

Aufgrund seiner Größe und seinem kräftigen Schnabel ist der Schwarzspecht in der Lage, auch im gesunden Holz einer Buche oder Kiefer seine großen Brut- und Schlafhöhlen anzulegen. Die großen Höhlen werden von über 50 verschiedenen Nachmietern genutzt. Je nach Verfaulungsgrad der Schwarzspechthöhlen und Ansprüchen der Nachmieter nutzen u.a. Baummarder, Bienen und Hornissen, Fledermäuse, Raufußkauz, Gänsesäger und die Schellente die Höhlen zur Jungenaufzucht bzw. Brut oder als Schlafhöhle. Aufgrund des Mangels an natürlichen Höhlen in unseren Wirtschaftswäldern sind diese Nachmieter des Schwarzspechtes heute auf ihn angewiesen. Im Gegensatz zu vielen seiner Nachmieter ist der Schwarzspecht in Deutschland in seinem Bestand nicht gefährdet, aber aufgrund seiner Bedeutung für das Ökosystem in der europäischen Vogelschutzrichtlinie geführt. Das bedeutet, dass europaweit geeignete Lebensräume des Schwarzspechtes als Vogelschutzgebiete ausgewiesen werden müssen.

Autor
Jörg Liesen ist Diplom-Forstwirt und Dipl.-Ing. (FH) Landschaftsplanung;

E-Mail: liesen[at]naturparke.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Als Pionier erschließt der Schwarzspecht anderen Höhlenbrüterm das Altholz.

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
1.‍ ‍Ausgabe, Januar/Februar 2012, Seite 12
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2012