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KOHLEALARM/029: Klimakampf und Kohlefront - Finale Kontamination (Umweltgruppe Cottbus)


GRÜNE LIGA - Netzwerk ökologischer Bewegungen

Umweltgruppe Cottbus

Wie Vattenfall-Braunkohle Ihr Trinkwasser gefährdet

Für mehr als 2 Millionen Wasserkunden in Berlin und Frankfurt (Oder) ist wegen Vattenfalls Kohlengruben in der Lausitz die Trinkwasserqualität gefährdet. Die Kosten drohen statt auf den Verursacher auf die Verbraucher umgelegt zu werden.

Foto: © Bündnis Klare Spree

Verockertes Gewässer in der Lausitz
Foto: © Bündnis Klare Spree


Wie in der Lausitz Schwefelsäure gemacht wird

Um Braunkohle zu gewinnen, muss der Boden etwa 100 Meter tief abgegraben werden. Ebenso tief wird dabei das Grundwasser abgesenkt. In den Schichten über der Kohle lagerten seit Millionen von Jahren Verbindungen aus Eisen und Schwefel (Pyrite) ohne Schaden anzurichten. Kommen sie jedoch durch Grundwasserabsenkung und Bagger mit Luft und anschließend wieder mit Wasser in Berührung, zerfallen sie zu Eisen und Schwefelsäure. Das Ausmaß dieser Versauerung ist gigantisch, weil hunderte Quadratkilometer in der Lausitz in den letzten hundert Jahren leergepumpt und umgewühlt wurden.




Die DDR-Tagebaue und die "braune Spree"

Etwa ein Dutzend Tagebaue aus der DDR-Zeit wurden kurz nach 1990 stillgelegt. Für ihre Sanierung kommt der Steuerzahler durch die bundeseigene Gesellschaft LMBV auf. Wo das Grundwasser nicht mehr abgepumpt wird, steigt es an und bekommt jetzt, nach etwa zwanzig Jahren, in vielen Bereichen wieder Kontakt zu den Oberflächengewässern. Stark eisenhaltiges Wasser gelangt nun an vielen Stellen ("diffuse Quellen") in die Fließgewässer. Das Wasser färbt sich braun. Eisenhydroxid (Ocker) setzt sich an allen Oberflächen ab. Es bedeckt den Gewässergrund mit einem lebensfeindlichen Belag und setzt auch die Kiemen von Wassertieren zu. Diese Eisenfracht setzt sich meist innerhalb der ersten 30 Kilometer der Fließstrecke ab. Kommt es z. B. durch Starkregen zu höherem Durchluss kann es jedoch auch unerwartet flussabwärts weitergespült werden. Das endgültige Ausmaß des Phänomens ist zur Zeit noch nicht zu überblicken. Es wird geschätzt, dass allein die DDR-Tagebaue die Gewäser noch mindestens 100 Jahre lang belasten werden.

Kahlgeschürftes Ödland, im Hintergrund Fabrikschornsteine - Foto: © C. Huschga

Tagebau Jänschwalde
Foto: © C. Huschga


Die Vattenfall-Tagebaue und das Sulfat

Der Vattenfall-Konzern betreibt die fünf privatisierten Tagebaue in der Lausitz: Die Gruben Nochten und Reichwalde in Sachsen sowie Welzow-Süd, Jänschwalde und Cottbus-Nord in Brandenburg. Allein die drei brandenburgischen Tagebaue pumpen jährlich mehr als 200 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Boden. Der größte Teil wird in die Spree eingeleitet. In Reinigungsanlagen wird das Eisen zuvor weitgehend zurückgehalten, nicht jedoch das Salz der Schwefelsäure, das Sulfat (SO42-).

Denn es existiert kein für diese Mengen bezahlbares großtechnisches Reinigungsverfahren. Die Behörden haben deshalb bei der Genehmigung der Gruben erst gar keine Sulfatgrenzwerte für die Einleitung festgelegt. Es wird geschätzt, dass etwa 80% der Sulfatbelastung der Spree aus den Lausitzer Vattenfall-Tagebauen stammt. Das gelöste Sulfat wird mit dem Spreewasser über weite Strecken transportiert und gelangt so bis nach Berlin.

Doch auch die Eisen-Problematik ist nicht auf Dauer gebannt: Wenn die Vattenfall-Tagebaue ausgekohlt sein werden, wird auch hier das Grundwasser ansteigen und das gelöste Eisen ungehindert in die Oberflächen- und Fließgewässer gelangen. Die Folgen könnten dann wieder auf der Allgemeinheit lasten.

Foto: © H. Skupin

Grundwasserbrunnen an einem Vattenfall-Tagebau
Foto: © H. Skupin


Die Trinkwassergewinnung aus der Spree

Zahlreiche Wasserwerke in Berlin und Brandenburg gewinnen Trinkwasser aus Uferfiltrat der Flüsse. Für bis zu 2 Millionen Wasserkunden im Raum Berlin hängt die Einhaltung der Trinkwassergrenzwerte von der Qualität des Spreewassers ab. Hinzu kommt Frankfurt (Oder): Die zweitgrößte Stadt Brandenburgs erhält ihr Wasser vom an der Spree gelegenen Wasserwerk Briesen.

Für Sulfat gilt im Trinkwasser ein Grenzwert von 250 Milligramm pro Liter. Der Sulfatgehalt im Spreewasser liegt in Teilen des Kohlereviers deutlich darüber. An den großen Wasserwerken haben sie sich dem Grenzwert in den vergangenen Jahren angenähert. Für bestimmte Verwendungen, etwa für Brauereien müssen die Werte deutlich darunter liegen. Sulfat greift in hohen Konzentrationen zudem Beton an, weshalb es in den Leitungsnetzen der Versorger hohe Kosten verursachen kann.

Quelle: 'Infoblatt: Braunkohle und Trinkwasser'

Verlauf der Spree von der Quelle bis zur Mündung
Quelle: "Infoblatt: Braunkohle und Trinkwasser"


Neue Tagebaue und Ihr Trinkwasser

Die Behörden Brandenburgs und Berlins rechnen bei den Stoffeinträgen in die Spree damit, "dass eine Trendumkehr erst in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten ist."[*] Dabei haben sie nur die derzeit aktiven und die ehemaligen Tagebaue berücksichtigt. Der künftige Rückgang der Belastung wird dabei mit Rechenmodellen prognostiziert, die zwangsläufig mit großen Unsicherheiten behaftet sind.

In dieser Situation plant Vattenfall jedoch fünf weitere Tagebaue: Jänschwalde-Nord, Welzow-Süd II, Nochten II, Bagenz-Ost und Spremberg-Ost. Hier sollen nicht nur 3.200 Menschen umgesiedelt werden. Jeder dieser Tagebaue bedeutet über mindestens 20 Jahre zusätzlichen Sulfateintrag in die Spree. Prognosen über die Menge können auch hier nur grob geschätzt werden. Auf jeden Fall müssten dabei alle Tagebauprojekte im Zusammenhang betrachtet werden, was bisher nicht erfolgte. Statt einer angespannten Phase in den Jahren 2010 bis 2030 würden die massiven Sulfatbelastungen bis in die Zeit nach 2050 festgeschrieben. Folgeschäden nach Wiederanstieg des Grundwassers wären mindestens bis zum Ende des Jahrhunderts spürbar.

farblich markiert nach: stillgelegt; bergrechtlich genehmigt; Planungen von Vattenfall Europa Mining AG - Karte: © Grüne Lig

Braunkohletagebaue in der Lausitz
Karte: © Grüne Liga


Die GRÜNE LIGA fordert:

Neue Tagebaue widersprechen dem in der Wasserrahmenrichtlinie der EU festgelegten Verschlechterungsverbot sowie der Verantwortung gegenüber den Trinkwasserkunden in Berlin und Brandenburg.
Als klimaschädlichster Energieträger ist Braunkohle mittelfristig abzulösen. Braunkohleverstromung wird nach 2040 nicht mehr benötigt. Mit der Kohle aus den bereits genehmigten Tagebauen kann sie schrittweise auslaufen.
Die Abbaggerung von Dörfern und Kulturlandschaften gehört nicht ins 21. Jahrhundert. Die Planverfahren sind deshalb zu beenden und keine neuen Braunkohletagebaue zuzulassen.

Was Sie tun können:

Fordern Sie von der Berliner Senatsverwaltung und der brandenburgischen Landesregierung den Stopp der Planung neuer Tagebaue. Beide Länder haben eine gemeinsame Landesplanung vereinbart! Fordern Sie auch Sachsen auf, keinen Tagebau Nochten II zuzulassen!
Bestehen Sie darauf, dass durch Sulfat verursachte Mehrkosten Ihres Wasserversorgers nicht den Kunden, sondern dem Verursacher Vattenfall in Rechnung gestellt werden. Nicht nur die Anschaffung von Entsalzungsanlagen, vor allem deren dauerhafte Betriebskosten belasten den Wasserpreis.
Sie können zu Öko-Stromanbietern wechseln, die keine Braunkohlentagebaue betreiben.

Mehr darüber auf: www.lausitzer-braunkohle.de

Quellen:
[*] Strategiepapier der brandenburgischen Behörden 2009

*

Quelle:
Infoblatt: Braunkohle und Trinkwasser
Herausgeber:
Umweltgruppe Cottbus e.V.
c/o Eine-Welt-Laden
Straße der Jugend 94
03046 Cottbus
Tel.: 0355-483 78 15
E-Mail: umweltgruppe@web.de
Internet: www.lausitzer-braunkohle.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2013