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AKTION/509: Kohle und Klima - Das Jahr 2015 wird heiß! (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015
Kreislaufwirtschaft
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Kohle und Klima

Das Jahr 2015 wird heiß!

von Christiane Hildebrandt


Kohle ist der klimaschädlichste Energieträger - das wissen Klimabewegte schon seit Langem und auch die Politik hat das mittlerweile erkannt. Es bleibt jedoch die Frage, ob daraus die richtigen Schlüsse und notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Das Klimajahr 2015 wird zum Glaubwürdigkeitstest für die Bundesregierung und zum Prüfstein für die Klimabewegung.


Deutschland ist weltweit der größte Braunkohleproduzent und besitzt die schmutzigsten Kraftwerke Europas. Während der Ausstieg aus der Steinkohle bis zum Jahr 2018 beschlossen ist, setzen kohlereiche Bundesländer wie Brandenburg und Nordrhein-Westfalen weiterhin auf die Braunkohle, den noch ineffektiveren und dreckigeren der beiden Energieträger. Kohle ist jedoch nicht nur der klimaschädlichste fossile Brennstoff. Für ihre Gewinnung werden Dörfer zerstört und Menschen umgesiedelt - ob in Deutschland oder Kolumbien. Bisher ebenso wenig Beachtung finden die hohen gesundheitlichen Auswirkungen des Kohleabbaus auf die Menschen. Die Emissionen aus der Verbrennung von Kohle belasten unsere Gesundheit zunehmend durch Feinstaub und Quecksilber.

Die Geschichte der Braunkohle in Deutschland hat eine lange Tradition. Der Kohleabbau ist eng mit dem Gedanken an einen wirtschaftlichen Aufschwung verbunden. Insbesondere in den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands gilt die Kohleindustrie als verlässlicher Arbeitgeber und Jobgarant für die Zukunft. Im Jahr 2013 produzierte Deutschland den meisten Kohlestrom seit der Wiedervereinigung und ließ die CO2-Emissionen wieder steigen. Dieser klimaschädliche Trend ist mittlerweile zwar gestoppt, doch Braunkohlekraftwerke sind weiterhin die größten CO2-Emittenten in Deutschland. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie ernst es die Bundesregierung mit ihren eigenen Klimazielen meint.


Kohleabbau und Klimaschutz gehen nicht zusammen

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoß in Deutschland bis zum Jahr 2020 um 40% gegenüber dem Jahr 1990 zu senken. Dafür ist allein in der Stromerzeugung eine Senkung der Emissionen auf 290 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich notwendig. Bis 2050 sollen die klimaschädlichen Emissionen dann um 80 bis 95% gemindert und eine Versorgung mit nahezu 100% erneuerbaren Energien realisiert werden. Sollte die Bundesregierung keine geeigneten Maßnahmen zur CO2-Minderung im Energiesektor ergreifen, wird dieses Ziel verfehlt. Denn längst ist klar: Wer Kohlendioxid einsparen will, muss raus aus der Kohle.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat nun reagiert und Pläne zur CO2-Einparung im Energiesektor vorgelegt, nach denen die ältesten und emissionsintensivsten Kraftwerke einen so genannten "Klimabeitrag" leisten müssen. Widerstand gegen die Pläne kommt vor allem von den "Kohleländern" Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen und von den Gewerkschaften, die vor hohen Arbeitsplatzverlusten warnen. Es ist jedoch nur noch eine Frage der Zeit, bis das Ende der Kohle eingeläutet wird und einen grundlegenden Wandel in der Energiewirtschaft nötig macht. Den betroffenen Menschen muss eine Perspektive jenseits der Kohle angeboten werden. Im Sektor der erneuerbaren Energien beispielsweise, arbeiten schon heute mehr Menschen als in der Kohleindustrie.

Wer jetzt nicht beginnt in den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien und die dafür benötigte Infrastruktur zu investieren, blockiert nicht nur die Energiewende, sondern verhindert auch einen notwendigen sozialverträglichen Strukturwandel in den Kohleregionen.


Die internationalen Klimaverhandlungen - Top oder Flop?

Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung wird sich nicht nur national, sondern insbesondere auch international daran messen lassen, wie ernst sie es mit ihren eigenen Klimazielen meint. Das Jahr 2015 bietet dafür einige Anlässe. Ende des Jahres wird in Paris über ein verbindliches internationales Klimaschutzabkommen als Nachfolge des Kyoto-Protokolls verhandelt, das 1997 erstmals völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für die Treibhausgasemissionen der Industrienationen festlegte. Auf der 21. Vertragsstaatenkonferenz (COP21) vom 30. November bis zum 11. Dezember beraten die 195 Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention erneut, wie der globale Temperaturanstieg auf unter 2 Grad Celsius begrenzt werden kann.

Auf dem Weg nach Paris wird es wichtige Zeitfenster geben, den Druck auf Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft zu erhöhen und ein konsequentes Umdenken in der Wirtschaftspolitik zu fordern. Nach dem G7-Gipfel in Bayern Anfang Juni, folgt im November der Gipfel der G20 in der Türkei, bei welchem die Gruppe der 20 großen Industrienationen zusammenkommen und über die Dringlichkeiten in der globalen Weltpolitik diskutieren wird. Im September wird in New York über einen Nachfolgerahmen für die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) beraten. Ziel ist die Verabschiedung einer Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung als Leitplanke für ein Leben in Wohlstand innerhalb der Grenzen unseres Planeten.

Es scheint, als sei die Dringlichkeit des Klimawandels ganz oben auf der weltpolitischen Agenda angekommen. Die Ergebnisse der Klimaverhandlungen sprechen jedoch eine andere Sprache. Viel zu schleppend kommt der internationale Klimaschutz voran und die Erwartungen der Zivilgesellschaft an die Verabschiedung eines globalen und vor allem völkerrechtlich verbindlichen Klimaschutzabkommens in Paris sind gering. Nach den ernüchternden Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte bleibt also die Frage, wie sich die Klimabewegung auf die diesjährigen Verhandlungen einstellt.


Die Klimabewegung stellt sich auf

Im Jahr 2009 waren die Erwartungen noch hoch. Damals wurde in Kopenhagen auf der COP15 über ein verbindliches Nachfolgeabkommen ab dem Jahr 2012 verhandelt. Die Klimakonferenz ging jedoch ohne nennenswerte Ergebnisse zu Ende und als Flop in die Geschichte ein und die noch junge Klimabewegung musste sich neu konstituieren.

Seit Kopenhagen stellt sich auch die berechtigte Frage, wie sinnvoll eine Mobilisierung zu den Klimaverhandlungen ist, wenn ihr Scheitern von vielen bereits jetzt prognostiziert wird. Auf diese Frage haben NGOs und GraswurzelaktivistInnen unterschiedliche Antworten. Bisher sieht es danach aus, als ob es auch in diesem Jahr eine breite Mobilisierung zu den Klimaverhandlungen in Paris geben wird. Deutschland mit seiner starken Zivilgesellschaft kommt als Nachbarland hierbei eine besondere Bedeutung zu.

Während sich ein großer Teil der NGOs auf die Verhandlungen einstellt und als Teil der Zivilgesellschaft offiziell geladen ist, konzentrieren sich andere Teile der NGO-Szene und die Graswurzelbewegung darauf, den Protest auf die Straße zu tragen - in Paris und überall. Die Strategien und Aktionsformen sind dabei so vielfältig wie die Akteure. In Frankreich hat sich bereits jetzt ein großes und breites Bündnis formiert, das mit der Mobilisierung nach Paris begonnen hat. Die Strategie der Coalition Climate 21 ist es, die Breite der Zivilgesellschaft zu mobilisieren und dabei weltweit den lokalen und den globalen Protest miteinander zu verbinden. [1]


In Deutschland ist viel geplant

Die Klima-Allianz Deutschland wie auch andere Klimabewegte beteiligen sich aktiv an der Mobilisierung zu den Klimaverhandlungen und unterstützen die vielfältigen Aktionen in Deutschland und in Paris. Für den 26. September ist ein bundesweiter Klima-Aktionstag unter dem Motto "Klimaschutz: Vorangehen!" als Teil eines "Global day of action" - eines globalen Aktionstages - geplant, an dem Menschen mit Demonstrationen, Protestaktionen und Infoveranstaltungen weltweit ihr Engagement für den Klimaschutz aufzeigen. [2] Der diesjährige Klima-Aktionstag findet in Kooperation mit dem Ökumenischen Pilgerweg für Klimagerechtigkeit statt, der am 13. September in Flensburg startet und Anfang Dezember in Paris enden wird. [3] Auf dem Weg nach Paris finden zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen zu den Themen Klimaschutz und Klimagerechtigkeit statt. Dabei möchte der Pilgerweg spirituelle Besinnung mit politischem Engagement verbinden.

Auch die Kohle bekommt in diesem Jahr wieder kräftigen Gegenwind. Für August sind erneut Klimacamps im Rheinischen und im Lausitzer Kohlerevier geplant. Ziel dieser Camps ist es, den lokalen Widerstand mit der globalen Forderung nach Klimagerechtigkeit zu verknüpfen. [4] Zudem werden nach zwei erfolgreichen Menschenketten in den beiden großen Kohlerevieren im letzten und in diesem Jahr, erneut viele Menschen zusammenkommen und am 20. Juni in Proschim in der Lausitz gemeinsam ein gelbes Protest-X als Zeichen des Kohlewiderstandes bilden. Der Ort gehört zu den unmittelbar vom Kohletagebau bedrohten Dörfern und soll den Kohlebaggern weichen. [5]

Überall in Deutschland, Europa und der Welt formiert sich der Widerstand gegen den verschwenderischen Umgang mit unseren Ressourcen und die daraus resultierende zunehmende Erderwärmung mit ihren katastrophalen Folgen, insbesondere für die ärmsten Menschen. Das Jahr 2015 wird zeigen, wie viel Strahlkraft die Klimabewegung besitzt und ob sie es schafft, ihr Mobilisierungspotential für den Klimaschutz auch nach Paris aufrechtzuerhalten.


Die Autorin ist Referentin für Internationale Klimapolitik bei der Klima-Allianz Deutschland.


Fußnoten

[1] Weitere Informationen unter:
http://coalitionclimat21.org.

[2] Weitere Informationen ab Juli 2015 unter:
www.klima-bewegen.de.

[3] Weitere Informationen unter:
www.klimapilgern.de.

[4] Weitere Informationen unter:
www.klimacamp-im-rheinland.de und
www.lausitzcamp.info.

[5] Weitere Informationen unter:
www.lausitzer-widerstand.de.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015, S. 37-38
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
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Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2015

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