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BODEN/164: Bodenschutz ist mehr als nur Altlastenbearbeitung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015
Ökosystem Boden
Die dünne Haut der Erde

Bodenschutz ist mehr als nur Altlastenbearbeitung
Der vorsorgende Schutz unserer Böden muss ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden

Von Dr. Norbert Feldwisch und Prof. Dr. Monika Frielinghaus


Vor mehr als 17 Jahren wurde der Bodenschutz erstmals eigenständig gesetzlich geregelt: Das Bundesbodenschutzgesetz und die eingeführte Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung fordern, dass Böden und ihre natürlichen Funktionen im Naturhaushalt zu sichern oder wiederherzustellen sind. Was ist seither geschehen? Böden werden weiterhin durch neue Siedlungs- und Verkehrsflächen verbraucht. Baumaßnahmen beeinträchtigen Böden durch vielfaches Befahren mit schweren Lasten und führen zu irreversiblen Verdichtungen. Große Mengen wertvoller Ackerböden gehen jedes Jahr durch Wasser- und Winderosion verloren.


Als der Bodenschutz in den 1990er Jahren gesetzlich geregelt wurde, stand aufgrund der Altlastenerfahrungen die rechtliche Regelung zur Erfassung und Sanierung von Schadstoffbelastungen im Vordergrund. So beziehen sich sowohl Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) als auch die BundesBodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) überwiegend auf Regelungen zum stofflichen Bodenschutz.

Gleichwohl ist der Schutzanspruch des Bodenschutzes nicht auf stoffliche Belange beschränkt. So ist die Bodenerosion explizit im deutschen Bodenschutzrecht berücksichtigt. Allerdings sind die rechtlichen Regelungen zum Schutz der Böden vor Erosion, verankert im § 17 BBodSchG und § 8 BodSchV, in der Praxis ein stumpfes Schwert. Zum einen, da sich der Gesetzgeber nicht dazu durchringen konnte, eine eindeutige Gefahrenschwelle, ab der Maßnahmen zum Schutz vor Erosion umgesetzt werden müssen, zu definieren. Bei Schadstoffbelastungen dagegen sind VerursacherInnen, GrundstückseigentümerInnen und Behörden zur Abwehr von Gefahren verpflichtet, wenn Prüf- oder Maßnahmenwerte überschritten werden. Ein entsprechender Prüf- oder Maßnahmenwert fehlt für Schäden durch Bodenerosion. Zum anderen sind die Bodenschutzbehörden zumeist fachlich und personell überfordert, neben den drängenden Altlastenaufgaben auch noch die Belange des vorsorgenden Bodenschutzes umzusetzen.

Ziele des vorsorgenden Bodenschutzes

Der Schutz der Böden vor Erosion sowie die Vermeidung von schädlichen Bodenverdichtungen sind die zentralen Zielsetzungen des vorsorgenden Bodenschutzes. Die Folge der Vollzugsdefizite ist, dass weder Bodenerosion noch Bodenverdichtungen in der Planung und Zulassung beispielsweise von Bauvorhaben angemessen berücksichtigt werden. Bodenerosion und Bodenverdichtung sind auch infolge unsachgemäßer landwirtschaftlicher Bodennutzungen bedeutsam. Aber selbst offenkundige Schäden durch Erosion und Verdichtung entziehen sich in der Regel dem behördlichen Zugriff, weil die aktuellen bodenschutzrechtlichen Regelungen nicht eindeutig genug sind.

Angesichts der erkennbaren Vollzugsdefizite im vorsorgenden Bodenschutz hat der Bundesverband Boden e.V. (BVB) konkrete Vorschläge zur Novellierung der BBodSchV vorgelegt. Die Novellierung steht allerdings noch aus. Aus Sicht des BVB ist es dringend notwendig, die BBodSchV um konkrete und ausgestaltete Regelungen zum vorsorgenden Bodenschutz zu erweitern. Diese Notwendigkeit ergibt sich insbesondere daraus, dass die Beeinträchtigung der Bodenfunktionen durch physikalische Einwirkungen sowohl vom Flächenumfang als auch vom Bodenvolumen deutlich größer ist, als durch stoffliche Einwirkungen - mit Ausnahme diffuser Stoff- und Säureeinträge über die Atmosphäre.

Beeinträchtigungen durch Verdichtungen

Allein die Beeinträchtigung der Bodenfunktionen durch Verdichtungen außerhalb der Landwirtschaft kann überschlägig auf ca. 40 bis 50 Hektar/Tag geschätzt werden. Diese Größenordnung stützt sich auf den aktuellen Flächenverbrauch für Siedlungen und Verkehr, der bei ca. 70 Hektar/Tag liegt. Etwa 50 % dieser Flächen werden versiegelt. Die andere Hälfte von ca. 35 Hektar wird nur temporär baulich in Anspruch genommen und soll anschließend wieder natürliche Bodenfunktionen übernehmen. Darüber hinaus werden allerdings weitere Bodenflächen durch temporäre Baumaßnahmen in der freien Feldflur physikalisch beansprucht, beispielsweise für erdverlegte Wasser-, Gas- und Stromleitungen, Freileitungsbau, erneuerbare Energieanlagen, Gewässerumbaumaßnahmen oder auch Funkmasten.

Die Baupraxis zeigt, dass diese Baubedarfsflächen durch intensive Befahrungen, Materiallagerungen und Bodenumlagerungen massiv in ihren natürlichen Bodenfunktionen gestört werden können. Diese physikalischen Beeinträchtigungen von Böden beim Bauen und bei der (Wieder-)Herstellung von durchwurzelbaren Bodenschichten werden nach den Erfahrungen des BVB oftmals nicht ausreichend beachtet. Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen werden vielfach nicht angemessen umgesetzt. Eine Rekultivierung oder Sanierung derartiger Schäden unterbleibt aus Mangel an Wahrnehmung und gesellschaftlichem Druck.

Unzureichende Erfolge bei der Erosionsminderung

Auch bei der Bekämpfung der Bodenerosion sind wir nicht entscheidend weiter gekommen. Trotz jahrzehntelanger Forschung zu den Ursachen und praxisgerechten Schutzmaßnahmen treten jedes Jahr auf vielen Ackerflächen erhebliche Schäden durch Wasser- und Winderosion auf. Die Bodenfurchtbarkeit wird dadurch stark vermindert. Die Sedimenteinträge in andere Biotope, insbesondere in Gewässer, verursachen eine messbare Eutrophierung. Standortangepasste Schutzmaßnahmen - wie die Erhöhung der Bodenbedeckung durch konservierende Bewirtschaftungsverfahren - werden zum Beispiel durch Grünlandumbruch und verstärkten Maisanbau eliminiert. Hier muss die Landwirtschaftspolitik Regeln für einen verbindlichen vorsorgenden Bodenschutz erarbeiten. Das wären die Grundlagen für die Bodenschutzbehörden, im Schadensfall die Anforderungen des Bodenschutzes mit Hilfe des Ordnungsrechtes durchzusetzen.

Arten- und Biotopschutz muss Bodenschutz lernen

Auch die Verantwortlichen für den Arten- und Biotopschutz müssen in Teilen ihre Praxis überdenken, wenn die Ziele des Bodenschutzes erreicht werden sollen. Nicht selten wird Boden als beliebige Gestaltungsmasse für spezielle Artenschutzinteressen gesehen. Beispielsweise wird die fruchtbare Ackerkrume abgeschoben, um durch Freilegung des Unterbodens nährstoffarme Standorte herzustellen. Schädliche Verdichtungen der Böden durch Baumaßnahmen werden nicht als Schaden, sondern als Gewinn für den Amphibienschutz wahrgenommen, weil in den Wasserpfützen auf den verdichteten Böden Laichplätze zum Beispiel für Gelbbauchunke entstehen. Flächenvorbereitungen werden aus Gründen des Vogelschutzes unbedingt vor dem 1. März durchgeführt, obwohl dadurch auf den wassergesättigten Böden regelhaft massive Verdichtungsschäden entstehen.

Hiermit sollen keinesfalls die berechtigten Schutzziele des Arten- und Biotopschutzes in Frage gestellt werden, jedoch ist Naturschutz umfassender. Im Naturschutzgesetz sind gleichberechtigt die Böden als Lebensgrundlage für Pflanzen, Tiere und Bodenorganismen aufgeführt. Daher bedarf es einer fachlich validen Abwägung, welchen Schutzansprüchen der verschiedenen Naturgüter bei einzelnen Vorhaben der Vorrang gegeben werden muss. Ein grundsätzlicher Vorrang des Arten- und Biotopschutzes besteht nicht und ist aus Gründen der Verfahrenssicherheit auch nicht zu empfehlen. Bei der Planung von Eingriffsvorhaben sind die Bodenfunktionen, ihre Schutzwürdigkeit und Empfindlichkeit zu erfassen und angemessen zu bewerten. Ebenso darf der im Bodenschutz festgeschriebene Anspruch der Wiederherstellung der Bodenfunktionen nach Eingriffen von den Naturschutzbehörden nicht ignoriert werden. Das bedeutet die Wiederherstellung des natürlichen Ausgangszustandes einer durchwurzelbaren Bodenschicht. Diesen Anspruch des Bodenschutzes gilt es verstärkt umzusetzen. Dazu muss die Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur den Boden mehr als bisher als eigenständiges Schutzgut anerkennen. In der Planungs- und Zulassungspraxis besteht allerdings verbreitet große Unkenntnis über das Schutzgut Boden, obwohl bundesweit sehr gute Informationen und Arbeitshilfen zum Bodenschutz vorliegen.

Praktische Hilfestellungen zum Bodenschutz beim Bauen hat der BVB in einem Merkblatt zusammengefasst (BVB 2013b). Auf Ebene der Bundesländer stehen weitere Arbeitshilfen und Leitfäden zur Verfügung.


Dr. Norbert Feldwisch ist von der IHK Köln öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bodenschutz und Altlasten und Vizepräsident des Bundesverbands Boden e.V.

Prof. Dr. Monika Frielinghaus arbeitet am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung Müncheberg, Institut für Bodenlandschaftsforschung.


Weitere Informationen unter:

BVB (2013a): Stellungnahme zur Verordnung zur Festlegung von Anforderungen für das Einbringen oder das Einleiten von Stoffen in das Grundwasser, an den Einbau von Ersatzstoffen und für die Verwendung von Boden und bodenähnlichem Material. (Mantelverodnung, Entwurf vom 31.10.2012).
http://www.bvboden.de/images/texte/stellungnahmen/BVB-Stellungnahme%20Arbeitsentwurf%20Mantelverordnung_31102012.pdf

BVB (2013b): Bodenkundliche Baubegleitung BBB. Leitfaden für die Praxis. BVB-Merkblatt Band 2. Erich Schmidt Verlag Berlin. ISBN 978-3-50315436-4.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015, S. 5 - 6
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2015

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