Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen e.V.
EU-News - 7. Juli 2023
Überwachen statt schützen: Bodengesetz enttäuscht
Die EU-Kommission hat am 5. Juli eine lang erwartete Richtlinie über Böden vorgelegt. Die Richtlinie zur Bodenüberwachung konzentriert sich allerdings hauptsächlich auf Überwachung statt auf wirksamen Schutz, kritisieren Umweltverbände. Zudem fehlten Ziele gegen Flächenfraß und Bestimmungen zu Tierhaltung.
Erosion, Altlasten, zu 60 bis 70 Prozent ungesunde Böden - das kostet die EU jährlich schätzungsweise über 50 Milliarden Euro. Deshalb hat die EU-Kommission neue EU-Vorschriften zur Aufwertung des Bodens und seiner Ressourcen vorgelegt. Der Vorschlag ist Teil eines Pakets von mehreren Gesetzesinitiativen unter dem Titel "Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen" (Vorschlag neue Gentechnik siehe hier [1]).
Das Paket umfasst eine Richtlinie [2], einen siebenteiligen Anhang [3], ein Arbeitsdokument zum Subsidiaritätsprinzip und fünf Folgenabschätzung sowie eine Zusammenfassung der Folgenabschätzungen. Außerdem gibt es ein Dokument über Bodenschutzfördermittel [4].
Um bis 2050 die Böden in der EU in einen guten Zustand im Einklang mit dem Null-Schadstoff-Ziel zu versetzen, schlägt die EU-Kommission eine harmonisierte Definition des Begriffs der Bodengesundheit vor. Außerdem möchte sie einen "umfassenden und kohärenten Überwachungsrahmen" einführen und die nachhaltige Bodenbewirtschaftung sowie die Sanierung kontaminierter Standorte fördern.
Dazu sollen mehrere Quellen von Bodendaten zusammengeführt werden: kombinierte Daten der Flächenstichprobenerhebung über die Bodennutzung/-bedeckung (LUCAS) mit Copernicus-Satellitendaten sowie Daten aus öffentlichen und privaten Quellen. Das soll aus Sicht der Brüsseler Behörde dabei helfen, Innovation sowie technologische und organisatorische Lösungen vor allem in Bezug auf landwirtschaftliche Verfahren zu unterstützen, damit die Landwirtschaftsbetriebe "die am besten geeigneten Behandlungsmethoden" umsetzen, um die Bodenfruchtbarkeit und die Erträge zu verbessern und zugleich den Wasser- und Nährstoffverbrauch zu senken. Außerdem sollen die Bodendaten das Verständnis von Trends wie Dürren, Wasserretention und Erosion verbessern. Davon erhofft sich die EU-Kommission eine Stärkung der Katastrophenvorsorge und des Katastrophenmanagements.
"Der Vorschlag bringt keine neuen unmittelbaren Verpflichtungen für Landbesitzer und Bodenbewirtschafter wie Landwirte mit sich", schreibt die Kommission. Die Mitgliedstaaten wiederum sollen positive und negative Verfahren für die Bodenbewirtschaftung festlegen. Sie sollen außerdem auf der Grundlage nationaler Bewertungen der Bodengesundheit Regenerierungsmaßnahmen definieren, um geschädigte Böden zu sanieren und wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen. Diese Bewertungen sollen auch in andere Politikbereiche der EU, wie Emissionen aus dem Landnutzungssektor (LULUFC), Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und Wasserwirtschaft, einfließen. Die Mitgliedstaaten werden außerdem verpflichtet, durch Bodenverunreinigungen verursachte inakzeptable Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt nach dem Verursacherprinzip zu beseitigen. Die Mitgliedstaaten müssen verunreinigte Standorte ermitteln, untersuchen, bewerten und sanieren.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke begrüßte die Veröffentlichung via Twitter. Das Gesetz schaffe "den Rahmen für ein kohärentes Bodenmonitoring, die Verringerung von Kontamination + eine nachhaltige Bewirtschaftung von Böden insgesamt", so Lemke.
Der Deutsche Naturschutzring (DNR) reagierte enttäuscht auf das "Soil Monitoring Law". Denn ursprünglich hatte die EU-Kommission ein Gesetz zur Verbesserung der Bodengesundheit angekündigt. Vorgelegt habe sie nun lediglich eine Richtlinie zur Bodenüberwachung ohne verbindliche Zielvorgaben, zeitlich festgelegte Zwischenziele und die Einführung wirksamer Instrumente. DNR-Geschäftsführer Florian Schöne kritisierte: Es "bleibt es äußerst fraglich, ob und wie eine Verbesserung des Zustands der Böden erreicht werden kann. Anstatt rechtsverbindliche Mechanismen einzuführen, beschränkt sich der Vorschlag zu sehr auf Messmethoden und Datenerhebung." Auch die Bedeutung der Bodenbiodiversität bleibe im Gesetzesvorschlag weitestgehend unbeachtet. Zudem fehle ein klares Ziel zur Eindämmung des Flächenverbrauchs. EU-Parlament und Rat müssten die Richtlinie zur Bodenüberwachung "deutlich nachschärfen".
Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten nannte den Vorschlag "längst überfällig, aber deutlich unzureichend". Verbindliche Ziele fehlten und das EU-Bodenüberwachungsgesetz beinhalte zudem keinerlei Bestimmungen über Tierhaltung, obwohl Massentierhaltung auf mehreren Ebenen zur Bodenverschlechterung beitrage. Missmanagement und übermäßiger Dung führten häufig zu Nährstoffverschmutzung. 80 Prozent der durch die Landwirtschaft verursachten Bodenversauerung in der EU sei auf die Viehhaltung zurückzuführen. Dies werde durch die systematische Abhängigkeit von Futtermitteln verstärkt, die auf den Einsatz von Kunstdünger angewiesen seien, so die Organisation. Eine Verringerung der Zahl der Nutztiere sei notwendig.
Die Gesundheit der Böden spiele eine Schlüsselrolle für den
Schutz der biologischen Vielfalt, den Klimaschutz und die
Nahrungsmittelproduktion, die zu 95 Prozent von den Böden
abhänge. Aber rund 70 Prozent der Bodenökosysteme der EU befänden
sich in einem ungesunden Zustand. Gesunde Böden könnten nicht mit
Überwachung erreicht werden, sondern nur "mit verbindlichen
Zielvorgaben für 2050, mit verbindlichen Meilensteinen für 2030
und 2040 und durch die Bekämpfung der Verschmutzung durch
übermäßige Viehzucht", so Pro Vieh. [jg]
EU-Kommissionsvorschlag zur Bodenüberwachung
https://environment.ec.europa.eu/topics/soil-and-land/soil-health_en
DNR: Chance verpasst - EU-Bodengesetz bleibt hinter
Erfordernissen zurück
https://www.dnr.de/presse/pressemitteilungen/chance-verpasst-eu-bodengesetz-bleibt-hinter-erfordernissen-zurueck
Vier Pfoten: The EU Soil Monitoring Law must not ignore livestock
farming
https://www.vier-pfoten.eu/our-stories/eu-press-releases/the-eu-soil-monitoring-law-must-not-ignore-livestock-farming
Hintergrundwissen über Böden: Podcast "Soilcast"
https://open.spotify.com/show/27g2dSt17jj3aulDHDmHMp
Links:
[1] https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/umstrittene-lockerung-des-eu-gentechnikrechts
[2] https://environment.ec.europa.eu/system/files/2023-07/Proposal%20for%20a%20DIRECTIVE%20OF%20THE%20EUROPEAN%20PARLIAMENT%20AND%20OF%20THE%20COUNCIL%20on%20Soil%20Monitoring%20and%20Resilience_COM_2023_416_final.pdf
[3] https://environment.ec.europa.eu/system/files/2023-07/ANNEXES%20to%20the%20proposal%20for%20a%20Directive%20of%20the%20European%20Parliament%20and%20of%20the%20Council_COM_2023_416_final.pdf
[4] https://environment.ec.europa.eu/system/files/2023-07/Guidance%20on%20EU%20Funding%20Opportunities%20for%20Healthy%20Soils_SWD_2023_423.pdf
*
Quelle:
EU-News, 07.07.2023
Deutscher Naturschutzring
Dachverband der deutschen Natur-, Tier-
und Umweltschutzverbände e.V. (DNR) e.V.
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin-Mitte
Tel.: 030/6781775-70, Fax: 030/6781775-80
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Internet: www.dnr.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 7. Juli 2023
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