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BUCH/569: Zwischen Hühnerstall und Reichstag - Erinnerungen von Hubert Weinzierl (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2008
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Erinnerungen

Spagat mit politischer Wirkung


Man kann viel lernen in dem Buch von Hubert Weinzierl, obwohl oder gerade weil es nicht lehrreich daherkommt: über die Geschichte des Umwelt- und Naturschutzes und der Natur selbst, über die Geschichte des Bund Naturschutz in Bayern, des BUND und der Umweltbewegung. Angelika Zahrnt, BUND-Vorsitzende von 1998 bis 2007 und heutige Ehrenvorsitzende, hat das Buch gelesen. Mit Gewinn.

Auf einer langen Bahnfahrt von der ersten Niederösterreichischen Nachhaltigkeitskonferenz zurück ins heimische Neckargemünd habe ich mir Hubert Weinzierls Erinnerungen vorgenommen - zum Lesen, darüber Nachdenken und darüber Schreiben. Die Strecke führt passenderweise an der Donau entlang, vorbei am Bayerischen Wald und an Wiesenfelden, Hubert Weinzierls Zuhause und Heimat.

Dort im Schloss Wiesenfelden gibt es ein eindrucksvolles Archiv, mit 900 "Regal-Metern" Akten, mit der Sammlung von Büchern, Gesprächsnotizen, Berichten von Zeitzeugen, Fotos und Tagebüchern - in schwarzen, kleinen linierten Büchern, mit roten Buchrücken und den Eintragungen in blauer, grüner und roter Tinte, die Hubert Weinzierl immer begleitet haben. Auf diesem historischen Fundus beruht sein neues Buch. Doch ist es keine wissenschaftlich-historische Auswertung - wie er in seiner editorischen Notiz am Schluss des Buches klarstellt. Die Erinnerungen seien "nur subjektive Erzählungen eines Zeitzeugen, der die Naturschutzgeschichte seit seinen frühesten Jugendtagen aktiv miterlebt und teilweise in den verschiedensten Funktionen mitgestaltet hat". Gerade dieses "nur subjektive Erzählen" macht den Reiz der Erinnerungen aus. Und in dem Erzählen wird Geschichte lebendig, die Kriegszeit in Ingolstadt und die Nachkriegszeit, in der im Namen des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders der Krieg gegen die Natur geführt wurde. Der Widerstand gegen diese Zerstörungen wird hier lebendig, bis hin zur Dramatik internationaler Klimaverhandlungen.

Das Buch erzählt vom Schutz der Natur und von Landschaften, von der Landwirtschaft, dem Waldsterben und der Atomenergie. Naturerlebnis und die politische Aktion, Loblied auf die Schöpfung und ihre vehemente Verteidigung - all das ist nahtlos miteinander verbunden bei Hubert Weinzierl. Und doch liegen im Alltag hunderte Kilometer dazwischen, zwischen dem Reichstag und dem Hühnerstall in Wiesenfelden. Es ist ein Spagat, ein anstrengender Spagat, aber für Hubert Weinzierl ein lebenswichtiger.

Die Berliner Luft allein wäre für ihn nicht bekömmlich. Er braucht den Duft der Mähdesüß-Fluren und die dunkelgrünen Waldberge - und in Berlin wenigstens die Erinnerung daran und die Vorfreude darauf. Diese "Zerrissenheit", wie er es selbst nennt, diese Verwurzelung im Bayerischen Wald und an der Donau und das Agieren in Berlin und anderswo ist politisch wirksam. Denn Hubert Weinzierls Stimme hat einen besonderen, geerdeten Klang, seine Argumente eigenes Gewicht, und seine Bilder prägen Diskussionen. Man kann viel lernen durch dieses Buch - über Menschen, die den Umwelt- und Naturschutz geprägt haben, über Weggefährten wie Horst Stein oder Konrad Lorenz und über die Bedeutung von Begegnungsorten wie das Schloss Wiesenfelden mit seinen Diskussionsforen und Bildungsangeboten. Man spürt, wie wichtig seine Frau Beate Seitz-Weinzierl für ihn ist. Ihr Vorwort ist nicht der übliche freundlich-entbehrliche Vorspann, sondern integraler Bestandteil der Erinnerungen.

Das Buch ist ermutigend und doch realistisch in der Einschätzung, welch große Herausforderungen mit dem Schutz des Klimas, der Biodiversität und der weltweiten Gerechtigkeit vor uns liegen. Möge das Buch viele motivieren, an diesen Aufgaben mitzuwirken.


Zwischen Hühnerstall und Reichstag,
295 S., viele Fotos und Originaldokumente,
29,90 Euro, Mz Buchverlag


Hubert Weinzierl, Jahrgang 1935, engagiert sich seit fünf Jahrzehnten in der Ökologiebewegung. Er war u. a. von 1969 bis 2002 Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern sowie BUND-Vorsitzender von 1983 bis 1998. Heute ist er Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR) und Kuratoriumsvorsitzender der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.


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Quelle:
BUNDmagazin 4/2008, S. 29
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2009