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BUCH/669: Das Waldsterben - Rückblick auf einen Ausnahmezustand (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 121/2.2014

Wie die Debatte um das Waldsterben die Republik veränderte

Buchbesprechung von Rudolf Fenner



Wen Anfang der 1980er Jahre die Sorge um die Umwelt und speziell um den Wald umtrieb, dem wird dieses Buch allein schon deswegen gefallen, weil eine Fülle an Erinnerungen an die damaligen Debatten und Aktivitäten beim Lesen hochkommt. Wer damals gar an der Anfangsgeschichte von ROBIN WOOD beteiligt war, dem bietet dieses reichhaltig bebilderte Buch auch noch eine ganze Reihe zusätzlicher Erinnerungsstücke an diese 1982 mit dem Fokus "Kampf dem Waldsterben" gegründete "gewaltfreie Aktionsgemeinschaft".

Doch für reine Nostalgiker dieser vor drei Jahrzehnten aufgebrochenen und hoch hergehenden Umweltdebatte ist das Buch nicht geschrieben worden. Dem Freiburger Forstwissenschaftler Roderich von Detten und den Mitarbeiter_innen im Forschungsprojekt "Und ewig sterben die Wälder - Das deutsche Waldsterben im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik", geht es um die gesellschaftlichen Hintergründe, die zu einem Umwelt-Disput geführt haben, der Deutschland über mehrere Jahre in Aufregung versetzte. Und es geht ihnen um das, was diese Debatte in der Gesellschaft im Umgang mit Umweltproblemen verändert hat.

Wer lediglich die Frage geklärt haben möchte, ob es denn nun ein Waldsterben gegeben habe oder nicht, der findet in diesem Buch keine klare Antwort. Der verkenne auch - so der Herausgeber - die große Bedeutung dieser damaligen Auseinandersetzungen und Dispute, die von Umwelthistoriker_innen einstimmig als die wohl wichtigste und prägendste Debatte der deutschen Nachkriegsgeschichte eingestuft wird.

Das Buch mit seinen acht Beiträgen lässt sich gut und durchaus auch in nicht vorgegebener Reihenfolge lesen. Erfrischend auch die zwischen die einzelnen Kapitel gestreuten Interviews mit Zeitzeugen und die sogenannten Schlaglichter, die ganz kurz auf bemerkenswerte, oft auch merkwürdige bis skurile Aspekte am Rande der Waldsterbensdebatte gerichtet werden.

Folgenden Fragen gehen die AutorInnen in ihren Beiträgen nach: Was war anders, neuartig an den Immissionsschäden im Wald? Und vor allem was war anders in der Wahrnehmung der Deutschen, dass nun nicht mehr lediglich Waldbesitzer und Industrie unter sich um wirtschaftlichen Ausgleich der Verluste durch Rauchschäden an Bäumen stritten, sondern die gesamte Gesellschaft das gesamte Ökosystem Wald auf der Kippe sah? Wie sahen es die anderen in Europa, die Franzosen, die Deutschen in der DDR? Wie hat sich die Umweltbewegung, die Umweltforschung und die Umweltpolitik unter dem Eindruck dieser verändert? Wie geht´s dem Wald heute? Und: Was hat die Waldsterbensdebatte letztlich bewirkt? Eine der Antworten auf die letzte Frage lautet: Die Gesellschaft hat sehr viel besser verstanden, dass auch bei höchst komplexen Umweltproblemen, deren Ursachen und Zusammenhänge längst nicht alle eindeutig geklärt sind, trotzdem richtige Entscheidungen getroffen werden können. Dieses Vorsorge-Prinzip in der Umweltpolitik ist heute in Europa zumindest im Grundsatz weitgehend akzeptiert. Ein wichtiger Schritt, der für die derzeitige, viel größere Debatte um die globale Klimaveränderung mit all ihren im Einzelnen noch nicht geklärten Konsequenzen sehr hilfreich sein kann.


Rudolf Fenner, Waldreferent von ROBIN WOOD in Hamburg, wald@robinwood.de, Tel.: 040 38089211



Roderich von Detten (Hrsg.)
Das Waldsterben. Rückblick auf einen Ausnahmezustand
oekom verlag, 2013, 160 Seiten, 24,95 Euro
ISBN-13: 978-3-86581-448-7
gedruckt auf 100% Recyclingpapier

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 121/2.2014, Seite 27
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2014