NATURSCHUTZ heute - Sommer 2023
Mitgliedermagazin des NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V.
Ohne Funke kein Feuer
von Helge May
Hundertprozentig sind Waldbrände nicht zu verhindern, irgendjemand zündelt immer. Aber die Folgen lassen sich in Grenzen halten: durch Aufklärung, Früherkennung, professionelle Brandbekämpfung - und mehr naturnahe Wälder.
Für Naturbegeisterte ist Treuenbrietzen eine Reise wert. Unweit der brandenburgischen Kleinstadt südwestlich von Berlin erstreckt sich mit dem 260 Hektar großen Schutzgebiet "Zarth" ein von Bächen durchzogener Feuchtwald, der sich ohne Bewirtschaftung frei entwickeln kann. Hier sind Schwarzstorch und Fischotter zuhause, in den angrenzenden Wiesen lassen sich im Frühsommer mit etwas Glück Braunkehlchen beim Füttern des Nachwuchses beobachten.
Bundesweite Bekanntheit erlangte Treuenbrietzen aus einem anderen Grund. Denn Feuchtwälder sind hier nicht die Regel, die Region ist geprägt von weiten Kiefernforsten auf trockenen Sandböden. Alleine der Treuenbrietzener Stadtwald - kürzlich für 20 Millionen Euro an einen Privatwaldbesitzer verkauft - ist 1900 Hektar groß. Bekannt wurde Treuenbrietzen, weil es in den Kiefernforsten in den letzten Jahren mehrfach verheerende Brände gab. 2018 standen 400 Hektar in Flammen und zuletzt brannte es Mitte Juni 2022 auf über 200 Hektar.
Dass ausgerechnet hier so große Brände wüten, ist bittere Ironie. Schließlich war man dabei, die Forste in naturnahe Wälder umzubauen. Wobei abzuwarten bleibt, ob dieser Kurs nach der Privatisierung beibehalten wird. Dass es Kiefern sind, die brennen, ist allerdings kein Zufall. Deren Nadelstreu lässt sich besonders einfach entzünden und das harzreiche Kiefernholz ist ideales Brennmaterial. Mit seinen 70 Prozent Kiefernanteil ist Brandenburg unser Waldbrandland Nummer eins. 2022 brannten an 553 Stellen rekordverdächtige 1400 Hektar. Zum Vergleich: Deutschlandweit waren es 4300 Hektar, in ganz Europa enorme 766.000 Hektar - zehnmal die Fläche der Freien und Hansestadt Hamburg.
Da ist es ein geringer Trost, dass die Zahl der Waldbrände in Deutschland im Prinzip seit Jahrzehnten abnimmt. Nach Ansicht von Waldschutzprofessor Michael Müller von der TU Dresden gehört die Waldbrandüberwachung in Deutschland "zur besten der Welt". Auch würden die "sich verändernden Waldstrukturen die Brandempfänglichkeit der Wälder zunehmend mindern und die Brandbekämpfung erleichtern". Zudem seien die Feuerwehren trotz notwendiger Verbesserungen bei Personal, Ausrüstung und Fortbildung "sehr motiviert und schlagkräftig", lobt Müller.
Mehr als 99 Prozent aller Waldbrandereignisse in Deutschland, rechnet Müller vor, werden bereits zehn Minuten nach Entstehung entdeckt. Schon eine Viertelstunde nach dem Alarm startet die Brandbekämpfung und innerhalb von höchstens zwei Stunden ist der Brand unter Kontrolle, so dass meist weniger als ein Hektar betroffen ist.
Nun können die Kiefern so harzreich sein, wie sie wollen, von alleine
fangen sie nicht Feuer. Auch heißes Wetter wie im letzten Juni ändert
daran nichts. Schließlich braucht es rund 250 Grad Celsius, damit sich
ein Feuer entzündet. Das schafft die Sommerhitze nicht. Und obwohl
bundesweit im Jahr bis zu einer halben Million Blitze einschlagen,
kommen sie als Waldbrand-Ursache ebenfalls so gut wie nicht vor.
Fast alle Brände entstehen vielmehr durch unsachgemäßen Umgang mit offenem Feuer
Auch die gerne zitierten Glasflaschen und der angebliche Brennglaseffekt von Glasscherben scheiden aus. Das wurde in Experimenten zweifelsfrei widerlegt. Fast alle Brände entstehen vielmehr durch unsachgemäßen Umgang mit offenem Feuer - von der Zigarette bis zum Grillgut - sowie durch Funkenflug und heiße Zündquellen wie Katalysatoren. Und natürlich durch absichtliche Brandstiftung.
Brände entwickeln sich in Phasen, es steht nicht gleich der ganze Wald in Flammen. Zuerst brennen die Streu- und Humusauflage sowie die Bodenvegetation. Es brennt in der Regel ein bis 50 Zentimeter breiter Streifen am Rand der Brandfläche. Ob eine weitere horizontale und zusätzlich vertikale Brandausbreitung erfolgt, hängt von der Kraft dieses sogenannten Bodenfeuers ab. Das Holz lebender Bäume brennt dagegen nicht, weil es zu viel Wasser enthält und die Bodenfeuer nicht genügend Energie abgeben, um dieses auszutrocknen und zu zünden.
Unabhängig davon können allerdings kleine brennende Zweige vom Wind über hunderte Meter weit durch die Luft getragen werden. Strategie der Feuerwehr ist es in der Regel, ein Übergreifen auf die Baumkronen zu verhindern. Ein Kronenfeuer verbraucht viel Sauerstoff. Es entsteht bodennah ein starker Luftzug, durch den sich das Feuer rasch zu allen Seiten ausbreitet.
Irgendwann ist jedes Feuer gelöscht oder hat sich totgelaufen. Nun soll möglichst rasch neuer Wald entstehen und möglichst einer, der feuerfester ist. Wie das geschehen kann, untersucht ein Team um Professor Pierre Ibisch von der Hochschule Eberswalde im Projekt "Pyrophob". Die Versuchsflächen liegen ausgerechnet in Treuenbrietzen, so dass nun ein Teil des Experimentes in Flammen aufging. Eine vier Jahre alte Wiederbewaldung kann natürlich noch keinem Feuer widerstehen.
Dennoch gibt es erste Ergebnisse. Schnell siedelten sich als
Pionierbäume von alleine Zitterpappeln an, "die viel effektiver
wuchsen als alles, was von Menschenhand gepflanzt wurde". Neben
Kräutern wachsen auch schon Moose, so dass die Wasserspeicherkapazität
zunimmt und sich langsam ein eigenes Mikroklima ausbildet. Dass neue
Baumarten aus Amerika oder dem Mittelmeergebiet unsere Wälder brand-
und klimafester machen würden, sieht Ibisch nicht. Er vertraut auf die
Vielfalt heimischer Laubgehölze und drängt darauf, großflächige Wälder
mit hoher Strukturvielfalt zu erhalten.
*
Das Märchen vom bösen Totholz
Wälder aufräumen verhindert keine Brände
Der Sommer 2022 bescherte uns zwei außergewöhnliche Brände, beide in
schwierigem bergigen Gelände und beide in einem Nationalpark. Zunächst
brach im Juli und August ein Feuer im tschechisch-sächsischen
Grenzgebiet des Elbsandsteingebirges aus, Anfang September eines am
Brocken im Harz. Aus den Reihen der Feuerwehr und aus der örtlichen
Politik wurden schnell Stimmen laut, die in der "unaufgeräumten" Natur
eine Gefahr für Leib und Leben sahen. Das in den Wäldern stehende und
liegende Totholz verstärke die Brände, behindere die Löscharbeiten und
müsse daher schleunigst entfernt werden.
Besonders heftig wurde in Sachsen diskutiert, so dass der Landtag den
renommierten Forstwissenschaftler und Waldbrandexperten Michael Müller
mit einem Gutachten beauftragte. Der kam zu dem Schluss, dass das
Totholz keine Auswirkung auf die Brandausbreitung hatte, diese war mit
60 Metern pro Stunde ohnehin ausgesprochen langsam. Auch gab es keine
Behinderungen auf den für die Brandbekämpfung vorgesehenen Wegen.
Laut Müller brennt Totholz "zumeist nur bei Dimensionen unterhalb der
Derbholzgrenze, also bei Durchmessern unterhalb von sieben
Zentimetern". Alles, was dicker ist, brennt nur oberflächlich,
verkohlt und verrußt. Das Feuer an Hölzern mit größeren Dimensionen
erlischt zumeist von selbst, wenn das Bodenfeuer keine hinreichende
Energie mehr liefert.
Die Totholzdiskussion ist damit sicher noch nicht beendet, zumal es
auch um die Frage geht, wie mit den abgebrannten Flächen umzugehen
ist. So wurden im Harz bei Schierke Teilflächen komplett abgeräumt.
"Das großflächige Räumen von Totholz widerspricht ganz klar den
Kriterien eines Nationalparks und dem Nationalpark-Gesetz", stellt
dazu der niedersächsische NABU-Vorsitzende Holger Buschmann fest,
"Totholz ist ein wichtiger Bestandteil im Ökosystem Wald. Es bindet
viel Feuchtigkeit und wirkt auf diese Weise sogar als natürlicher
Brandschutz."
Was die Brandursache betrifft, kam eine Landtagsanfrage der Grünen in
Sachsen-Anhalt zu interessanten Ergebnissen: Eine amtliche
Übersichtskarte der Brandstellen der letzten Jahrzehnte ergab genau
den Streckenverlauf der Brockenbahn. Das weist auf Funkenflug der Bahn
oder auf zigarettenrauchende Passagiere hin.
Anfang Texteinschub
Info
Wie natürlich sind Brände?
In manchen Lebensräumen spielen Brände eine wichtige ökologische
Rolle. Etwa in offenen Savannen, wo die Vernichtung des Altgrases vor
dem Beginn der Regenzeit Grundlage für neues Leben schafft. In
etlichen Waldgesellschaften gehören Brände ebenfalls zum natürlichen
Kreislauf. So bringen erst Bodenfeuer die herabgefallenen Früchte der
amerikanischen Mammutbäume zum Aufplatzen und Auskeimen. Auch einige
südliche Kiefernarten benötigen Feuerimpulse und eine ganze Reihe
Tiere sind auf die Besiedlung von Brandflächen spezialisiert.
In den USA hat sich mit der Feuerökologie sogar eine eigene
Teilwissenschaft herausgebildet und die Simulation von
Feuerereignissen als Naturschutzmaßnahme etabliert. Auch die
Forstbehörden setzen gezielt Feuer ein, um kontrolliert die
"Brennstoff-Menge" in den Wäldern zu reduzieren. Nicht immer gelingt
das. Im vergangenen Sommer entwickelte sich aus einer solchen Maßnahme
im Bundesstaat New Mexico das größte dort jemals registrierte
Flächenfeuer. 137.000 Hektar verbrannten.
Eher selten sind Brände in tropischen Wäldern. Wenn es dort brennt,
hat der Mensch seine Hand im Spiel - meist, um Flächen für die
Landwirtschaft zu gewinnen. Die Brandrodung hat aber nur kurzfristig
Erfolg, denn die freigelegten Waldböden sind in der Regel
ausgesprochen nährstoffarm. Auch in unseren gemäßigten Breiten spielte
Feuer in der Naturlandschaft wohl kaum eine Rolle. Jedenfalls deuten
die aus Analysen bekannte frühere Waldzusammensetzung und das
weitgehende Fehlen von an Waldbrände angepassten Organismen darauf
hin.
Ende Texteinschub
*
Unvernunft und Trockenheit
Fragen und Antworten zu Waldbränden
Sind Waldbrände Folge der Klimakrise?
Damit Wälder gut brennen, muss es lange trocken sein. Durch die
Erwärmung der Atmosphäre verstärkt die Klimakrise den Wasserkreislauf,
es wird also eher feuchter als trockener. Gleichzeitig ändern sich
aber die Wetterverläufe. Extreme wie Starkregen, Stürme, aber auch
lange Trockenperioden werden zunehmen. Das kann die Anfälligkeit für
Brände verstärken.
Zwei wesentliche Waldbrandfaktoren haben allerdings nichts mit dem
Klima zu tun. Zum einen entstehen die meisten Brände durch
menschliches Handeln - ob aktiv durch Brandstiftung, durch
Fahrlässigkeit wie Zigarettenkippen, heiße Autokatalysatoren oder auch
durch die Entzündung alter Munitionsreste auf Truppenübungsplätzen.
Zum anderen ist die Umgestaltung der Landschaft durch den Menschen ein
zusätzlicher Faktor: Feuchtgebiete wurden entwässert und damit der
Wasserhaushalt verändert, die Landschaft trocknet schneller aus. Und
die angepflanzten Forstmonokulturen aus Nadelbäumen, die man vielfach
antrifft, brennen viel schneller als ein naturnaher Laubwald.
Warum brennen bei uns vor allem Kiefernwälder?
Die Nadelstreu am Boden entzündet sich schneller als der humose
Oberboden in einem Laubwald. In Nadelwäldern kann sich die Streu über
Jahre anreichern, das brennt dann wie Zunder. Im Grunde ein
natürlicher Prozess, der so auch natürlich in den nordischen
Waldökosystemen vorkommt, zum Beispiel durch einen Blitzschlag
ausgelöst. Hier aber nun mit ganz anderen Auswirkungen und begünstigt
durch die bereits oben genannten menschlichen Einflüsse.
Ähnliches kann man auch bei Moorbränden sehen, wie es ihn 2018 in der
Tinner Dose in Niedersachsen gab. Dort war ein stärker entwässerter
Bereich vom Brand betroffen, der durch ein Bundeswehr-Manöver
ausgelöst wurde.
Was muss im Waldbau passieren?
Naturnahe Laubwälder sind wertvoll für den Naturschutz und für die
Klimaanpassung - und damit auch für die Waldbrandvorbeugung. Wichtig
ist daher eine Waldentwicklung mit einem hohen Anteil von Laubbäumen,
welche eine wenig brennbare und sich im Vergleich zu Nadeln schnell
zersetzende Bodenstreu mit hoher Wasserspeicherkapazität bilden.
Kiefernmonokulturen sollten so schnell wie möglich aus der Landschaft
verschwinden.
Altersgemischte Waldentwicklung mit hoher Vertikalstruktur führt zu
höherer Beschattung, weniger Windeinfall, weniger
Konvektions-Luftströmen. Das trägt zur Kühlung und zum
Feuchtigkeitserhalt im Waldbinnenklima bei. Ebenfalls wichtig: Mehr
Totholz in den Wäldern lassen. Es spendet Schatten und speichert viel
Wasser - und hilft so, den Wald kühl und feucht zu halten.
Die Wälder, Waldränder und Brandschutzschneisen müssen mit Vegetation
ausgestattet werden, die das Feuer bremst. In Gefahrengebieten braucht
es eine moderne flächige Waldbrandüberwachung, denn der Faktor Zeit
ist bei der Reaktion auf Feuer enorm wichtig. Die Feuerwehren müssen
mit Technik und Gerät zur Bekämpfung von Waldbränden sowie mit
Know-how ausgestattet werden, um die Brände möglichst schnell
einzudämmen.
Werden die Wälder sich erholen?
Ja, aber es wird dauern, bei Wäldern muss man in Jahrzehnten und
Jahrhunderten denken. Allerdings werden sie vermutlich anders aussehen
als heute. Es wäre zumindest fahrlässig, einfach so weiterzumachen wie
bisher. Mancherorts mag der Waldumbau hin zu einem standorttypischen
Laub (Misch-)wald durch die Feuer sogar begünstigt werden, weil nun
schneller gehandelt werden muss.
*
Naturnahe Laubwälder sind wertvoll für den Naturschutz und für die Klimaanpassung - und damit auch für die Waldbrandvorbeugung
Der NABU versucht nicht nur Politik und Verwaltung zu beeinflussen,
damit unsere Wälder widerstandfähiger und naturnäher werden. Vor allem
über seine Stiftung Nationales Naturerbe wird der NABU auch direkt
tätig. Ein erheblicher Anteil der mehr als 21.000 Hektar Flächenbesitz
besteht aus Wäldern, darunter große Nadelholzforsten, die Stück für
Stück umgebaut werden.
Zudem ist der NABU unter anderem an der Stiftung Naturlandschaften
Brandenburg beteiligt, in die er den über Spenden gekauften ehemaligen
Truppenübungsplatz Lieberose eingebracht hat. Lieberose ist für seine
spektakuläre Naturausstattung bekannt, im dem teils
munitionsbelasteten Gebiet kommt es aber auch immer wieder zu Bränden.
Ziel ist es, die umliegenden Bereiche maximal zu schützen und dabei
möglichst wenig in die naturbelassenen Flächen mit hohem
Naturschutzwert einzugreifen. 2022 wurden im Wildnisgebiet Lieberose
zwei neue rund 30 Meter tiefe Löschwasserbrunnen eingerichtet und die
Waldbrandschutzstreifen wurden um 1,3 Kilometer ergänzt.
Zur Vertiefung
Spektrum der Wissenschaften Kompakt. Ausgabe 16/2023:
Naturkatastrophen. Vorhersage und Frühwarnung verbessern. PDF-Bezug
für 4,99 Euro unter www.spektrum.de.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:
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Quelle:
Naturschutz heute - Sommer 2023, Seite 40-45
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
Tel.: 030/284984-1958, Fax: 030/284984-3958
E-Mail: Naturschutz.heute@NABU.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: NABU@NABU.de
Internet: www.NABU.de
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 28. Juli 2023
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