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ALTLASTEN/007: Uranbergbaualtlasten - ein Fluch für jede betroffene Kommune in Thüringen (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 708-709 / 30. Jahrgang, 7. Juli 2016 - ISSN 0931-4288

Atommüll
Uranbergbaualtlasten - ein Fluch für jede betroffene Kommune im Bundesland Thüringen

Von Frank Lange*


Die mehr oder weniger willkürliche Grenzziehung zwischen Sanierungsgebieten und Nichtsanierungsgebieten des DDR-Uranbergbau-Nachlasses im Jahre 1990 bringt es mit sich, dass eine Vielzahl von vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts aktiven Standorten des Uranabbaus keine bzw. ungenügende Verwahrungen erhielten. Die radioaktiven Potentiale dieser Objekte sind trotz ihrer sogenannten natürlichen Strahlungskomponenten nicht natürlich und stellen keinen ungefährlichen Zustand dar, auch wenn er offiziell verharmlosend als "gegebene Situation" bezeichnet wird. Sie sind nun einmal anthropogenen Ursprungs und die Natur benötigt selbst bei bergmännisch sachgerechter Verwahrung generationenübergreifende Zeiträume zur Einstellung wieder normaler Gleichgewichtszustände. Hinzu kommt, dass gerade die älteren Standorte höhere spezifische Radioaktivitätskomponenten im Sinne der Belastung von Boden, Wasser und Umgebung aufzuweisen haben als zur Sanierung gelangte Bergbauareale der heutigen Wismut GmbH.

Der Kirchliche Umweltkreis Ronneburg legte in der Vergangenheit immer wieder Fälle offen, die die vermeintliche Sicherheit solcher Standorte ad absurdum führten. Zum Beispiel wurde in [1] die 5-fach höhere radioaktive Durchschnittsbelastung des 105 Hektar großen Althaldengebietes "Sorge-Settendorf" gegenüber der größten sanierten Halde der Wismut GmbH, der "Nordhalde" in Ronneburg, nachgewiesen. Da kein Sanierungsauftrag vorliegt, verseucht die unzureichend abgedeckte Großhalde in Sorge-Settendorf mit ihrem deutlich höheren radioaktiven Potential ungehindert die Umgebung, insbesondere nach Abschaltung der früheren Grundwasserabsenkung. Die im Sanierungskonzept enthaltene "Nordhalde" wurde dagegen, obwohl vergleichsweise eine Insitu-Verwahrung eher ausreichend gewesen wäre, komplett entfernt und neu deponiert.

Einen weiteren Fall für die negativen Auswirkungen von ignorierten Gefahrenherden publizierte der Kirchliche Umweltkreis kürzlich im Strahlentelex [2] zur Verseuchung von Bach-Auen im Sanierungsgebiet Ronneburg-Seelingstädt.

Nachfolgend nun ein Praxisbeispiel für die Probleme, die einer Kommune bzw. den jeweiligen Eigentümer mit un- oder teilsanierten Uranaltlasten im Laufe der Jahrzehnte oder spätestens bei Nutzungsänderung entstehen.

Uranaltlastgebiet Dittrichshütte

Ein mit 112,6 Tonnen [3] bis 147 Tonnen [6] gewonnenen Urans kleiner, aber in der Abbauzeit 1950-1953 als "Erz für den Frieden" [galt als Slogan für das Atombombenprogramm der UdSSR; später abgelöst bzw. ergänzt durch "friedliche Nutzung der Kernenergie"] durchaus wichtiger Uranbergbau fand im Thüringer Schiefergebirge nordwestlich von Saalfeld in und um die Gemeinde Dittrichshütte statt. Ein Areal von über 2000 Hektar geriet in einen hektischen und überaus rücksichtslosen Erkundungs- und Abbaubetrieb. Zwar ähnelt das Schiefergestein dem der großen Ronneburger Lagerstätte, stellte sich jedoch als nicht so ergiebig heraus. Es fehlten die "... tektonisch-strukturellen Bedingungen für eine Schichtenwiederholung sowie die tiefgreifenden oxidativen Prozesse mit nachfolgender Auslaugung und Akkumulation." [4], wie sie dem Lederschiefer und silurischen Graptolithenschiefer Ronneburgs eigen sind. So blieb das Aufkommen begrenzt, obwohl in der Region immer wieder Uranglimmer und Uranocker linsenartig von durchaus abbauwürdigen Konzentrationen (>0,1...1,1% Uran) vorkommen, allerdings ohne die erforderliche Wiederholungsdichte zu erreichen. In Dittrichshütte kam noch eine ungünstige starke Lösung des Urans im Wasser hinzu, was dazu führte, dass austrocknende Erze ihren Urangehalt nahezu einbüßten [5]. Wie auch immer, nach drei Jahren waren die flächenhaften (kein Gangerz) nicht sehr tiefen kleinen Lagerstätten ausgeerzt. Zwar suchte man noch in Tiefen bis über 600 Meter, aber nach der 110-Meter-Sohle war Schluss mit der Erzgewinnung [3].

Zurück blieben 55 Halden, 20 kleinere und 2 größere Schachtanlagen und mehrere Stollen und Schürfe. Elf Halden wurden im Rahmen einer 18 Jahre später stattgefundenen Verwahrung bis auf die Aufstandsfläche abgetragen, aber unweit in Waldlagen verkippt. Weitere "zahlreiche Halden wurden eingeebnet und teilweise nachfolgend mit Mutterboden abgedeckt." [6, S.8]. Ein solcher Bereich schließt direkt an die Ortslage an (in Abbildung 1 schraffiert). Dieser sowie 11 weitere Standorte sind in Dittrichshütte und den benachbarten Ortslagen Braunsdorf und Birkenheide als radiologisch relevant klassifiziert [6]. Insgesamt zählt man dort an ehemals 91 Standorten heute noch fast 20 Hektar und über 270.000 Kubikmeter Haldenmaterial zu den Altstandorten des Uranabbaus. Die späteren Haldenverbringungen und -einebnungen führten aber auch zu einem Verstreuen der Belastung in die Umgebung "auf niedrigerem Niveau", so dass fast 40 Hektar über 170 Nanosievert pro Stunde (nSv/h) Ortsdosisleistung (ODL) aufzuweisen haben. Die Normal-ODL der Umgebung beträgt 100-120 nSv/h. Die Art und Weise der damaligen Verwahrung kann heutigen Sanierungsanforderungen überhaupt nicht gerecht werden. Eine Vielzahl von Einzelstandorten, verschleppte Belastungsherde und eingeebnete Halden mit dünnem Kulturboden abgedeckt (an manchen Stellen unter 10 Zentimeter!) als landwirtschaftliche Flächen und Wiesen genutzt, verdichten die Problemlage.

Lediglich 26 der 91 Altstandorte des Gebietes Dittrichshütte hat das Thüringer Umweltministerium (TMUEN) gegenwärtig in einer Gesamt-Objektliste Thüringen [7] aufgenommen, die für Begehungen zur "Freimessung", wie in [2] dargestellt, vorgesehen waren und sind. Dabei erzielen aus der Gamma-ODL errechnete Lastgrößen nur einen Bruchteil der zulässigen jährlichen Dosis, meist kleiner 10 Prozent bzw. 0,1 Millisievert pro Jahr (mSv/a). Die Areale, die noch im Altlastenkataster [6] als radiologisch relevant galten, werden so nun als völlig unbedenklich eingestuft. Die offensichtlichen Gefahren und Belastungen, die von den Standorten tatsächlich ausgehen, bleiben unerkannt und verlieren so jeden Handlungsbedarf.

Wie schnell ein solcher aber eintreten kann, belegt folgendes Praxisbeispiel zur Halde am Ortsausgang Dittrichshütte: Abbildung 2 zeigt eine durch Beweidung, mitunter auch durch Wildschweine, zerstörte Bodenabdeckung. Die vergrößerte Darstellung in Abbildung 2b belegt die Freilegung von Haldenschiefer und Bauschutt auf dieser ehemaligen Halde, die 1971 "verwahrt" wurde. Die Verwahrung bestand darin, dass der Haldenkörper circa 500 Meter weit in ein Tal geschoben und mit Mutterboden leicht (< 25 cm) abgedeckt wurde [13]. Die kürzlich vorgenommene förmliche Neubewertung durch das TMUEN, basierend auf Gammamessungen des TLBA aus dem Jahre 2013, mit daraus abgeleiteten Vergleichen zur zulässigen Bevölkerungsexposition von 1 Millisievert pro Jahr (mSv/a) nach Paragraph 46 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV § 46), greift zu kurz. Nachfolgend diskutierte radiologische und bergbaubedingte Lasten belegen die Notwendigkeit tiefer gehender Untersuchungen und Bewertungen für die Uranaltlasten Thüringens.

Radiologisch relevanter Einzelstandort am Ortsausgang Dittrichshütte

Schon die Tatsache, dass die Entwässerung der Ortslage und deren logistische Hauptanbindung (Kreisstraße K 177) über das mit einer Uranhalde zugeschobene Ausfall-Tal verlaufen, offenbart die infrastrukturellen Nachteile des Areals für die Gemeinde (vgl. Abbildung 3 und 4).

Kürzlich plante der kommunale Entsorgungsträger im Rahmen der überfälligen Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie [14] für 2016/17 direkt am Ortsausgang den Bau einer Kläranlage für die Ortschaften Dittrichshütte und Braunsdorf. Hierzu erfolgte 2015 eine Vorerkundung des Baugrunds (ohne radiologische Befunde). Das beauftragte Ingenieurbüro "vermutete" Uranaltlasten, was eine Anfrage beim Landesbergamt nach sich zog. Es stellte sich heraus, dass der Standort beim TLBA als "radioaktiver Altstandort" eingeordnet ist, auf dem das Amt im Jahre 2013 "... über dem Boden eine äußere Gammastrahlung, die Ortsdosisleistung, ... im Bereich von 140 bis 540 nSv/h ermittelt hatte, wobei die Mehrzahl der Messergebnisse zwischen 200 und 400 nSv/h lag ... somit signifikant über dem zu erwartenden natürlichen Hintergrund von ca. 120 nSv/h." [8]. Unter Berufung auf die DDR-Haldenanordnung [11] erteilte das Landesbergamt dann eine Reihe von Auflagen. Die wesentlichen betreffen die Durchführung von Rammkernsondierungen (RKS) mit Nuklidanalysen für Uran-238 und Radium-226; 5 Stück in Tiefen von 1 bis 5 Metern. Die gesamte Baumaßnahme wäre durch ein kostenintensives Strahlenschutz- und -Überwachungsprogramm zu begleiten. Eine alte, breit geschobene und abgedeckte Halde, gerade vom TLBA als "taubes" Gestein unbedenklich eingestuft, verursacht plötzlich einen Aufwand, der die gesamte Errichtung der Kläranlage in Frage stellte. Hinzu kommt, dass das Material ausgehobener Baugruben bautechnisch nicht wieder eingebaut und dann als strahlende Altlast nirgends entsorgt werden kann. Um es vorweg zu nehmen: Der Entsorgungsträger der Gemeinde entschloss sich für eine andere Standortlösung, die allerdings technologisch aufwendiger und so für die Bürger kostenintensiver wird. Derzeit diskutiert man eine aufwendige Neuausrichtung der Abwasserentsorgung. Die energieintensive Förderung in ein Nachbartal und andere Kläranlagenstandorte sind im Gespräch. Entscheidend für die Aufgabe des ursprünglichen Standortes waren die nachfolgenden Untersuchungsergebnisse.

Das in Abbildung 1 schraffiert gekennzeichnete Areal untersetzte der Kirchliche Umweltkreis Ronneburg mittels Messung der Ortsdosisleistung (ODL). Abbildung 3 zeigt die Momentaufnahme vom 27. Januar 2016.

Die zusätzliche maximale Gammastrahlung aus Abbildung 3 beträgt: 270 nSv/h Maximalwert minus 120 nSv/h ortsübliche ODL = 150 nSv/h. Rechnet man die Momentanmessung auf das Gesamtjahr hoch, ergibt sich ein Dosisbetrag von 8760 h x 150 nSv/h = 1,31 mSv/a. Das TLBA bilanziert 2000 Aufenthaltsstunden, woraus sich dann 0,3 mSv/a ableiten, was einer 33-%igen Dosisbelastung entspricht. Eine andere Darstellung wäre der Quotient aus der zulässigen Jahresexposition mit der zusätzlichen Gammastrahlung (1,0 mSv/a geteilt durch 150 nSv/h), woraus ein möglicher Aufenthalt von 6667 Stunden im Jahr folgen würde.

Diese auf die ODL reduzierte Betrachtungsweise wird der notwendigen Objektbewertung jedoch nicht ausreichend gerecht.

Baugrundbewertung am Standort Althalde Dittrichshütte

Die bereits vor Konsultation des Bergamtes durchgeführten Maßnahmen zur Baugrunduntersuchung [9] konnten die radiologischen Auflagen noch nicht berücksichtigen. Es wurden 13 Rammkern- und Rammsondierungen ausgeführt. Die Aufschlüsse ergaben bis zu 9 Meter mächtiges Tonschiefermaterial (mit Beimengungen von Bauschutt) als Bestandteil einer Abraumhalde des Uranbergbaus. Das Haldenmaterial ist mit 10 bis 20 cm sehr gering abgedeckt und ragt an verschiedenen Stellen aus dem Erdreich (Abbildung 2b).

Erwartungsgemäß wurden erhöhte Schwermetall- (Nickel, Cadmium; z.T. Kupfer) und Sulfatgehalte sowohl im Haldenmaterial als auch darunter festgestellt. Das Material ist (im Gegensatz zu natürlich anstehendem Tonschiefer) schlecht bzw. in statisch belasteten Abschnitten nicht zur Wiederverfüllung geeignet. Zusätzlich schlagen die oben genannten Auflagen des Landesbergamtes zu Buche [8]. Im Rahmen der Baugrunduntersuchung [9] erfolgten keine Untersuchungen zu Strahlenbelastungen etc.. Auch das Bergamt hat in dem Gebiet lediglich die schon erwähnten Messungen von Ortsdosisleistungen (ODL) vorgenommen und so 2013 eine Belastung von 200 bis 400 nSv/h (sowie Spitzenwerte) ausgewiesen. Daraus schlussfolgerte die Behörde nun in ihrer Stellungnahme [8] eine spezifische Aktivität des Haldenmaterials oberhalb einer Freigrenze von 0,2 Becquerel pro Gramm (Bq/g) und forderte daher die Beantragung einer Genehmigung unter Bezugnahme auf die DDR-Haldenanordnung [11] bei gleichzeitiger Beauflagung von Rammkernsondierungen mit Nuklidanalysen zur Radionuklidbelastung mit Uran-238 und Radium-226 und einer fachtechnischen Strahlenschutzbekleidung bei den Baumaßnahmen.

Dabei hätte das Amt bei einem Blick in das vom Bundesamt für Strahlenschutz den Landesbehörden zur Verfügung gestellte Altlastenkataster des Uranbergbaus [6] gerade für den betrachteten Standort präzise Angaben zur spezifischen Aktivität der Halde erhalten können (siehe unten).

Radiologische Baugrund- und Standortbewertungen mit Hilfe des Altlastenkatasters

Die radiologische Wirkung der als Grün- und Weideland genutzten Halde auf das Umfeld kommt durch die Messung der Gamma-Strahlung am 27. Januar 2016 (Abbildung 3) anteilig zum Ausdruck. Die Ergebnisse dieser Momentaufnahme passen sich in die umfassenderen Messungen des TLBA von 2013 gut ein. Das Altlastenkataster hat für den Haldenstandort nur 9 Messungen aufzuweisen (115 bis 360 nSv/h).

Der für den Luftpfad maßgebende Radongehalt der bodennahen Luft konnte im Altlastenkataster auf Grund zu weniger Messungen nicht ausreichend bewertet werden und bedarf der Ergänzung. Emissionsmessungen auf den Haldenkörpern wurden gar nicht durchgeführt. Auch nach deren Abdeckung nicht. Im Zeitraum Juli 1993 bis Oktober 2001 erfolgte dann für das Altlastkataster ein Messprogramm nur zur Ermittlung und Bewertung der Radonkonzentration bei Immissionsstellen im Freien. Dabei billigte man dem Haldenkomplex einen bergbaulichen Einfluss auf die Umgebung zu. Zumindest wies der nächstgelegene Immissionsmessort an dem oberhalb gelegenen Landwirtschaftsbetrieb (damals Erzeugergemeinschaft Dittrichshütte) die zweithöchste Belastung der Region auf. Statt der durchschnittlich erwarteten 14 Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m³) traten unerwartete [2] 41 Bq/m³ auf. Eine Einzelfallprüfung vom 5. bis 8. April 2016 durch den Umweltkreis ergab auf der Wiese direkt auf der Halde einen Wert von 72 Bq/m³. Der Vergleich zur bergbaulich (vermutlich) nicht beeinflussten Wiese zeigte wiederum 41 Bq/m³ und liegt deutlich über 14 Bq/m³. Langfristige Dosimeter-Messungen sind zur Klärung angebracht. Da der uralte, von der Strahlenschutzkommission (SSK) [Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit] gesetzte Wert von 80 Bq/m³ Absolut-Belastung und 50 Bq/m³ als zulässige Differenzgröße nicht erreicht würden, gingen die eigentlich beträchtlichen Exhalationsmengen der SSK-Logik zufolge nicht in die Expositionsbetrachtung mit ein. Das ist eine unverantwortliche Verfahrensweise, wenn es um eine konkrete Standortbewertung geht.

Hinsichtlich der Radionuklidbelastung aus der Uran-238-Zerfallsreihe des Haldenkörpers gibt das Altlastenkataster [6] dagegen genauere Auskünfte. Demnach zeigen Rammkernsondierungen aus dem Jahre 1993/4 direkt auf der Halde an 7 Messpunkten (MP) folgende Belastungen: 0,36 bis 2,295 Bq/g Uran-238; 0,285 bis 5,14 Bq/g Radium-226 und 0,235 bis 4,19 Bq/g Blei210. Abbildung 5 enthält die Einzelwerte.


Abb.5: spez. Aktivität des Haldenmaterials am Ortsausgang Dittrichshütte (Bq/g) © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg

Abb.5: spezif. Aktivität des Haldenmaterials am Ortsausgang Dittrichshütte (Bq/g) © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg


Bis zu einer spezifischen Aktivität des Bodens von 0,2 Bq/g für ein Nuklid der Uran-Radium-Zerfallsreihe soll die Nutzung möglich sein, ohne dass Einschränkungen aus Gründen des Strahlenschutzes erforderlich wären [12]. Bei Messwerten zwischen 0,2 und 1,0 Bq/g sind eingeschränkte Nutzungen nach Empfehlungen der Strahlenschutzkommission (SSK) möglich, in der Regel als Forst- und Grünland. Ab 1,0 Bq/g hält die SSK Einzelfallprüfungen für erforderlich, die unter Umständen auf Sanierungen hinauslaufen. Das Altlastenkataster benennt die Fläche am Ortsausgang Dittrichshütte explizit als radiologisch relevant, bei der eine solche Prüfung zu erfolgen hat. Die Halde enthält über 50.000 Kubikmeter Bergematerial diverser Wismut-Stollen aus den 1950er Jahren. Das Uran-Radium-Verhältnis der Kernbohrungen in Abbildung 5 weist durchaus auf Erzreste hin. 1971 wurde die Halde nordöstlich ins Tal geschoben und "wieder urbar" gemacht, sofern man bei der vorgesehenen Abdeckung mit 25 Zentimeter dünnem Mutterboden nach [13] davon sprechen kann. Längs der Halde und der Straße legte man mit Betonrasterplatten einen rund 420 Meter langen und 1 Meter breiten Abflussgraben an, der zur Ortsentwässerung inclusive Abwasserentsorgung und Ableitung aus alten Schachtanlagen dient (Abbildung 6). Das Altlastenkataster ging in [13] bisher von einer Mächtigkeit der breit geschobenen Haldenmassen von bis zu 5 Metern aus. Das Baugrundgutachten [9] zeigte nun Aufschütthöhen bis 9 Meter. Auch die Angaben zu den Abdeckungsstärken stimmen nicht überein.


Abb.6 a,b: Einleitungsstelle Ortslage (1) und Uranschacht (2); (Entwässerungsgraben der Ortschaft neben dem Haldenkomplex (in der Grabensohle wurden 260 nSv/h gemessen) © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg

Abb.6 a,b: Einleitungsstelle Ortslage (1) und Uranschacht (2); (Entwässerungsgraben der Ortschaft neben dem Haldenkomplex (in der Grabensohle wurden 260 nSv/h gemessen) © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg


Genau genommen gilt das DDR-Recht der Haldenanordnung (HaldAO) nach der Strahlenschutzverordnung [12] nur für Sanierungsgebiete des Uranbergbaus und nicht für Altstandorte. Insofern kann sich das Bergamt nicht auf die HaldAO [11] berufen. In wie weit Auflagen für diese nicht dem Bergrecht unterstellten Altstandorte überhaupt rechtskräftig sind, bedarf einer juristischen Klärung. Dessen ungeachtet hat das Haldenmaterial ein beträchtliches radioaktives Potential, auf dem ohne Sanierungsleistungen zum Beispiel keine Bauwerke, auch nicht für die geplante Kläranlage zu errichten wären. Im Diagramm der Abbildung 5 unterschreitet lediglich ein Messpunkt den Wert der Bodenaktivität für absolute Nutzungsunterlassung.

Zwischenbilanz: 1. Die Ortsdosisleistung der Gammastrahlung liegt 2- bis 5-fach über dem örtlichen Normalwert. 2. Von der Haldenoberfläche geht eine verstärkte Radonexhalation aus. 3. Die Aktivität des Haldenmaterials lässt die praktizierte ungeschützte Deponierung nicht zu.

Jeweils örtlich spezifische Gesichtspunkte sind zusätzlich zu berücksichtigen.

Weitere bergbaubedingte standortrelevante Belastungen

Aktuell laufende Untersuchungen eines Bergsicherungsunternehmens widmen sich unvermutet auftretenden Senkungen und Erdfällen im Raum Dittrichshütte. Bohrungen mit Kamerabefahrungen im Umfeld der betrachteten Halde offenbarten im Juni 2016 die unzureichende Verwahrung angrenzender Schächte und Stollen. Neben diesen Punktbelastungen sind die regionalen Auswirkungen großflächiger Haldenkörper zwar nicht sichtbar und gerade dadurch von höherer Brisanz.

Die geringe Stärke und der Zustand der Mutterbodenabdeckung (Abbildung 2) erzeugen zusätzliche ODL- und Radonausträge und stehen der Grünlandnutzung inzwischen entgegen.

Am Haldenende im Tal treten in Größenordnung mit Abwasser vermischte Sickerwässer aus, deren Schwermetall- und Radionuklid-Belastungen bisher völlig unbeachtet blieben. Der Prinzip-Skizze der Abbildung 7 sind die Probenstellen inclusive eines Auszugs der Analysenergebnisse vom 29. Februar 2016 zu entnehmen.


Abb. 7: Skizze zum Wasserpfad der Althalde am Ortsausgang Dittrichshütte; © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg


Die in den Graben (Abbildung 6 und 7) einfließenden Wässer des Ortes (Abwässer, Oberflächen- und Drainagewässer) werden seitlich von Schachtausläufen tangiert. Der Zutritt aus dem Stollen 1 beeinflusst den geogen nicht ungewöhnlichen Sulfatgehalt von 50 bis 100 Milligramm pro Liter (mg/l) unwesentlich. Im weiteren Verlauf kommt es nach circa 300 Metern im Trockenwetterfall im Gerinne zu einer totalen Versickerung. Mit wetterbedingter Zunahme des Mischwasseranteils strömt das verdünnte Abwasser über diese Versickerungsstelle hinweg weiter im Grabenbett. Nach etwa 100 Metern tritt das versickerte Wasser wieder aus dem Boden aus, vermischt sich mit dem mehr oder weniger vorhanden Grabenwasser und fließt in ein kleines Bachbett, einen Nebenarm des Wirbachs, der in die Schwarza und weiter zur Saale entwässert. Aber die Bodenpassage durch die Halde verdoppelt den Sulfatgehalt (Abbildung 8) und belegt damit den Einfluss des Haldenkörpers auf die Vorflut, wobei austretende Sickerwässer am Haldenfuß noch verstärkend hinzukommen. Abbildung 8 stellt explizit den als Indikator des Bergbaueinflusses dienenden Sulfatgehalt an unterschiedlichen Messtagen dar.


Abb. 8: Sulfat-Gehalt (mg/l) entlang dem Entwässerungsgraben Dittrichshütte; © Kirchlicher Umweltkreis Ronneburg


Die sich unmittelbar anschließende Bachaue, die sogar als Naturschutzgebiet ausgewiesenen ist, kann nicht als unbedenklich gelten. Die Bestimmung der Schwermetallkonzentrationen zeigte eine Zunahme bei Uran, Nickel und Kupfer (Tabelle in Abbildung 7). Damit gehen die Analysenergebnisse [15] konform mit dem Bodengutachten der 400 Meter oberhalb ursprünglich geplanten Kläranlagenbaustelle. Insbesondere Nickel überstieg mit 230 Mikrogramm pro Liter (µg/l) übliche Toleranzwerte deutlich.

Am Tag der Probennahme war witterungsbedingt ein hoher Verdünnungsgrad zu erwarten. Trotzdem wurden Schwermetallbelastungen nachgewiesen, die durch Ausspülung und Sickerwässer des Haldenkomplexes hervorgerufen werden.

Es bleibt festzustellen, dass eine Dosisermittlung für die Bevölkerung alle radiologischen Ausdünstungen und Austräge der Altlasten einbeziehen muss, zuzüglich der zeitlichen Veränderungen. Trotzdem bleibt eine Beschränkung auf den Expositionsgrad der Bevölkerung als alleiniger Maßstab zur Altlastbewertung für eine standortspezifische Gesamtbetrachtung unzureichend. Weitere Umweltbelastungen, wie sie am Beispiel der Althalde in Dittrichshütte mit den Nickelbelastungen aus dem Haldenkörper heraus nachgewiesen wurden, müssen in die Standortbewertung eingehen. Folgemaßnahmen und Überwachungen der Altlast sind dringend geboten.

Ergebnisse

• Sobald Nutzungsänderungen bei Uranbergbaualtstandorten anstehen, wird das Landesbergamt kostenintensive und aufwendige Auflagen zur Bewertung der Altlast (eigentlich eine Angelegenheit der Behörde selbst!) und zur Standortsanierung stellen.

• Die Errichtung von Bauwerken wie der geplanten Kläranlage ist ohne vorherige Sanierung des Standortes nicht möglich.

• Erschließungsträger, Kommunen oder Flächeneigentümer sind mit den Kosten für eine Sanierung völlig überfordert. Gleiches gilt für die Erfüllung von Auflagen des Landesbergamtes.

• Fehlende Deponiemöglichkeiten für radioaktive Haldenmaterialien verhindern praktisch Teilsanierungen für Einzelmaßnahmen bei Altlastobjekten.

• Aus diesem Grund wurde in Dittrichshütte der Kläranlagenbau zurückgestellt und eine technisch aufwendigere Lösung mit veränderter und wesentlich teurerer Ortsnetzausrichtung ins Auge gefasst. Das führt zu deutlichen finanziellen Mehrbelastungen für über 330 Einwohner in Dittrichshütte und Braunsdorf.

• Aus dem untersuchten Standort "Althalde Dittrichshütte" treten neben Sickerwässern zusätzliche Ausspülungen versickerter Orts- und Abwässer aus dem Haldenkörper aus, die zu Schwermetallbelastungen eines nachgeordneten Naturschutzgebietes führen.

• Bei zutretenden alten Stollen- oder Schachtausläufen an dem untersuchten Einzelstandort wurden dagegen bisher keine wesentlichen Belastungen des Wasserpfades ermittelt. Diese waren allein auf die Alt-Halde zurückzuführen, wo Schwermetall-, insbesondere Nickelausträge zu erwarten sind.

• Die Halde selbst zeigt erhöhte Gammastrahlung (ODL) und Radonexhalationen, die auf den unbefriedigenden "Sanierungsgrad" zurückzuführen sind und dringenden Handlungsbedarf erfordern.

• Die zahlreich vorhandenen oberflächennahe Stollen offenbaren heute eine unzureichende Verwahrung. Senkungsneigungen müssen daher diskontinuierlich überprüft werden und Vorbeugemaßnahmen sind gegebenenfalls erforderlich.

• Aktueller Handlungsbedarf für die Althalden um Dittrichshütte besteht bei gleichbleibender Nutzungsart: Abdeckung mit Dicht- und Dämmschicht neu aufbauen und Kulturboden verstärken; Entwässerungsgerinne abdichten; der dann verringerte Sickerwasseraustritt ist analytisch zu überwachen (mindestens quartalsweise); Folgemaßnahmen bedarfsabhängig vorsehen.

• Handlungsbedarf bei Änderung der Nutzungsart: grundhafte Sanierung (eigentlich Entfernung) des jeweiligen Haldenkörpers.

• Luft- und Wasserpfad erfordern in Dittrichshütte ein Monitoring.

Die Ergebnisse belegen die Notwendigkeit, geeignete Bewertungskriterien für Altstandorte des Uranbergbaus festzulegen, die den Umgang mit den Altlasten außerhalb des Verantwortungsbereiches der bundeseigenen Wismut GmbH endlich sinnvoll regeln. Die alleinige Entscheidungsrelevanz auf Basis theoretischer Bevölkerungsexpositionen ist nicht ausreichend.

Der Kirchliche Umweltkreis Ronneburg wird mit einer entsprechenden Ausarbeitung das Thüringer Umweltministerium fundiert unterstützen, hierfür eine entsprechende Leitlinie zu entwickeln. Eine Veröffentlichung im Strahlentelex ist vorgesehen.

Dipl.-Ing Frank Lange,
franklange44@web.de


Anmerkungen

1. "Unsanierte Altlasten stellen die erfolgreiche Revitalisierung der Uranbergbauregion in Ostthüringen in Frage", Strahlentelex 546-547 v. 01.10.2009,
www.strahlentelex.de/Stx_09_546_S01-07.pdf

2. "Thüringen erhält sich den Ewigkeitscharakter seiner Uranbergbaualtlasten", Strahlentelex Nr. 702-703 vom 07.04.2016,
www.strahlentelex.de/Stx_16_702-703_S02-06.pdf

3. "Chronik der Wismut GmbH", Chemnitz 1999 Pkt 2.2.12.1

4. "Die Wismutaktivitäten im Umfeld der Saalfelder Feengrotten", B. Lochner, U. Scheller, Rudolstädter Heimathefte 7/8 2004

5. "Erinnerungen an die Anfänge des Uranbergbaus in Dittrichshütte 1950-1952", K. Hartung, Rudolstädter Heimathefte 7/8 und 9/10 von 2008

6. Radiologische Erfassung, Untersuchung und Bewertung bergbaulicher Altlasten; Abschlussbericht zur Verdachtsfläche Dittrichshütte, Salzgitter 2003, BfS

7. "Objektliste Wismut-Altstandorte für radiologische Neubewertung" des TMUEN, 2016

8. Bergbauliche Stellungnahme Nr. 16015 vom 08.01.2016, Thüringer Landesbergamt (TLBA)

9. Geotechnischer Bericht Baugrundvoruntersuchung für KA und Stauraumkanal, BEB Jena Consult, 22.11.15

10. Datenblatt GRS-Nr.6502; ausgestellt am 02.02.2016 (Auszug aus Datenbank-Programm A.LAS.KA)

11. Anordnung zur Gewährleistung des Strahlenschutzes bei Halden und industriellen Absetzanlagen und bei der Verwendung darin abgelagerter Materialien, vom 17.11.1980, GBl. der DDR, Teil I Nr. 34, Ausgabe vom 17.12.1980 (HaldAO)

12. Strahlenschutzverordnung StrlSchV vom 20.07.2001 § 118 (1)

13. Datenblatt GRS-Nr.6486; ausgestellt am 02.02.2016 (Auszug aus Datenbank-Programm A.LAS.KA)

14. RICHTLINIE 2000/60/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik

15. Analysenergebnisse KOWUG Labor Gera vom 29.02.2016

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abbildung 1, S. 2:
Auszug aus der geologischen Karte der Lagerstätte Dittrichshütte der SAG Wismut von 1953 nach [3]

Abbildung 2 a, S. 3:
Althalde Ortsausgang Dittrichshütte (Foto Nr. 1 in Abb.3)

Abbildung 2 b, S. 3:
Detail der zerstörten Kulturschicht

Abbildung 3, S. 4 oben:
Gammadosisstrahlung (ODL in nSv/h) am Ortsausgang Dittrichshütte (Altlast "breitgeschobene Halde")

Abbildung 4, S. 4 unten:
abgeschobene Halde am Ortsausgang Dittrichshütte (Foto Nr. 2 in Abbildung 3)


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
www.strahlentelex.de/Stx_16_708-709_S01-07.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Juli 2016, Seite 1 - 7
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2016

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