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MASSNAHMEN/168: Ufer frei! Seen und Ufer müssen öffentlich bleiben (NaturFreunde)


NaturFreunde Deutschlands - 29. September 2010

Ufer frei! Seen und Ufer müssen öffentlich bleiben

An privaten Ufern können sich Bevölkerung und Natur nicht mehr erholen


Berlin, 29. September 2010 - Ursprünglich wollte heute der Haushaltsausschuss des Bundestages eine Entscheidung über den Verkauf der bundeseigenen Uferflächen am Potsdamer Griebnitzsee fällen. Doch die "komplexe Sach- und Rechtslage" erlaube eine abschließende Prüfung erst Mitte bis Ende Oktober, erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Steffen Kampeter auf eine Anfrage der Potsdamer Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein (SPD).

Dabei nimmt der Druck auf die Ufer von vielen Seiten zu: Zunehmend werden Uferbereiche und ganze Seen privatisiert, eingezäunt und schließlich verbaut. "Getrieben wird diese Entwicklung durch kapitalorientierte Einzelinteressen zulasten des Allgemeinwohls", erklären Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands und Rüdiger Herzog, Landesvorsitzender der NaturFreunde Brandenburgs, und verweisen auf die Folgen der Privatisierungen für Mensch und Natur.

Zum einen verbleiben dem Durchschnittsverdiener durch die Privatisierung von Ufergrundstücken immer weniger Möglichkeiten für die Naherholung am See, vielerorts ist ein Zugang gar nicht mehr möglich. Aus dem Gleichgewicht gebracht wird aber auch das sensible Ökosystem Seeufer: Wenn Neubauten Uferflächen versiegeln und neue Stege Schilfgürtel zerschneiden, sinkt erst die Wasserqualität, dann der Artenreichtum. Wenn gleich ganze Seen verkauft werden, wird außerdem deren Bewirtschaftung für angestammte Fischer schwieriger: Diese fürchten zunehmend um ihre Pachtverträge, weil private Seebesitzer ihre Fischereirechte oft versilbern wollen.

Problematisch an dieser Entwicklung ist, dass sie an den Gemeinden vorbeigeht. Werden Immobilien in Uferbereichen verkauft (häufig durch den Bund), bleiben die klammen Kommunen meist außen vor. Der Bund aber ist gesetzlich dazu verpflichtet, wirtschaftlich zu veräußern. Privatleute, die den Zuschlag erhalten, setzen sich dann nicht selten über naturschutzrechtliche Bestimmungen hinweg, im besten Fall aus Unwissenheit.

Im gewässerreichen Bundesland Brandenburg wurde bei vielen Privatisierungen der vorgeschriebene Mindestabstand für Neubauten von 50 Metern zum Ufer unterschritten - und dadurch geschützte Biotope wie Feuchtwiesen oder ökologisch wertvolle Gehölzgruppen zerstört. Selbst ausgewiesene Uferwanderwege werden plötzlich von privaten Zäunen unterbrochen, obwohl das brandenburgische Landesnaturschutzgesetz derartige Sperrungen nur im Interesse der Allgemeinheit erlaubt. Zwar geben juristische Auseinandersetzungen den Naturschutzbehörden in der Regel recht. Doch die neuen Eigentümer schaffen bis zu einem endgültigen Urteil zumeist schon entsprechende Tatsachen.

Begünstigt wird diese Entwicklung durch die personelle Unterbesetzung der Naturschutzbehörden, die sich nicht ausreichend um die vielen Brennpunkte kümmern können. Dabei gäbe es zahlreiche wasser- und naturschutzrechtliche Bestimmungen sowohl im Bundes- wie auch im Landesrecht. Sie müssten nur angewendet werden: Bauverbote in Gewässernähe, Gewässerschutzstreifen, selbst Enteignungen werden vom Gesetz nicht ausgeschlossen.


Die NaturFreunde schlagen folgende Lösungsansätze vor:

Alle Bundesländer müssen ihre Gewässeruferstrukturen einschließlich der Bebauung systematisch erfassen und analysieren.

Die meistbietende Privatisierung von Seen und Ufergrundstücken durch Bund und Land muss gestoppt werden. Verpachtungen bieten sich an. Mindestens fünf Meter Gewässer und Ufergrundstücke müssen in öffentlicher Hand bleiben.

Kommunen müssen ihre Uferbereiche baurechtlich beplanen und dabei die öffentliche Zugänglichkeit von Uferbereichen sicherstellen.

Gesetzliche Grundlagen zum Uferschutz müssen gesichert und gegebenenfalls ausgebaut werden. Gewässerschutzstreifen sollten häufiger Anwendung finden, um Verhaltensnormen in unmittelbarer Ufernähe zu definieren.

Landesnaturschutzgesetze sollten wie in Baden-Württemberg die Möglichkeit bieten, Zugang und Durchgängigkeit von Uferwegen im Einzelfall anzuordnen.

Naturschutz- und Wasserrecht müssen konsequenter zum Schutz der Ufer für Natur und Bevölkerung angewendet werden. Dafür brauchen insbesondere Untere Naturschutzbehörden mehr Personal. Selbst Enteignungen dürfen kein Tabu sein, sondern sollten als präventives Argument verstanden werden, um Verhandlungen zu fördern.

Die NaturFreunde: traditionell für ein freies Betretungsrecht der Natur

Seit 1895 treten die NaturFreunde ein für eine offene, demokratische und sozial gerechte Welt. Schon die Gründergeneration der NaturFreunde musste für einen freien Zugang der arbeitenden Bevölkerung zur Natur kämpfen, weil diese von Großgrundbesitzern und Adligen gesperrt wurde. Die NaturFreunde schützen und nutzen die Natur und verstehen sie traditionell als Erholungs- und als Bildungsort.

In Deutschland gibt es in allen Bundesländern NaturFreunde-Landesverbände, die Vereinsleben und Projekte auf regionaler Ebene koordinieren. In den rund 650 deutschen Orts-, Bezirks- und Regionalgruppen engagieren sich über 75.000 Mitglieder. Zumeist ehrenamtlich bewirtschaften diese auch die über 400 deutschen Naturfreundehäuser als offene Stätten der Begegnung.

Dachverband der internationalen NaturFreunde-Bewegung mit weltweit mehr als 500.000 Mitgliedern und rund 1.000 Naturfreundehäusern in über 50 Mitglieds- und Partnerorganisationen ist die NaturFreunde Internationale (NFI) mit Sitz in Wien. Sie zählt zu den größten NGOs weltweit und ist Mitglied der sogenannten Green10.

www.naturfreunde.de


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Quelle:
Presseinformation vom 29.09.2010
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2010