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POLITIK/952: Umweltgesetzbuch gescheitert - wie weiter? (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter März 2009

UMWELTGESETZBUCH GESCHEITERT - WIE WEITER?


Am 1. Februar 2009 hat Umweltminister Gabriel die Reißleine gezogen und das Scheitern des Umweltgesetzbuches (UGB) verkündet. Überraschend kam diese Nachricht für Eingeweihte nicht mehr, waren doch alle Termine, um das Gesetz noch vor dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf durch das Gesetzgebungsverfahren zu bringen, längst verstrichen. Die selbst verordnete Pause, die sich der UGB-Prozess aus Rücksicht auf die Bayern-Wahl im vergangenen Jahr geleistet hat, hat das Blatt nicht wenden können. Bayern blieb bei seiner ablehnenden Haltung zum ersten Buch des UGB. Daran konnten auch die im Herbst wieder aufgenommenen Verhandlungen nichts mehr ändern. Mittlerweile greifen die gewohnten Mechanismen der gegenseitigen Schuldzuweisung. Damit ist das Projekt Umweltsetzbuch nach 1999 nun zum zweiten Mal gestoppt und steht - wenn auf den Sturm der Entrüstung nicht doch noch eine späte Einsicht folgt - aller Voraussicht nach vor dem endgültigen Aus.


Der Zankapfel

Dabei war man dieses Mal weit gekommen: über die Bücher zwei bis fünf hatte man sich in der Koalition einigen können. Zankapfel blieb zuletzt allein die integrierte Vorhabengenehmigung (IVG), die von Bayern als "Monsterbürokratie" gegeißelt, vom Bundesumweltminister als Herzstück des Vereinfachungsanliegens und als große Entlastung für kleine und mittelständische Unternehmen gefeiert worden ist: Ein Projekt, eine Behörde, ein Verfahren, eine Genehmigung. Dabei war man sich auch hier im Ausgangspunkt einig, nämlich, dass es sinnvoll ist, statt paralleler Gestattungsverfahren ein einheitliches und integriertes Verfahren durchzuführen. Nicht einigen konnte man sich aber darüber, welche Vorhaben diesem Verfahren unterliegen sollten. Eine "Monsterbürokratie", wie Bayern behauptet, war nicht zu befürchten, denn wie auch bisher schon im Immissionsschutzrecht gibt es Möglichkeiten, bestimmte Vorhaben vereinfachten Verfahren zu unterwerfen. Für bereits genehmigte Vorhaben muss die IVG ohnehin nicht durchgeführt werden. Insofern sind die prognostizierten Verfahrenszahlen, die aus Bayern gemeldet werden, schlichtweg nicht nachvollziehbar.

Anscheinend ging es weniger um eine sachgerechte Zuschneidung des Anwendungsbereichs vereinfachter Verfahren, sondern sehr viel grundsätzlicher um eine Klausel, die es den Ländern ermöglichen sollte, das jeweils durchzuführende Verfahren selbst festzulegen. Eine solche Klausel ginge weit über das hinaus, was den Ländern im Prozess der Föderalismusreform zugestanden worden ist, und hätte den Vereinheitlichungsgedanken gerade für zentrale Vorhaben ad absurdum geführt.


Die Konsequenzen

Das Integrationsanliegen der IVG betreffend sind die Verluste überschaubar, sieht man davon ab, dass der Antragsteller nun auch weiterhin mehreren Behörden in parallelen Gestattungsverfahren informations- und nachweispflichtig ist. Denn seit vielen Jahren ist der aus der europäischen IVU-Richtlinie folgende Integrationsauftrag geltendes Recht bei der Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und auch bei der Gestattung nach Wasserrecht. Sehr viel gravierender dürften die Auswirkungen des UGB-Scheiterns für das weitere Schicksal des Naturschutz- und des Wasserrechts sein. Eine anlässlich der Föderalismusreform 2006 eingefügte Übergangsregelung besagt, dass die Länder vom 1. Januar 2010 an nicht mehr an die Rahmenvorschriften des Bundes zur Wasserwirtschaft sowie zu Naturschutz und Landschaftspflege gebunden sind, sondern abweichende Regelungen treffen dürfen. Diese Übergangszeit hatte der Verfassungsgesetzgeber seinerzeit festgelegt, um dem Bund Gelegenheit zu geben, von der neu geschaffenen konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für die Sachmaterien des Wasserhaushaltes sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege Gebrauch zu machen und eigene Vollregelungen zu schaffen. Nach dem Scheitern des UGB steht der Bund nun ohne die notwendigen Vollregelungen zum Wasserrecht (geplantes UGB II) und zum Naturschutzrecht (geplantes UGB III) da. Dieses Vakuum könnte von einzelnen Ländern genutzt werden, um die bisherige gemeinsame Basis des Rahmenrechts zu verlassen. Geschieht dies, wird es dem Bund künftig große Mühen bereiten, wieder auf eine Vereinheitlichung hinzuwirken.


Plan B

Deshalb muss es jetzt vordringlich darum gehen, noch in dieser Legislaturperiode beide sektoralen Gesetze durch den Gesetzgebungsprozess zu bringen und ein Auseinanderdriften zu verhindern. Die Chancen, dass ein solcher "Plan B" gelingen wird, sind nicht so schlecht, weil beide Gesetze im Wesentlichen fertig ausgearbeitet vorliegen und die politischen Kosten einer solchen Lösung deutlich niedriger sein werden. Eine Zustimmung dürfte insbesondere deshalb leichter fallen, weil den Ländern ohnehin durch die Verfassung für Wasser- und Naturschutzrecht ein - wenn auch begrenztes - Abweichungsrecht eingeräumt worden ist. Es wäre allerdings fatal zu schlussfolgern, angesichts dessen könne man auf die sofortige Schaffung von Bundesgesetzen zum Wasser- und Naturschutzrecht verzichten! Wolfgang Köck


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Prof. Wolfgang Köck leitet seit 2004 das Department Umwelt- und Planungsrecht am UFZ. Er lehrt Umwelt- und Planungsrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig. Mit dem UGB-Prozess, insbesondere mit dem naturschutzrechtlichen Teil des UGB, hat er sich u.a. im Rahmen eines Rechtsgutachtens für das Bundesamt für Naturschutz zur künftigen Ausgestaltung der Eingriffsregelung befasst. Bei Nomos ist Ende 2008 der von ihm herausgegebene Band "Auf dem Weg zu einem Umweltgesetzbuch nach der Föderalismusreform" erschienen.

Telefon: 0341/235-1232
E-mail: wolfgang.koeck@ufz.de


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Quelle:
UFZ-Newsletter März 2009, S. 8
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2009