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RECHT/253: EuGH-Moorburg-Urteil - Begrenzung oder Kompensation des Schadens? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1108, vom 30. April 2017, 36. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

EuGH-Moorburg-Urteil: Begrenzung oder Kompensation des Schadens?


Am 26.04.17 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Tenor seines Urteils gegen die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die Kühlwasserentnahmen durch das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg veröffentlicht. Danach hat Deutschland bei der wasserrechtlichen Erlaubnis zur Kühlwasserentnahme des Kraftwerkes die EG-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie missinterpretiert. Um was geht es?

Wenn "Langdistanzwanderfische" ihre - nach der FFH-Richtlinie geschützten - Laich- und Jungfischhabitate im Oberlauf der Elbe erreichen wollen, müssen sie zunächst das riesige Kohlekraftwerk Moorburg bei Hamburg passieren. Angesichts des enormen Sogs im Kühlwassereinlauf besteht die Gefahr, dass die Fische eingesaugt, verletzt und getötet werden. Als Schadensbegrenzung hatte der Betreiber des 1.600 MW-Kraftwerkes - der Vattenfall-Konzern - eine Störgängige Megafischtreppe am Elbewehr Geesthacht errichten lassen. Die EU-Kommission hatte die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Titulierung der Fischtreppe als Maßnahme zur Begrenzung des Schadens um eine falsche Auslegung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) durch die Hamburger Genehmigungsbehörde handeln würde. Durch die Fischtreppe würde die Schädigung und Tötung der Fische im Kühlwassereinlauf nicht begrenzt, sondern allenfalls kompensiert bzw. ausgeglichen. Eine tatsächliche Begrenzung der Fischschädigung müsste dadurch erfolgen, dass der Sog im Kühlwassereinlauf stark minimiert würde - beispielsweise dadurch, dass die direkte Durchflusskühlung durch eine Kreislaufkühlung mit Hilfe von Kühltürmen ersetzt würde.

Wegen der irrigen Auslegung der FFH-Richtlinie hatte die EU-Kommission im März 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet und Deutschland vor dem EuGH verklagt. Nach dem jetzt bekannt gewordenen Tenor des Urteils betont der EuGH, dass die stromaufwärts errichtete Fischtreppe das Schreddern der Fische im Kühlwassereinlauf nicht verhindern könne.

Die EuGH-Richter würden nach einem NDR-Bericht vom 27.04.17 außerdem bemängeln, dass im Genehmigungsverfahren "die negativen Folgen durch die Kühlwasserentnahme nicht gemeinsam mit den Schäden durch das Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht bewertet wurden, das seit 1958 in Betrieb ist". Voraussichtlich müsse das Genehmigungsverfahren jetzt neu aufgerollt werden. Dabei müsse die FFH-Verträglichkeitsprüfung wiederholt werden. Wer denkt, dass es bei dem Urteil nur um terminologische Fragen ging, unterschätzt die materiellen Folgen des Urteils: Vattenfall muss jetzt befürchten, dass es den Kühlturm im Dauerbetrieb ganzjährig betreiben muss - und nicht nur wie bislang an wenigen Tagen im Jahr. Dadurch verschlechtert sich der Wirkungsgrad des Kohlekraftwerkes. Die Rentabilität des Kraftwerkes dürfte damit noch schlechter als ohnehin werden. Das Kraftwerk mit seinen beiden Blöcken war im Jahr 2015 nach acht Jahren Bauzeit und drei Milliarden Euro Baukosten in Betrieb gegangen. Das Kraftwerk ist Gegenstand gleich mehrerer Prozesse und internationaler Schiedsgerichtsverfahren (siehe RUNDBR. 1067/2, 955/1-2).

Ein Erklär-Poster, auf dem die unterschiedlichen "Moorburg-Verfahren" auseinander klamüsert werden, können AbonnentInnen des RUNDBRIEFS kostenlos via nik@akwasser.de anfordern - alle anderen: 5 Euro.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1108
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2017

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