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SPORT/080: Olympiabewerbung bewirkt ökologischen und ökonomischen Schaden für Bayern (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 11. August 2010 / Kategorie: Artenschutz

Olympiabewerbung bewirkt ökologischen und ökonomischen Schaden für Bayern

Bund Naturschutz fordert Konsequenzenaus dem Widerstand und den Argumenten gegen die Bewerbung


Die aktuellen Entwicklungen in der Diskussion um die Olympia-Bewerbung "München + 2" zeigen immer deutlicher, dass die Spiele in Garmisch-Partenkirchen weder ökologisch und klimaneutral noch sozial verträglich und nicht ohne Steuergelder finanzierbar sein werden. Die begrenzte Flächenverfügbarkeit im alpinen Raum wird durch die Standhaftigkeit der Landwirte immer deutlicher. Bei den ökologischen Versprechen blättert schon lange der Lack ab, zentrale Inhalte eines ursprünglichen Umweltkonzeptes sind nicht realisierbar. Je mehr Informationen über die Bewerbung und die Folgen früherer Spiele bekannt gemacht werden, desto größer werden die Bedenken in der Bevölkerung - daran werden auch jüngste Verteidigungsversuche wie "OlympJa", das Verkaufen von Werbeartikeln oder hochrangige Politik-Besuche nichts ändern.

Der bayerische Alpenraum ist vom laufenden Klimawandel am stärksten betroffen. "Olympische Winterspiele im Zeitalter des Klimawandels in engen Gebirgstälern sind daher ein Anachronismus." fasst Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), die Kritik des BN an der Olympia-Bewerbung "München 2018" zusammen. "Gerade die ständigen Umplanungen verdeutlichen, dass in den Gebirgstälern der Platz für die inzwischen brutal kommerzialisierte olympische Gigantomanie fehlt." Auch die örtliche Bevölkerung bemerkt das in zunehmendem Maße und will sich auf ihren Flächen nicht fremdbestimmen lassen. Die Oberammergauer und die laufende Unterschriftensammlung in Garmisch zeigen dies eindrucksvoll. Der BN hatte in den letzten Monaten selbst etliche Aufklärungsveranstaltungen durchgeführt, um auf die Defizite und Probleme dieser und früherer Bewerbungen aufmerksam zu machen. "Die Spiele sind hier weder nachhaltig noch grün machbar. Das IOC sollte endlich Konsequenzen aus den Widerständen und den Realitäten in den Alpen ziehen und die olympischen Spiele nur noch an einem Ort durchführen. Statt medial inszenierten kommerzialisierten Megaevents muss der faire Sportwettbewerb wieder mehr in den Vordergrund rücken." so Hubert Weiger.

Um die tatsächliche Folge der Größe der Eingriffe in den Talraum um Garmisch-Partenkirchen zu verschleiern, kommt erst Zug um Zug die Wahrheit ans Licht. Diese Intransparenz gepaart mit Arroganz hat zur jetzigen Situation geführt. "Die Bewerber ahnten wohl sehr genau, dass eine Offenlegung aller Planungen mit allen Nebenanlagen schon viel früher einen Aufschrei verursacht hätte." stellt Axel Doering, Kreisvorsitzender des BN Garmisch-Partenkirchen, fest. Die wesentlichen Belastungen sind aus Sicht des BN neben den direkten Eingriffen durch die Sporteinrichtungen an den Hängen und im Tal vor allem der damit verbundene Fernstraßenbau (neue Transitstrecke) und die weitere Verstädterung. Während die Schäden langfristig und für die gesamte Bevölkerung wirken, sind die Gewinne kurzfristig und blieben im wesentlichen Konzernen.

Auch der Besuch der Staatsregierung hat keinerlei Klärung der umstrittenen Fragen gebracht. Das dilettantische, hoheitliche Vorgehen der Bewerber hat die Vertrauensbasis mit den Beteiligten, gleich ob betroffene Grundbesitzer oder von der Bewerbung ebenfalls betroffene Bevölkerung stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Bewerber sind und bleiben unberechenbar.


Fehlende Gesamtplanung

Es gibt noch keinerlei Gesamtplanung. Das gesamte Verfahren ist völlig intransparent. Eine Gesamtplanung würde zeigen, dass die Spiele für die beengten Räume der Täler viel zu groß sind und viel zu viele Eingriffe erfordern. Ein unrühmliche Beispiel sind die Langlauf- und Biathlonloipen, die bereits zum dritten Mal umgeplant werden. Jedes Mal hieß es von dem gerade favorisierten Standort, er sei "hervorragend geeignet." Der derzeit favorisierte Standort in Schwaiganger liegt auf sonnigsten Wiesen und ist gerade einmal auf 660 Meter Meereshöhe.

Es ist derzeit für "den Snow-Cluster" in Garmisch-Partenkirchen und Schwaiganger nicht geklärt:

wo das Snow-Village hinkommen soll
wo das Media Village hinkommen soll
wo die 16 000 Pkw-Parkplätze und die 800 Bus-Parkplätze hinkommen sollen
wie die Planung der Loipen und Stadien für Biathlon und die Schneesicherheit in Schwaiganger gestaltet werden soll und wo die Parkplätze angelegt werden sollen.
wie der Verkehr in Garmisch-Partenkirchen (z.B. Sportstättenstraße) und den umliegenden Gemeinden bewältigt werden soll.
wie die Zuschauerströme nach Schwaiganger geleitet werden sollen: Auf der Autobahn wird in beide Fahrtrichtungen voraussichtlich nur eine Spur befahrbar sein, der Shuttleverkehr vom Bahnhof Murnau nach Schwaiganger ist kaum zu bewältigen.
wie die benötigten Wassermengen in Schwaiganger für die Beschneiungsanlagen beschafft werden sollen.

Falsche Versprechen

1. Bei der Bewerbung wurden nachhaltige, grüne Spiele versprochen.

Doch der Klimawandel wird auch am Landkreis Garmisch-Partenkirchen nicht vorbeigehen. Abfahrten auf 700 m Meereshöhe haben keine Zukunft. Wegen der höheren Temperaturen wird die Beschneiung immer teurer und unwirtschaftlicher werden, da nur noch wenige Tage für die Produktion von Kunstschnee zur Verfügung stehen werden. Deshalb sollten nach Ansicht des BN in den Ausbau und die künstliche Beschneiung von Skiabfahrten grundsätzlich kein zusätzliches Geld mehr investiert werden.

"Erschreckend ist auch, was in München im Hinblick auf den Olympiapark und andere Anlagen droht." bewertet Dr. Wolfgang Zängl, Gesellschaft für ökologische Forschung, die Auswirkungen auf München. "Am unverschämtesten ist es für mich, dass die Bewerbungsgesellschaft versucht, die Zerstörung dieses Idylls als Grüne Spiele, Grünes Erbes und Nachhaltigkeit zu verkaufen."

Die Umweltprojekte der Bewerber sind vage und lassen keinerlei Mehrwert für die Region erkennen. Zentrale ursprünglich enthaltene Umweltprojekte wie ein neues Biosphärenreservat sind bereits gescheitert und können nicht mehr weiter verfolgt werden. Man sollte vielleicht dazu auch einen Blick auf die Sponsoren des IOC richten: der jüngste Sponsor ist "Dow Chemical". Diese Chemie-Firma lieferte den Kampfstoff Napalm und das dioxinhaltige Entlaubungsmittel Agent Orange im Vietnamkrieg. Ihr Logo wird bei olympischen Spielen künftig überall zu sehen sein. Weitere Sponsoren des IOC sind z.B. auch Coca-Cola oder McDonalds.


2. Die Bewerbung und die Austragung der Spiele sollte mit keinen Kosten für den Steuerzahler verbunden sein.

Doch im Falle eines Zuschlags haben sich die Gemeinden bereits verpflichtet den "Host City Vertrag" zu unterzeichnen. Dieser Vertrag bürdet den Ausrichterorten alle Pflichten und Risiken auf. Alle Rechte verbleiben beim IOC. Die Risiken für die Ausrichtergemeinden sind unbekannt.

Die Bewerbungsgesellschaft hat bis heute von den versprochenen 33 Millionen Euro erst etwa 22 Millionen eingeworben. Dazu kommt seit gestern auch die Allianz mit 3 Millionen Geld- und Sachleistungen, macht insgesamt 25 Mio, davon 8,85 Mio von Unternehmen der Öffentlichen Hand und Darlehen der Öffentlichen Hand (wie der Münchner Messegesellschaft, Flughafen München Gesellschaft, von den Münchner Stadtwerken und der Stadtsparkasse). Obwohl schon unwahrscheinlich war, dass die 30 Millionen aufgebracht werden konnten, forderten die Bewerber bereits bis zu 17 Millionen mehr (47 Mio. EUR, dann 37 Mio. EUR). Drei Millionen wurden ihnen zugebilligt (33 Mio. EUR). Damit sind 14 Millionen Finanzierungslücke, die alleine der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen ein Risiko von 16,3 Prozent beschert, da der DOSB, als größter Gesellschafter keinerlei finanzielle Verpflichtung übernommen hat.

Geradezu lächerlich wirkt die in der Gemeinderatsklausur am 2. August geäußerte Meinung der Gemeindeverwaltung, dass die Ausrichtung der Winterspiele die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen unter zehn Millionen Euro kosten wird. Alleine die Kostensteigerungen beim Bau der Großschanze von neun auf mindestens 22 Millionen Euro betragen 13 Millionen Euro.

Es gibt nur Behauptungen, dass die Spiele kein Defizit für die Beteiligten hinterlassen. Das wären die ersten Winterspiele, bei denen es so ist. Die Bewerbergesellschaft konnte allerdings schon ihre Versprechungen zu ihrem (nur) dreißig Millionen-Budget nicht annähernd einhalten. Was soll da bei einem Budget von (mindestens) drei Milliarden Euro passieren? Analog zum Bewerbungsbudget trägt auch das IOC keinerlei finanzielles Risiko.


3. Es sollen positive Wirkungen auf den Tourismus für Garmisch-Partenkirchen entstehen

Eine Weiterentwicklung des nachhaltigen Tourismus ist ohne dieses Riesenprojekt sicher erfolgversprechender als mit dieser Veranstaltung, die für das Tal und den Landkreis viel zu groß ist. Zudem wirbt Garmisch mit "Entdecke Deine wahre Natur" - ob da nicht für diese Zielgruppe die technische Infrastruktur und Umgestaltung der Berge und des Tales eher abschreckend wirkt? Die großen Chancen des Tourismus liegen im Sommer, in der hohen Anzahl von Sonnentagen sowohl im Sommer wie auch im Winter und der Authentizität der Alpen, während der Wintersport und insbesondere der Skisport nur einen sehr geringen und abnehmenden Beitrag leisten.

Die Olympiabewerbung München 2018 entwickelt sich, vor allem im Landkreis Garmisch-Partenkirchen immer mehr zur Bewerbung gegen die Menschen, wie auch die sehr gut laufende Unterschriftenaktion des Netzwerks Nolympia zeigt. Die Bewerber sollten aus der laufenden Auseinandersetzung, den Unzulänglichkeiten der Planung und dem laufenden Klimawandel endlich die richtigen Schlüsse ziehen und die Bewerbung zurückziehen.

Weitere Informationen zu Olympiabewerbung: www.nolympia.de und www.bund-naturschutz.de.

Autor: Dr. Christine Margraf


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Quelle:
Presseinformation PM 30/10/FA, 11.08.2010
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2010