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TOURISMUS/064: Durstige Reiseindustrie (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 175 - August/September 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Durstige Reiseindustrie
Massentourismus verursacht in vielen Regionen Wasserknappheit

von Volker Voss



Für die schönsten Wochen des Jahres, wie die Werbung suggeriert, jettet der Erholungsuchende gern in die künstlichen Traumwelten der oft abgeschotteten Hotelanlagen in Südeuropa oder Übersee mit gebuchtem Meerblick, alles inklusive und Animation gegen Langeweile. "Dem Alltag entfliehen, Land und Leute kennen lernen", heißt das Motto. Außerdem: "Zweimal am Tag duschen, ein landschaftlich gestalteter Garten in der Hotelanlage und ein mit bis zum Rand gefüllter Swimming Pool", fügt Dr. Stroma Cole von der University of the West of England, Bristol, Fachbereich Geographie und Umweltmanagement auf einer Fachveranstaltung in Berlin zum Thema Wasserknappheit in Urlaubsgebieten hinzu.

Damit spricht sie ein durchaus vernachlässigtes Thema an, das manch einen Urlauber nachdenklich stimmen könnte und das den Wunsch, Land und Leute kennenzulernen, dann unerwartet anders darstellt: nämlich mit einer eher ablehnenden Haltung der Einheimischen gegen die erholungsuchenden Massen konfrontiert zu werden, die ihnen, im wahrsten Sinne des Wortes, ihre Wasservorräte streitig machen. Denn Tourismus ist eine "durstige Industrie", sagt Dr. Stroma Cole. Nicht selten führt Wasserknappheit sogar zu Konflikten, weil den Einwohnern die traditionellen Lebensgrundlagen geraubt würden, betont sie. Die britische Wissenschaftlerin hat zunächst die Situation in Bali und Sansibar untersucht, verweist aber auf ähnliche Probleme in anderen Urlaubsregionen wie beispielsweise Malta und Zypern.

Allein in Bali zeichnet sich eine Wasserkrise ab, die sich schnell zu einer wirtschaftlichen und touristischen Krise entwickelt kann. Immerhin ist die Wirtschaft des Landes zu etwa 75 Prozent vom Tourismus abhängig, wovon bis zu dreieinhalb Millionen Menschen betroffen wären. Es wurde bereits ein Rückgang des Grundwasserspiegels festgestellt. Dies führt zu der absurden Situation einer zurückgehenden Landwirtschaft auf der einen und eines zunehmenden Tourismus auf der anderen Seite. "Hotels verfügen über Generatoren, mit denen sie zu jeder Zeit Wasser abpumpen können - sind sozusagen unsere Nachbarn, aber verweigern uns selbst einen Eimer voll Wasser", zitiert Dr. Cole Einheimische in Bali.



Ökologisches und soziales Problem

Wasserknappheit führt zu einem Rückgang an Nahrungsmitteln. Zudem wurde eine Verschlechterung der Wasserqualität festgestellt. Der Wasserpreis hat sich weltweit um bis zu 30 Prozent innerhalb von drei Jahren erhöht. Es sei ebenso absurd, wenn gut betuchte Touristen 1.500 Dollar für ein traumhaftes Zimmer zahlen, doch nicht weit entfernt ein Baby stürbe, kritisiert Dr. Cole. Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht nach der UN-Resolution A/HRC/15/L.14. 2010, wonach 50 bis 100 Liter pro Tag als Richtlinie veranschlagt werden, verweist Dr. Cole. Die Reiseunternehmen sollten das respektieren. Deshalb fordert sie von den Unternehmen "angemessene Sorgfalt statt Komplizenschaft", was schließlich auch den Ruf der Branche fördern und das Image erhöhen würde. Einige Unternehmen haben das bereits erkannt und handeln entsprechend. Das seien jedoch noch zu wenige, beklagt sie. Notwendig wäre unter anderem eine Einschränkung des Wasserflusses.

"Der Massentourismus ist ein großes ökologisches und soziales Problem in vielen Ländern", schreibt Anne Bernhardt von der Umweltschutzorganisation Greenpeace in einem Beitrag für das Internetportal des Goethe Instituts. Umweltbelastungen durch Tourismus entstünden vor allem in Ländern, die ein sensibles Ökosystem und eine mangelnde Infrastruktur aufwiesen. Dort würden oft rücksichtslos Hotelanlagen und Straßen ausgebaut.

Ein ähnliches Bild, wie von Dr. Cole beschrieben, zeichnet sich auch in wasserarmen Regionen Nordarfrikas wie beispielsweise in Tunesien und Marokko ab. Der Autor Frank Kürschner-Pelkmann nennt auf TourismWatch, dem Informationsdienst Tourismus und Entwicklung, die beliebten, mit Direktflug von Deutschland aus erreichbaren Oasen des Bled el Djerid im Süden Tunesiens als negatives Beispiel. Der Massentourismus dort verschlingt die fossilen Grundwasservorräte unter der Oase.

"Mehr als 800 Jahre lang hatte es in Tozeur ein ausgeklügeltes Wasserverteilungs- und Bewässerungssystem gegeben. Die wenigen Reisenden, die die Oase besuchten, begnügten sich mit einigen Litern Quellwasser - die heutigen Touristen erwarten dagegen Swimmingpools und grüne Rasenflächen. Dort sorgen Tiefbrunnen und leistungsstarke Motorpumpen für scheinbar unbegrenzte Wassermengen, die aus bis zu 3.000 Metern Tiefe heraufgeholt werden. Allerdings sinkt der Grundwasserspiegel, was dazu führt, dass erste Dattelpalmen vertrocknen und damit die Existenzgrundlage der Bauernfamilien bedroht ist", beschreibt der Autor die sich verschlechternde Situation aufgrund des knapper werdenden Wassers. Der Umweltminister im benachbarten Marokko warnte bereits 2006 vor der Vernichtung der Oasen in seinem Land und regte intensives Wassersparen an.



Teure Wasserverschwendung

Während in Dubai, wohin jedes Jahr über sechs Millionen Touristen reisen, sowie weiteren Metropolen am Persischen Golf, wo scheinbar unbegrenzte Wassermengen verschwendet werden, leiden gleichzeitig aber 45 Millionen Menschen im Nahen Osten und in Nordafrika an Wassermangel und mehr als 80 Millionen verfügen über keine Sanitärinfrastruktur. Neue Hotels schießen dort wie Pilze aus dem Boden. Swimmingpools und künstliche Surfanlagen werden mit entsalztem Meerwasser versorgt, was wiederum sehr kostenintensiv ist.

Es ist längst bekannt, dass der Massentourismus eine der gravierendsten Ursachen für diese Entwicklungen ist. Doch warum ändert sich nur wenig? Er ist in vielen Ländern ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und somit Arbeitgeber für Viele. Weltweit sind etwa 100 Millionen Menschen in der Tourismusbranche beschäftigt. Die UN-Organisation "United Nations Environment Programme" (UNEP) und die Welttourismusorganisation (UNWTO) haben darum Kriterien für einen nachhaltigen Tourismus entwickelt.

Beispielsweise wurde in Ägypten, das jährlich von über sieben Millionen Touristen besucht wird, ein Öko-Siegel, der "Green Star", etabliert. Diese Siegel bekommen Hotels, die bestimmten Mindestanforderungen beim Energie- und Wassersparen oder bei der Abfallentsorgung genügen. Um der Wasserverschwendung in touristischen Zentren Einhalt zu gebieten, wird vorgeschlagen, den Wasserverbrauch grundsätzlich einzuschränken, in den Hotels Toiletten mit geringer Spülung sowie Feuchtigkeitssensoren zum Wasserabruf und überall ein Schmutzwasser-Recycling zu installieren. Zudem sollten Reiseunternehmen Druck auf Hoteliers ausüben.

Doch sind nicht nur Reiseunternehmen, Investoren und Hoteliers gefragt, gerade Touristen sollten sich angesprochen fühlen, ihr Anspruchsdenken und künstliches, oft durch Werbung erzeugtes Luxusverständnis herunterschrauben und so zu einem sparsamen Energieverbrauch während der Reise beitragen.

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 175 - August/September 2013, Seite 19
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2013